"Ich bin der erste Schuldige" - Atlético-Baleares-Boss Ingo Volckmann über die verkorkste Saison

Der Berliner über einen möglichen Verkauf des Clubs, die Zukunft von Sportdirektor Patrick Messow und den drohenden Abstieg

Viel zu lachen hatte Ingo Volckmann (li.) zuletzt nicht. Neben ihm: Sportdirektor Patrick Messow.  | FOTO: NELE BENDGENS

Viel zu lachen hatte Ingo Volckmann (li.) zuletzt nicht. Neben ihm: Sportdirektor Patrick Messow. | FOTO: NELE BENDGENS / Manolo Fernández

Zehn Jahre lang träumte Ingo Volckmann davon, mit Atlético Baleares der dritten Liga zu entkommen. Nun wünscht sich der Clubeigentümer aus Berlin nichts sehnlicher, als auch in der kommenden Saison Drittligist zu sein. Die Chancen dafür sind gering. Acht Spieltage vor Saisonende hat Atlético Baleares elf Punkte Rückstand auf die Nicht-Abstiegsplätze. Nach sieben sieglosen Spielen gibt es kaum noch Hoffnung auf ein Wunder. Im Heimspiel gegen Real Madrid B am Sonntag (31.3.) gab es eine 0:1-Pleite. Am Sonntag (7.4.) geht es auswärts gegen den Tabellensechsten Recreativo. Hält der negative Trend an, könnte der Abstieg in die vierte Liga schon Ende April offiziell sein. Sicherlich auch vor diesem Hintergrund räumte Ingo Volckmann unlängst gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) ein, dass er sich einen Verkauf des Clubs vorstellen kann.

Wie steht es um einen möglichen Verkauf des Vereins?

Ich denke erstmals darüber nach. Es läuft einfach nicht, auch bei meinen Firmen nicht. Die Botschaft lautet aber ganz klar: Ich bin nächste Saison noch da, egal ob wir in der dritten oder vierten Liga spielen. Auch darüber hinaus kann ich mir vorstellen, noch weitere fünf bis sechs Jahre zu bleiben. Ich erstelle gerade ein Budget, um ein Fitnessstudio und eine Bar im Stadion aufzubauen. Dadurch könnten Einnahmen hereinkommen, die die Ausgaben etwas auffangen.

Haben Sie schon Angebote für Atlético Baleares erhalten?

Zwei, die haben mich aber nicht interessiert. Nur wenn ein Interessent mit einem guten Projekt auftaucht, denke ich über den Verkauf nach. Das war bei den beiden Angeboten nicht der Fall. Da gab es keine langfristigen Pläne. Ich bin nun seit zehn Jahren dabei und will den Verein in einer stabilen Bahn halten.

Wie sehr leiden Sie unter der aktuellen sportlichen Krise?

Aus Sicht des Präsidenten ist der Fußball auch eine Arbeit, und es kann nicht immer alles nach Plan laufen. Aus Sicht eines Fans sieht es wirklich bescheiden aus. Da müssen wir uns mit dem Szenario eines Abstiegs in die vierte Liga auseinandersetzen. Wenn das passiert, dreht sich die Welt aber weiter. Es wäre blöd, aber nicht zu ändern.

Fußball ist Teamarbeit

Woran liegt es, dass die Saison so miserabel läuft?

Ich bin der Boss. Ich muss sowohl in guten wie auch in schlechten Zeiten mein Gesicht hinhalten. Daher bin ich der erste Schuldige. Um mich herum sind Leute, die Trainer oder Spieler aussuchen. Letztlich ist ein Fußballverein Teamarbeit. Und dieses Team hat versagt. So einfach ist das. Im Winter haben wir den Fehler gemacht, zu sehr auf die Wünsche des damaligen Trainers (Juanma Barrero, Anm. d. Red.) einzugehen. Wahrscheinlich habe ich mit seiner Entlassung zu spät die Reißleine gezogen. Seine Arbeitsweise hat mir gefallen, die Ergebnisse passten aber nicht. Letztlich spielt auch der niedrigere Spieleretat in dieser Saison eine Rolle. Ich kann nicht jedes Jahr so viel Geld ausgeben. Wir wollten oben mitspielen, aber das hat nicht geklappt. Und auch in der nächsten Saison werden wir den Etat weiter kürzen.

Sie arbeiten also bereits an den Planungen der nächsten Saison?

Es wird Veränderungen geben. Die habe ich ja auch schon zu Saisonbeginn angekündigt, sollten wir uns in der Tabelle nicht verbessern. Ich will nicht mit dem Finger auf andere zeigen und sagen, der hat schlechte Arbeit gemacht. Es hat einfach nicht geklappt. Jordi Roger wird diese Woche als Assistent des Sportdirektors Patrick Messow abgezogen. Bis zum Ende der Saison bleibt er noch bei uns. Mit Marc Julià kommt ein neuer Sportdirektor. Patrick Messow wird ihn einarbeiten und am Anfang unterstützen.

Was wird aus Patrick Messow?

Was wird danach aus Patrick Messow?

Wenn er will, kann er als sportlicher Leiter des Vereins bleiben. Sozusagen als Chef. Als unser Geschäftsführer zurücktrat, ist Patrick in die Bresche gesprungen und hat mir unter die Arme gegriffen. Es gab sonst niemand anderen, und ich bat ihn darum. Wie immer legte er klaglos 14 bis 16 Stunden lange Schichten ein. Er trägt den Verein einfach im Herzen.

Viele Fans sind der Meinung, dass der Abschied von Messows Assistenten Jordi Roger zu spät kommt und dass er schon damals nach seiner Entlassung als Cheftrainer hätte gehen müssen. Warum hielten Sie so lange an dem Katalanen fest?

Ich habe gerne Leute um mich herum, denen ich vertrauen kann und die nicht schlecht über mich reden, wenn ich sie entlasse. Als ich Jordi gekündigt habe, sagte er: „Danke, Ingo, für alles.“ Das gefällt mir. Bei solchen Leuten weißt du, dass sie wirklich hinter dir stehen. Das kann am Ende halt auch in die Hose gehen.

Mit Marc Julià als Sportdirektor und Jaume Mut als Trainer haben Sie zwei Mallorquiner verpflichtet. Rückt die Insel nun wieder etwas mehr in Ihren Fokus?

Jaume Mut ist der Trainer, den wir gerade brauchen. Ein Typ wie er fehlte uns. Sicherlich werde ich künftig auch verstärkt auf Mallorquiner setzen. Das hat wirtschaftliche Gründe, da ich nicht so viel ausgeben will. Wenn ich jemanden von auswärts anheuere, muss ich allein für die Miete einer Wohnung 1.500 Euro mehr zahlen. Zudem suche ich Leute, die Bock auf den Job haben, und keine Söldner, die das Gehalt abgreifen und spurlos nach der Arbeit verschwinden. Marc Julià wird gemeinsam mit dem Trainer einen Kader zusammenstellen, der hoffentlich das Publikum mehr als zuletzt begeistern wird. Sei es in der dritten oder der vierten Liga.

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