Dialekt oder nicht: Rechtsextreme Vox-Partei entfacht Sprachenstreit in Valencia

Laut einer Umfrage von 2021 erklärten 23 Prozent der Befragten, dass Valencianisch ihre tägliche Umgangssprache sei. Sechs Jahre zuvor waren es noch 31 Prozent.

Die Feiern zu „Moros y Cristianos“ in Vila Joiosa 
mit den Flaggen der Region. foto: david Revenga

Die Feiern zu „Moros y Cristianos“ in Vila Joiosa mit den Flaggen der Region. foto: david Revenga / Aus Vila joiosa berichtet Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

Im Markt von Vila Joiosa werden die meisten Gespräche auf Valencianisch geführt. Manche Kunden sprechen eine Mischung aus valencià und castellano. Vor allem bei ausländischen Gästen sprechen die Verkäufer nur Kastilisch, also Spanisch. Der malerische Ort an der Costa Blanca – auf Spanisch Villajoyosa – ist eine Hochburg der eigenständigen Sprache, eine Varietät des Katalanischen, wie generell der nördliche Teil der Provinz Alicante in der Region Valencia. Doch ist der Gebrauch des valencià in der autonomen Gemeinschaft geringer als der des Katalanischen in Katalonien und tendenziell nimmt Spanisch als Umgangssprache zu. Laut einer Umfrage von 2021 erklärten 23 Prozent der Befragten, dass Valencianisch ihre tägliche Umgangssprache sei. Sechs Jahre zuvor waren es noch 31 Prozent.

Seit bei den Regionalwahlen im Mai die konservative Volkspartei PP mit der rechtsextremen Vox die Koalition aus Sozialisten, Linken und Regionalisten an der Macht ablöste, ist der Streit um Sprache und Identität neu entbrannt. Die neue Regierung Valencias hat die Verpflichtung aufgehoben, dass in den als hauptsächlich Spanisch-sprachigen Zonen der Region mindestens 25 Prozent des Schulunterrichts auf Valencianisch erteilt werden muss. In der ganzen Region sollen Eltern die freie Wahl der Sprache für ihre Kinder haben.

Vox zog Antrag zurück

Im Süden der Provinz Alicante an der Grenze zu Murcia hört man kaum valencià, wie in weiten Teilen des Inneren der Mittelmeerregion, die an Kastilien La Mancha und Aragón grenzt. In der Stadt Alicante gaben nur zwölf Prozent der Befragten an, hauptsächlich Valencianisch zu sprechen. Daher brachte Vox einen Antrag im Rathaus ein, um die Landesregierungen aufzufordern, Alicante zur Spanisch sprechenden Zone umzudeuten, was eine deutliche Reduzierung des valencià in Schulen und öffentlichen Einrichtungen zufolge hätte. Ein Aufruf von Akademikern, etwa der Universität Alicante, warnte, dass die Sprache Teil der Identität der Stadt sei und früher mehrheitlich gesprochen wurde, bevor die Franco-Diktatur das Kastilisch durchsetzte. Am Ende zog Vox den Antrag zurück, da der Ministerpräsident von Valencia Carlos Mazón von der PP angeblich eine weitreichende Reform der Sprachregelungen angeboten hätte.

Das Problem existiert auch in anderen Landesteilen Spaniens

Der Streit um die Regionalsprache ähnelt der Situation in anderen Landesteilen Spaniens. Doch in Valencia hat er eine eigene Note. PP und Vox beharren darauf, dass das valencià eine eigenständige Sprache gegenüber dem Katalanischen sei. Schon im Mittelalter wurde auf die Existenz des Valencianisch hingewiesen. Doch die Real Academia Española (RAE) definierte die Sprache als „Varietät des Katalanischen, das in großen Teilen des früheren Königreichs Valencia gesprochen und als eigene Sprache aufgenommen wird“.

Für Vox ist die Sprache gewissermaßen ein trojanisches Pferd der katalanischen Separatisten, die in ihrer Vorstellung eines Groß-Kataloniens Valencia und auch die Balearen miteinbeziehen. „In der Comunidad Valenciana wird Valencianisch gesprochen und wir müssen unsere eigene Sprache vor der Einmischung des Katalanismus schützen, die die Linken in den letzten Jahren gefördert haben“, erklärte die Fraktionssprecherin von Vox im Regionalparlament, Ana Vega.

Streit um Stadtnamen

Die Koalition aus Sozialisten, Linken und Regionalisten regierte bis Mai im Rathaus der Hauptstadt, wo man den offiziellen Namen auf das valencianische „València“ beschränkte. Die neue Lokalregierung der PP, mit Unterstützung von Vox, beschloss einen Doppelnamen: „Valencia“ auf Spanisch und „Valéncia“. Die Akzentsetzung des „é“ ist eine gewollte Abkehr vom im Katalanisch üblichen „è“. Die Philologen streiten über diese Frage, während Juristen dem Stadtrat die Kompetenz in solchen Sprachangelegenheiten absprachen.

Im jüngsten Streit stellt Vox die Acadèmia Valenciana de la Llengua (AVL) infrage, welche gemäß der Landesverfassung das letzte Wort bei Sprachregelungen hat. Die AVL ist nach Ansicht der Rechten der Realität des Sprachgebrauchs in der Region entrückt. Die meisten Valencianer würden eine Variante sprechen, die dem Spanisch näherstünde als dem Katalanischen. Landeschef Mazón musste eingreifen und die „akademische und wissenschaftliche Autorität“ der AVL verteidigen. Doch damit werden die Kulturkämpfe um die Sprache bestimmt nicht beendet sein.

Abonnieren, um zu lesen