Palästina und Argentinien: In Spanien rückt die Außenpolitik in den Vordergrund

Die Regierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez erkennt Palästina als Staat an. Zugleich sorgt der Streit mit dem argentinischen Präsidenten Javier Milei für Unruhe

Konfliktscheu ist er nicht: Pedro Sánchez im spanischen Parlament.  | FOTO: EDUARDO PARRA/EP

Konfliktscheu ist er nicht: Pedro Sánchez im spanischen Parlament. | FOTO: EDUARDO PARRA/EP

Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

Die große weite Welt der Außenpolitik ist eher selten Gegenstand der Debatten im spanischen Unterhaus. Doch am Mittwoch (22.5.) standen gleich zwei brandneue diplomatische Krisen im Zentrum des politischen Schlagabtausches im Congreso de los Diputados. Ministerpräsident Pedro Sánchez verkündete, dass Spanien Palästina als Staat anerkennen werde, was eine sofortige wütende Reaktion der israelischen Regierung hervorrief. Des Weiteren verteidigte der Regierungschef die Entscheidung, die spanische Botschafterin nach Beschimpfungen durch den argentinischen Staatspräsident Javier Milei aus Buenos Aires abzuziehen.

Die Linksregierung wird am kommenden Dienstag offiziell den Staat Palästina anerkennen. Der lange erwartete Schritt wurde in Einklang mit Norwegen und Irland vereinbart. Madrid hatte gehofft, noch andere europäische Länder für die diplomatische Offensive gewinnen zu können, bislang ohne Erfolg. „Nur eine Lösung mit zwei Staaten, die mit Sicherheitsgarantien zusammenleben, ermöglicht den Frieden. Um das zu erreichen, müssen beide Seiten gleichberechtigt am Tisch sitzen“, erklärte Sánchez im Parlament.

Pro-Palästina-Demo in Madrid.  | FOTO: CHEMA MOYÀ/EP

Pro-Palästina-Demo in Madrid. | FOTO: CHEMA MOYÀ/EP / Aus Madrid Berichtet Thilo Schäfer

Er beziehe sich auf die Palästinensische Autonomiebehörde (PNA) und nicht auf die Terrororganisation Hamas, die im Gazastreifen an der Macht ist, stellte der Sozialist klar. „Die Hamas verfolgt das Ende der PNA. Die PNA ist unser Partner für den Frieden“, so Sánchez. Der Ministerpräsident sagte in seiner Ansprache voraus, dass man auf die Folgen der Entscheidung vorbereitet sei. Israel bestellte am Mittwoch umgehend seine Botschafter in Spanien, Irland und Norwegen ein und warnte vor „schwerwiegenden Konsequenzen“.

Anerkennung Palästinas hat zunächst keine praktischen Folgen

In Madrid ist man sich bewusst, dass die Anerkennung Palästinas zunächst keine praktischen Folgen haben werde und allein genommen nicht die Lösung des Kriegs in Nahost sein könne. „Aber was ist die Alternative? Dass alle Palästinenser aus Gaza verschwinden?“, hieß es in spanischen diplomatischen Kreisen.

Dem linken Bündnispartner der Sozialisten von Sánchez ging der Schritt indessen nicht weit genug. Sumar und Podemos fordern den Bruch der diplomatischen Beziehungen zu Israel wegen der Offensive im Gaza-Streifen. Das Schicksal der Palästinenser hat in linken Kreisen in Spanien traditionell weit größeren Zuspruch als in vielen anderen europäischen Nachbarstaaten.

