Was zum Schiedsrichterskandal beim FC Barcelona bekannt ist

Die Katalanen haben jahrelang Geld an einen Unparteiischen überwiesen, der den Club sogar erpresst haben soll

Seit kein Geld mehr an den Schiedsrichterberater floss, soll Barça bei den Schiris schlechter wegkommen. Hier bei einem Spiel 2022.  | FOTO: ALEJANDRO GARCÍA

Seit kein Geld mehr an den Schiedsrichterberater floss, soll Barça bei den Schiris schlechter wegkommen. Hier bei einem Spiel 2022. | FOTO: ALEJANDRO GARCÍA / Sergi López-Egea, Ralf Petzold

Sergi López-Egea, Ralf Petzold

Kaum ist nach dem Messi-Abgang, der oft thematisierten Überschuldung und dem turbulenten Lewandowski-Wechsel etwas Ruhe beim FC Barcelona eingekehrt, da platzt die nächste Bombe beim derzeitigen Tabellenführer der Primera División. Barça soll jahrelang einen Schiedsrichter bestochen haben, berichteten Medien aus Madrid am Donnerstag (16.2.). Dass die Katalanen in den vergangenen 22 Jahren um die sieben Millionen Euro an José María Enríquez Negreira bezahlt haben, bestreitet niemand. Unklar ist aber, was der ehemalige Profischiri als Gegenleistung bot.

Der heute 77-Jährige Enríquez Negreira pfiff zwischen 1979 und 1992 in der ersten Liga. Ein Spiel vom FC Barcelona leitete er nie, da er dem katalanischen Schiedsrichterverband angehörte und es ihm daher nicht gestattet war. Den Erzrivalen Real Madrid hat er aber oft gepfiffen. Mit neun Platzverweisen ist er der Schiedsrichter, der den Königlichen die viertmeisten Roten Karten gezeigt hat. Nach seiner aktiven Karriere war Enríquez Negreira von 1994 bis 2018 Vizepräsident eines Schiedsrichter-Ausschusses im spanischen Fußballverband. Seine Aufgabe dort bestand unter anderem darin, den Schiris mitzuteilen, wenn sie nach einer schwachen Leistung eine Auszeit bekamen oder in eine niedrigere Liga versetzt wurden. Einfluss auf die Ansetzung der Schiedsrichter zu den Fußballspielen hatte er wohl nicht. Zudem leitete er gemeinsam mit seinem Sohn Javier die Firma „DASNIL 95“, die offenbar nur von den Barça-Zahlungen lebte.

Aufgeflogen ist der Skandal wegen Unregelmäßigkeiten bei der Steuererklärung. Der Fußballverein hat die Zahlungen regelmäßig deklariert, das Unternehmen die Einkünfte zwischen 2016 und 2018 unter den Tisch fallen lassen. Als das Finanzamt die Angaben verglich, fiel das auf.

Schiedsrichterberater sind in der Branche üblich

In einem Statement behauptet Barça, dass der Verein für das Geld Infos zu Jugendspielern anderer Teams erhielt. „Darüber hinaus erstreckte sich die Beziehung zu diesem Lieferanten auch auf technische Berichte über das professionelle Schiedsrichterwesen, um die vom Trainerstab der ersten und zweiten Mannschaft angeforderten Informationen zu ergänzen. Dies ist eine gängige Praxis bei professionellen Fußballvereinen.“ Vereinfacht ausgedrückt: Enríquez Negreira soll dem Club mitgeteilt haben, bei welchem Schiedsrichter die Spieler lieber die Klappe halten sollten, um nicht in Missgunst zu geraten oder eine Karte wegen Meckerns zu riskieren. Girona nutzte zwischen 2010 und 2011 ebenfalls die Dienste des Ex-Schiris. Auch Real Madrid soll einen ehemaligen Profi als Schiedsrichterberater haben.

2018 stellte Barça im Zuge eines rigorosen Sparkurses die Zahlungen ein. Medienberichten zufolge soll Enríquez Negreira den Verein daraufhin erpresst haben. Es ist unklar, was der 77-Jährige gegen den Verein in der Hand hatte, wo seine Dienste doch angeblich legal waren. Wie die Zeitung „AS“ analysierte, soll der FC Barcelona seit dem Abgang des Schiedsrichterberaters wesentlich schlechter bei den Unparteiischen wegkommen sein und mehr Elfmeter sowie Rote Karten kassiert haben. Die vergangenen drei Jahre gehören zu den schlechtesten Saisons der jüngeren Vereinsgeschichte des FC Barcelona.

Der Skandal bedeutet für Barça hauptsächlich einen weiteren Imageschaden. Der Club will rechtliche Schritte einleiten. Aus sportlicher Sicht dürften keine Konsequenzen drohen. „Wir haben den Fall geprüft. Seit 2018, dem Jahr in dem die Tätigkeit endete, sind fünf Jahre vergangen. Derartige Vergehen verjähren nach drei Jahren“, sagte Javier Tebas, Chef des spanischen Ligaverbandes. Die Ligakonkurrenten, zu denen auch Real Mallorca gehört, äußerten sich lange Zeit nicht zu dem Thema. Erst am Montag (20.2.) veröffentlichte der FC Sevilla ein Statement, in dem der Verein die lückenloses Aufklärung des Falls fordert.