Die Morgensonne taucht die Wiese in ein leuchtendes Rot. Emsige Bienen umschwärmen die Blüten. Das ist den Niederschlägen im Mai zu verdanken. Sie haben der Flora auf Mallorca einen zweiten Frühling beschert, die Pflanzen konnten genügend Pollen und Nektar bilden, um sie mit den Insekten zu teilen.

Der rot blühende Kronen-Süßklee (Hedy­sarum coronarium bot., zulla span., enclòver kat.) auf der Wiese zählt zu den Schmetterlingsblütlern. Ursprünglich war er auf Menorca als Viehfutter angebaut worden, jetzt bestimmt seine Farbe die Bienenweide. „Die abejas sind ganz verrückt nach diesen Blüten", sagt Gori Lladó, während er über das zwei Hektar große Anwesen bei Campos führt.

Seit zwei Jahrzehnten kümmert sich der 58-Jährige in seiner Freizeit um Bienen. Hauptberuflich unterrichtet er im Auftrag von ­Mallorcas Inselrat Öko-Gemüseanbau und Gartenpflege auf dem Landgut Raixa. Gemeinsam mit dem Dachverband der Öko-Landwirte (Apaema) veranstaltet der Mallorquiner auch Fortbildungskurse für Imker.

Regenreiches Frühjahr

Direkt bei der Kleewiese befindet sich in einem glänzenden Metallgehäuse eine Mess­station des Meteorologischen Instituts ­(Aemet). Das ehrenamtliche Aufzeichnen der Daten im Inselsüden hat Lladó von seinem Vater übernommen. Dieser hat die Messungen noch handschriftlich notiert und sie per Post nach Madrid geschickt. Heute werden sie via Radio übermittelt. Weil die Sendungen aber nur ­bedingt zuverlässig sind, verschickt Lladó sie einmal im Monat zusätzlich per E-Mail.

Die Niederschlagsmengen hat er im Kopf, denn sie sind entscheidend für das Bienen­leben, das im Durchschnitt 50 Tage dauert. „Mallorca könnte wegen seiner Artenvielfalt ein Paradies für Bienen sein, doch in manchen Jahren regnet es zu wenig", sagt er. So sind nach seinen Messungen von Mitte November 2018 bis zum darauffolgenden Sommer pro Monat im Durchschnitt nur Niederschläge von 24 Liter pro Quadratmeter gemessen worden.

Das hatte zur Folge, dass die etwa rund 90.000 Bienen, die in jedem seiner 80 Stöcke wohnen, weniger Honig lieferten. Im Vorjahr waren es zusammen nur 150 Kilogramm. Jetzt im April hätten die Messungen ­jedoch Niederschläge von 100 Liter pro Quadratmeter ergeben, weshalb die doppelte Menge von Honig zusammenkommen könnte. Lladó ist sich sicher: Zumindest für die Bienen wird 2020 ein gutes Jahr. Wobei ihm die Honigmenge gar nicht so wichtig ist: Er ist mehr Bienenzüchter als Imker. Ihm liegt die Gesundheit seiner auch vom Klimawandel bedrohten Insekten am Herzen.

Bio-Imkerei

Damit es seinen Bienen gut geht, beachtet er genau ihren natürlichen Vermehrungszyklus und behandelt sie mit sanften Mitteln. Im Frühjahr beispielsweise säubert er die Stöcke gründlich und impft die Tiere mit einem aus dem Thymian hergestellten Extrakt gegen die Varroa-Milbe. Diese Methoden sind für die Bio-Imkerei vorgeschrieben. Dabei besitzt ­Lladó nicht das Bio-Zertifikat des Inselrats, weil dafür im Umkreis der Bienenstöcke drei Kilometer Ökofelder nachgewiesen werden müssen. „Das kann auf der Insel nur der Bio-Imker Martí Mascaro. Seine Bienen sind auf zertifizierten Ökowiesen in der Nähe von Petra oder auf dem Landgut Ariant unterwegs", sagt Gori Lladó.

Auf der Finca nahe Campos fertigen die Baubienen ihre sechseckigen Waben zum größten Teil selbst an. Er zieht einen noch nicht von Bienen besiedelten und deshalb leeren, traditionellen und rechteckigen Rahmen aus einem der Stöcke. Nur drei Zentimeter bestehen aus vorgefertigten Wachswaben. Den Rest des ­Rahmens füllen die Baubienen. Auch das sei eine Vorschrift der Bio-Imkerei, so der Mallorquiner. Vor­gefertigte Wachswaben gingen einher mit einem hohen Ansteckungsrisiko für Infektionen und begünstigten den Milbenbefall.