Polterte gewaltig: der argentinische Präsident Javier Milei. | FOTO: EP

Polterte gewaltig: der argentinische Präsident Javier Milei. | FOTO: EP / Aus Madrid Berichtet Thilo Schäfer

Persönliche Anfeindungen vergiften das Klima

Zum Bruch der Beziehungen zwischen Spanien und Argentinien ist es derweil noch nicht gekommen, doch ist die Lage so angespannt wie lange nicht mehr. Der Konflikt beruht nicht etwa auf blutigen Auseinandersetzungen oder konkreten Differenzen, sondern allein auf persönlichen Anfeindungen. Der für sein loses Mundwerk bekannte spanische Verkehrsminister Óscar Puente hatte Argentiniens Präsident Milei vor Wochen Drogenkonsum unterstellt, diese Aussage später aber zurückgenommen.

Am vergangenen Wochenende stattete der eigenwillige Argentinier Spanien seinen ersten Besuch seit Amtsantritt ab. Obwohl er im Präsidentenflugzeug anreiste und auf dem Militärflughafen Torrejón landete, traf Milei keinen einzigen Regierungsvertreter. Er stellte sein neues Buch vor und traf sich mit Vertretern des Unternehmerverbandes CEOE und führender spanischer Konzerne, die in Argentinien aktiv sind.

Gipfeltreffen der europäischen Rechtspopulisten

Der Hauptanlass seiner Reise war jedoch der Auftritt am Sonntag (19.5.) auf einer großen Veranstaltung von Vox in Madrid. Die Rechtspopulisten hatten verschiedene Gleichgesinnte zum inoffiziellen Auftakt des Europawahlkampfes eingeladen, etwa Marine Le Pen aus Frankreich oder den Portugiesen André Ventura. Der unbestrittene Star in der Indoor-Arena von Vistalegre war jedoch der Staatschef aus Buenos Aires.

Milei präsentierte in gewohntem Stil eine Generalabrechnung mit dem Sozialismus und griff Ministerpräsident Sánchez persönlich an, indem er von dessen „korrupter Frau“ sprach. Der Argentinier bezog sich auf die Vorwürfe, wonach Begoña Gómez durch berufliche Kontakte zu Air Europa die staatliche Rettung der Fluglinie inmitten der Pandemie beeinflusst haben solle. Ein Madrider Richter geht der entsprechenden Klage von zwei rechtsextremen Organisationen nach, obwohl Staatsanwaltschaft und Guardia Civil keinerlei Anzeichen für einen Interessenkonflikt konstatieren.

So reagierte Madrid auf die Angriffe von Milei

Die spanische Regierung bestellte nach den Angriffen Mileis die Botschafterin in Buenos Aires ein und verlangte eine Entschuldigung. Doch der Argentinier legte bei seiner Rückkehr nach Buenos Aires nach und bezichtigte „Pedrito“ der Feigheit. Allerdings sah die argentinische Regierung davon ab, ihrerseits den Botschafter aus Madrid abzuziehen. Die Krise sorgt für Unruhe bei den vielen Argentiniern in Spanien und umgekehrt – und auch in der Wirtschaft. Antonio Garamendi, der Präsident der CEOE, und die Vorstände von Firmen wie Telefónica, Santander, BBVA oder Iberia, die an dem Treffen mit Milei in Madrid teilgenommen hatten, wiesen dessen Angriffe auf Sánchez zurück.

Auch der Vorsitzende der konservativen Volkspartei PP, Alberto Núñez Feijóo, kritisierte den Auftritt Mileis in Madrid. Die harte Reaktion der Regierung mit dem Abzug der Botschafterin hält der Oppositionsführer jedoch für übertrieben. In der Palästinafrage ist die PP eigentlich auch für die Zweistaatenlösung. Doch hält Núñez Feijóo den Zeitpunkt der Anerkennung Palästinas für falsch. Die Prioritäten müssen derzeit bei der Befreiung der Geiseln, dem Waffenstillstand und der humanitären Hilfe liegen, erklärte der Politiker im Parlament. Dann spannte er den Bogen zur Innenpolitik, indem er Sánchez vorwarf, mit dem Konflikt im Nahen Osten und gegenüber Argentinien von seinen Problemen ablenken zu wollen.

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