Wenn Catalina Torres in Fahrt kommt, könnte man fast meinen, es mit einer Klimaaktivistin zu tun zu haben. Sie mahnt eine Abkehr vom Massentourismus an, fordert mehr Vielfalt in Mallorcas Wirtschaftssystem und drängt die Politik zu konsequentem und schnellstmöglichem Handeln. Wer aufmerksam zuhört, merkt schnell: Ihre Argumente sind ebenso alarmierend wie stichhaltig und wissenschaftlich untermauert.

Torres ist Wirtschaftsprofessorin an der Balearen-Uni. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Pau de Vílchez und dem interdisziplinären Team „Laboratorio Interdisciplinario sobre Cambio Climático“ (LINCC) hat sie die Folgen des Klimawandels für die Balearen wissenschaftlich analysiert. Jetzt haben die Forscher eine Liste mit Empfehlungen für die Politik erarbeitet: 69 Maßnahmen, wie die Inseln mit dem Klimawandel umgehen sollten – unabhängig davon, wie enttäuschend die Ergebnisse der gerade zu Ende gegangenen UN-Klimakonferenz in Glasgow ausgefallen sind.

Die Situation: beunruhigend

„Zwischen 1990 bis 2008 haben die Schadstoffemissionen auf den Balearen um 70 Prozent zugenommen, deutlich mehr als im spanischen Durchschnitt (50 Prozent)“, ist in dem Bericht „Regional Environmental Change“ zu lesen, den die mallorquinischen Forscher 2019 veröffentlichten und nun aktualisiert haben. Hauptklimasünder sei die Tourismusbranche, heißt es weiter. 80 Prozent der Treibhausgase der Balearen entstünden durch Energiegewinnung und Transportwesen – Bereiche, die mit dem Massentourismus eng verknüpft seien. „Der Tourismus in seiner heutigen Form fördert den Klimawandel. Gleichzeitig ist er selbst durch die Auswirkungen des Klimawandels extrem gefährdet“, sagt Torres. Denn wenn es mit den Emissionen weitergehe wie bisher, drohe den Balearen in den kommenden Jahrzehnten ein gewaltiger Umbruch.

Bis Ende des 21. Jahrhunderts, so die Prognosen, wird die Durchschnittstemperatur auf den Inseln zwischen zwei und vier Grad steigen. Immer längere Hitzewellen seien wahrscheinlich. Gleichzeitig wird es zehn bis 20 Prozent weniger Regen geben, die Häufigkeit intensiver Platzregen dagegen aber zunehmen. Zu erwarten ist zudem ein Anstieg des Meeresspiegels um 40 bis 70 Zentimeter. „Die Folgen sind vielschichtig und betreffen nahezu alle Lebensbereiche“, so Catalina Torres.

Da sei die Flora und Fauna auf Mallorca. „Durch den Temperaturanstieg und die Trockenheit wird es mehr Plagen geben, die die heimische Tier- und Pflanzenwelt angreifen“, heißt es. Vor allem die inseltypischen Steineichen dürften darunter zu leiden haben, ebenso wie beispielsweise die Bienenpopulationen und Organismen in den Feuchtgebieten der Insel. Auch die Fruchtbarkeit des landwirtschaftlich genutzten Bodens dürfte abnehmen. „Nicht zu vergessen die erhöhte Waldbrandgefahr“, so Torres.

Im Meer ist durch höhere Temperaturen das Neptungras (posidonia) bedroht, das wiederum wichtig für den Küstenschutz und das Ökosystem im Wasser ist. Mit dem Anstieg des Meeresspiegels werden Häfen überflutet, Strände und Dünen schrumpfen. Auch die Trinkwasserqualität dürfte unter den klimatischen Veränderungen leiden, die zunehmend nötige Entsalzung des Meerwassers wiederum die Energiekosten in die Höhe treiben.

Auch das Baugewerbe ist betroffen: Durch die höheren Temperaturen und die Schadstoffe in der Luft seien viele grundlegende Baumaterialien wie Beton und Holz anfälliger für den Verfall. Die Hitzewellen senkten darüber hinaus die Produktivität der Arbeitsleistungen vieler Menschen – und schreckten möglicherweise letztendlich auswärtige Urlauber ab. „Es steht zu erwarten, dass die Hitzeperioden die touristische Attraktivität der Balearen negativ beeinträchtigen werden“, heißt es in dem Bericht. Im Sommer könnte es vielen Reisenden schlichtweg zu heiß werden.

Auch gesundheitliche Folgen für den Menschen seien wahrscheinlich: Neben einer höheren Zahl von Hitzetoten dürften sich Krankheiten wie Dengue- und Chikungunyafieber und Allergien häufen.

Die Empfehlungen: stringent

„Grenzenlos zu konsumieren und unaufhaltsam zu wachsen ist auf unserem Planeten einfach nicht möglich, ohne dass es Konsequenzen hat. Und die werden wir hier auf den Inseln besonders spüren“, mahnt Torres. 38 Maßnahmen hat das interdisziplinäre Team der UIB erarbeitet, um den Klimawandel abzumildern, 31 weitere, um sich bestmöglich an das Unveränderliche anzupassen (siehe unten). Es sind Empfehlungen für Mallorcas Politiker, die sich auch auf andere Inseln im Mittelmeer übertragen ließen.

„Die Hauptaussage ist klar: Ob es uns gefällt oder nicht, der Tourismussektor muss auf den Balearen an Gewicht verlieren.“ Dringend empfehlen die Wissenschaftler, das Wirtschaftsmodell auszuweiten. „Aber nicht einfach irgendwie, sondern gezielt mit Blick auf Wirtschaftszweige, die einen geringen ökologischen Fußabdruck haben“, betont Torres. Es sei wichtig, dass sich die gesamten Spielregeln im Wirtschaftssystem änderten und perspektivischer gedacht werde, damit einzelne Maßnahmen auch wirklich Verbesserungen mit sich brächten. „Bei der Energiewende ist es beispielsweise wichtig, auch die landschaftlichen Gegebenheiten der Insel miteinzubeziehen. Man kann nicht überall im ländlichen Raum Anlagen zur Erzeugung regenerativer Energien aufstellen. Denn das hat dann womöglich wieder andere negative Auswirkungen auf die Umwelt.“

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Und auch nicht jede Alternative zum Tourismus sei wünschenswert. „Wir empfehlen, emissionsarme, aber wichtige Bereiche wie Bildung, Altenpflege, Landwirtschaft und das Kunsthandwerksgewerbe auszubauen.“ Der Tourismussektor sollte stärker auf Naherholung setzen, auf nachhaltige und weniger hochtrabende Konzepte, so die Wissenschaftler. „Je früher das geschieht und auch in anderen Bereichen angesetzt wird, desto mehr kann man den Klimawandel ausbremsen“, so Torres.

Alle 69 Maßnahmen finden Sie hier.