Hier und da hat es ein bisschen geregnet. Die Zeit, in der wochenlang tagein, tagaus blauer Himmel und Sonnenschein dominierten, ist für dieses Jahr vorbei. „Die Saison der Instabilität hat begonnen“, sagt Joan Pol, Leiter der balearischen Notfallzentrale. Das Ende des Sommers bringt in der Regel Unwetter mit sich – und in Sant Llorenç, wo die Flutkatastrophe im Oktober vor vier Jahren 13 Menschenleben forderte, sieht man den kommenden Wochen angespannt entgegen. Und tatsächlich könnte es in diesem Jahr zu ungewöhnlich starken Regenfällen kommen.

„Wenn der Sommer zu Ende geht, treffen drei Faktoren aufeinander, die starke Regenfälle begünstigen“, erklärt Miquel Grimalt, Geograf an der Balearen-Universität. Er analysiert die Risiken der Überschwemmungen seit Jahrzehnten. Da sei zum einen eine sehr feuchte Luftmasse über dem aufgeheizten Mittelmeer, zum anderen die Möglichkeit plötzlich auftretender Kaltluftströme, die mit der warmen Luft aufeinandertreffen können. Auch spielten örtliche Begebenheiten eine Rolle, die die Luftströme weiter in Bewegung brächten, so etwa Berge oder Meeresbrisen, die die explosive Mischung ins Inselinnere leiteten. Besonders gefährdet sind auf Mallorca laut balearischer Landesregierung die Gegenden um Manacor, Son Servera und eben Sant Llorenç.

Aufklärung und Prävention

„Die Monate mit dem größten Überschwemmungsrisiko sind September, Oktober und November“, so Grimalt. Schon häufiger seien in dieser Zeit an einigen Orten 200 Liter Regen pro Quadratmeter an nur einem Tag gemessen worden. Doch wie kann trotz allem eine Tragödie wie die der Flutkatastrophe von 2018 verhindert werden? „Es bedarf vor allem der Aufklärung“, so Grimalt. Sowohl Anwohner als auch Inselbesucher müssten im Vorhinein über die Risiken in den besonders gefährdeten Gebieten informiert werden – und auch darüber, wie man sich im Notfall verhalten sollte. Mit Fahrzeugen zu versuchen, überflutete Straßen und überlaufende Sturzbäche zu überqueren, sollte genauso vermieden werden wie unnötige Fahrten während eines Unwetters, so der Geograf. Auch sollte die öffentliche Verwaltung prüfen, die Zufahrt zu besonders gefährdeten Gebieten in den Risikomonaten vorsorglich ganz zu sperren oder die dortigen Aktivitäten stark zu regulieren.

Und auch bei der Infrastruktur dürften die Behörden nicht zögern. „Wenn festgestellt wird, dass eine Brücke nicht ausreichend ist, dass ein Gebäude den Abfluss der Wassermassen gefährden könnte oder dass ein Sturzbach schlecht geführt ist, dann sollten Konsequenzen gezogen werden“, so Grimalt. Sprich: Umbauen, abreißen oder neu errichten, bis sie die verheerenden Auswirkungen von Starkregen nicht weiter begünstigen. „Erst wenn dies alles beachtet wird, können auch die meteorologischen Warnungen ihren Zweck erfüllen.“

Pläne in Sant Llorenç

Früher, so Grimalt, habe durchaus ein Risikobewusstsein auf Mallorca geherrscht. Dieses habe sich jedoch verflüchtigt. „Die Flutkatastrophe von 2018 hat die Gesellschaft aber wieder sensibilisiert, auch die Investitionen in die Risikovorbeugung wurden erhöht.“ Besonders natürlich in und um Sant Llorenç. Angesichts des ungewöhnlich warmen Meerwassers und des daher erhöhten Starkregenrisikos im Herbst erarbeitet das Rathaus derzeit einen Notfallplan, der mit Rettungskräften abgesprochen werden und bis Mitte September im Detail vorliegen soll.

Wichtigste Maßnahme: Die Installation einer Sirene am Kulturzentrum Espai 36 im Ort. Sie soll drei Kilometer weit zu hören sein und nur im allergrößten Notfall aktiviert werden. Dann nämlich, wenn die Warnstufe Rot bereits erschöpft ist und es bereits zu einem Point-of-no-Return gekommen ist. So soll jeder im Umkreis vom Ernst der Lage in Kenntnis gesetzt werden. Wie genau die Bevölkerung in diesem Fall agieren soll, das wolle man den Anwohnern in den kommenden Wochen nahebringen – durch Aufklärung in der Schule und Info-Faltblätter, die an die Haushalte verteilt werden.

Nicht nur in Sant Llorenç ist man sich des bevorstehenden Risiko-Herbstes bewusst. Auch die balearische Landesregierung hat ihren Notfallplan für Überschwemmungsrisiken (kurz: Inunbal) überarbeitet. Seit dem 15. August gilt eine Vorwarn-Phase, die es bislang nicht gibt. Bis Ende November stehen mehr Rettungskräfte als gewöhnlich unabhängig von der aktuellen Wetterlage präventiv in Bereitschaft. „Wir sind auf die meteorologischen Phänomene vorbereitet“, meint selbstbewusst die zuständige Ministerin für öffentliche Verwaltung, Mercedes Garrido. Man sei in der Lage, früh in das Geschehen einzugreifen und die Bevölkerung im Notfall schnellstmöglich zu warnen.

Warnung per Handy-Nachricht

Dafür setzt die Balearen-Regierung ab sofort auch auf ein Alarmsystem per SMS. Im Falle einer Überschwemmung sollen sämtliche Mobiltelefone, die sich im Risikogebiet aufhalten, automatisch eine SMS in der jeweiligen Sprache erhalten, in der das Handy registriert ist. Darin sollen die Nutzer über den Notfall in Kenntnis gesetzt werden und knappe Verhaltenstipps erhalten.

Entgegen regelmäßigen Beschwerden von Anwohnern in den sozialen Netzwerken, die sich über Müll in den derzeit noch trockenen Kanälen der Sturzbäche ärgern, sei man auch in dieser Hinsicht nicht im Hintertreffen, betont Garrido. Kontinuierlich werde der Zustand der Flussbetten überwacht, „täglich“ fänden Reinigungsarbeiten statt. Und auch was die frühzeitige Vorhersage von Starkregen anginge, sei man besser gewappnet als noch 2018: Laut Garrido wurde die Zusammenarbeit und Kommunikation mit dem staatlichen Wetterdienst Aemet verstärkt. Außerdem verfüge die Landesregierung mittlerweile über ein eigenes Warnsystem, Meteoclim, das sturzbachartige Niederschläge möglichst früh erkennen soll.