Der Standort

Der Rundgang führt nun an mehreren Bienenstöcken vorbei, die hintereinander auf einem leicht ansteigendem Gelände aufgestellt sind, um den Arbeitsbienen gute Start- und ­Landebahnen zu bieten. Rechts und links von den Bienenstöcken haben junge Bäume frische grüne Blätter gebildet. Es handelt sich um Dreidornige Gleditschien (Gleditsia triacanthos bot., acacia de tres espinas span., acàcia de les tres punxes, kat.). Das sind ebenfalls bei Bienen beliebte Schmetterlingsblütler, die eigens in Raixa ­dafür vermehrt worden sind. Die laubabwerfenden Bäume lassen im Winter die Sonne durch und spenden im Sommer Schatten. Das hilft den Belüfterinnen, die durch ihr Flügelschlagen im Stock die Temperatur während der Hitzeperiode senken.

Der Tanz

Ihre Kolleginnen, die Sammelbienen, sind auf der Finca zurzeit von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang unterwegs. Einige von ihnen starten morgens ihren Flug, andere um die Mittagszeit, eine weitere Gruppe ist auf Pflanzen spezialisiert, die am Abend besonders viel Nektar oder eine reiche Auswahl Pollen bieten. Wo die richtigen Pflanzen zu finden sind, verraten ihnen die Kundschafterinnen, meist ältere, erfahrene Bienen, deren Aufgabe das Entdecken neuer Nahrungsquellen ist.

Durch gezielte Bewegungen, Bienentänze genannt, vermitteln sie ihren Stockgenossinnen, welche Pflanzenart sie gefunden haben und ob Pollen oder Nektar zu sammeln ist. Die Intensität ihrer Bewegungen gibt Auskunft über die Menge der Nahrung.

Der neue Schwarm

So waren es sicherlich die Kundschafterinnen, die ihren Kolleginnen meldeten, dass ein Ast des Pflaumenbaums auf der Finca der richtige Ort für den Neustart eines Staates ist. Als die Besucher dort vorbeikommen, entdecken sie einen Schwarm mit dicht an dicht sitzenden Bienen. „Häufig folgt ein Teil der Bewohnerinnen eines Bienenstocks einer alten Königin, die von einer jüngeren Rivalin vertrieben ­wurde", erklärt der Imker. Die Bezeichnung reina kommt ihm aber nicht so leicht über die Lippen. Ein Bienenvolk hätte nichts mit einer ­Monarchie gemein, es wäre demokratisch ­organisiert. Deshalb würde das Wort madre ­besser zutreffen.

Das Experiment

Gori Lladó unterbricht den Rundgang, um in der Honigwerkstatt, die neben dem Wohnhaus untergebracht ist, die Uten­silien für das Einfangen des Schwarms zu holen. Dafür sind auch Imkeroveralls notwendig. Wir streifen sie uns im Haus über. Auf dem Rückweg zum Pflaumenbaum fallen Biostöcke mit ungewöhnlicher Form auf, die Lladó selbst geschreinert und weiß gestrichen hat. Der sechseckige Körper ist lang ­gestreckt und steht auf vier Füßen. Diese Form schien ihm ein Experiment wert zu sein, weil das Sechseck die Urform der Wachswaben ist. „Es ist ein Versuch: Vielleicht mögen die ­Bienen diese Wabenform lieber als die rechteckige", so der Imker.

Dann nimmt er den Deckel ab, pustet mit dem Smoker Rauch ins Innere, um die Bienen vom Stechen abzuhalten. Mit bloßen Händen zieht er ein halbes, nach unten offenes Sechseck heraus (siehe großes Foto li.). „Im April habe ich den Holzrahmen mit Wachs bestrichen und einen neuen Schwarm angesiedelt", sagt er. Nur einen ­Monat hätten die Baubienen gebraucht, um etwa 35 Zentimeter Wachswaben hinzuzufügen. Nun ist dort bereits der Nachwuchs untergebracht, den zahlreiche Ammenbienen mit ihren Rüsseln füttern.

Als der Imker und seine Besucher danach mit einer langen Schilfstange, einem Bastkorb und einem Smoker wieder zum Pflaumenbaum kommen, sitzt dort keine einzige Biene mehr. Der Schwarm ist ausgebüxst. „Die Besucher haben ihm vielleicht Angst eingejagt, heute Abend werde ich ihn sicher finden und in einen der neuen sechseckigen Bienenstöcke integrieren", sagt Lladó.