Wenn Maxi Lange träumt, dann sind da drei starke Männer, die mit forschen Schritt an die Arbeit gehen. Ähnlich wie im Filmklassiker „Ghostbusters“, nur dass die drei Helden statt mit Protonbeam oder Bosonenpfeil mit Fangstab und Transportkäfig zugange sind. Denn sie fangen keine Geister, sondern Straßenkatzen in Mallorcas Gemeinden, damit diese kastriert werden und anschließend in Katzenkolonien artgerecht leben können, ohne sich unkontrolliert zu vermehren.

So ist das eben als Tierschützer auf Mallorca – trotz allen Engagements ist die Arbeit nie ausreichend, und die Koordinatorin der Tierschutzdachorganisation Baldea hat eine Wunschliste parat, die fast ebenso lang ist wie die umfangreiche Liste der Erfolge, die seit Gründung des Vereins im Jahr 2005 erreicht worden sind. Und nichts geht ohne die freiwilligen Helfer, Mallorquiner wie Ausländer, die überall mit anpacken. Ihnen allen gilt deswegen die Auszeichnung der Mallorca Zeitung, wie Maxi Lange und Baldea-Schatzmeisterin Petra Steiner nicht müde werden zu betonen – den Preis für das Engagement im Tierschutz auf Mallorca nehmen sie stellvertretend entgegen.

Auch ohne Ghostbuster konnten an diesem Donnerstag zehn Straßenkatzen eingefangen und zum Kastrationsmobil gebracht werden, das am kommunalen Tierheim von Calvià Station macht. Tierärztin Ana Frau nimmt den Eingriff gerade bei einem halbjährigen Kater vor – ein paar routinierte Schnitte, und es ist passiert. Fehlt nur noch die Markierung im Ohr. Draußen macht sich Petra Steiner derweil Sorgen, wie das in die Jahre gekommene Fahrzeug durch den TÜV kommt: Auf rund 8.000 Euro belaufen sich die eingeforderten Reparaturen, das Finanzpolster wird wieder mal aufgebraucht.

So funktioniert das Kastrationsmodell

Das Kastrationsmobil, das ist ein ausrangierter, von der Landesregierung zur Verfügung gestellter Krankenwagen, den die Tierarztkammer nach zähem Ringen als mobilen OP-Raum genehmigt hat. Seit inzwischen knapp zehn Jahren ist das Gefährt auf der Insel unterwegs, in den Gemeinden, in denen Finanzierungsabkommen mit den Rathäusern bestehen, in denen sich Anwohner um die Katzenkolonien kümmern und freiwillige Helfer die Tiere einfangen. Rund 1.500 Operationen sind der Jahresschnitt.

Das Kastrationsmobil ist nur eine von vielen Baldea-Initiativen. Es zeigt beispielhaft, auf wie vielen Säulen funktionierender Tierschutz auf Mallorca basiert und wie die Statik dieses Konstrukts beständig neu austariert werden muss. Eine Säule sind die Tierschützer selbst, die sich ehrenamtlich in Vereinen, in ihrer Freizeit, bei Tag und Nacht engagieren. Die politischen Institutionen und die Behörden sind eine weitere wichtige Säule. Auch die Tierärzte müssen eingebunden werden. Und das Fundament des Gebäudes, das ist die Inselbevölkerung mit ihrem Bewusstsein für Tierschutz.

Ins Rutschen käme aber alles ohne Baldea – in der Dachorganisation hat sich der Tierschutz Mallorcas erstmals professionalisiert. Lobbyarbeit, Aufklärung, Kastrationskampagnen, Anzeigen gegen mutmaßliche Tierquäler – das sind Aufgaben, die sich schlecht in der Freizeit erledigen lassen. „Die ehrenamtlichen Tierschützer können sich nicht auch noch mit den Politikern zusammensetzen“, erklärt Steiner – ein beständiges und oftmals zermürbendes Ringen mit Beamten und wechselnden Volksvertretern in Rathäusern, im Inselrat, in der Landesregierung. Nur dank einer ausländischen Mäzenin, die nicht namentlich in Erscheinung tritt, kann die Vollzeitstelle von Maxi Lange finanziert werden. Ihre Erfahrung in dem Job merkt man auch an der Art, wie die 63-Jährige genau überlegt, wen sie öffentlich kritisiert oder in die Pflicht nimmt und wem sie lieber diskret auf die Füße steigt, um laufende Kooperationen nicht zu gefährden.

Die Preisträgerinnen im Portrait

Lange ist in Bremen geboren, aber auf Mallorca aufgewachsen. „Meine Mutter hatte in Deutschland einen kleinen Zoo, in dem sie immer alle kranken Tiere aufgenommen hat.“ Die Lektion hieß Tierliebe und Verantwortung gleichermaßen. Auf der Insel studierte die Deutsche Biologie an der Balearen-Uni, begeisterte sich eigentlich für Verhaltensforschung, arbeitete dann aber zunächst im kommunalen Umweltamt von Palma und stieß erste Initiativen für Mülltrennung und Recycling an. „Das Rathaus hatte dann noch für Jahre Graupapier, das ich eingekauft hatte“, meint Lange.

Aktiv für den Tierschutz engagierte sie sich ab Mitte der 90er-Jahre, nachdem sie die vollgepferchten Zwinger des Auffanglagers in Calvià zu Gesicht bekommen hatte. Es war die Zeit, als noch überall auf der Insel herrenlose Haustiere eingeschläfert wurden, wenn die Fristen abliefen. Damals wurde auch SOS Animal gegründet, der Verein hat seinen Sitz direkt neben dem kommunalen Auffanglager Calvià.

Petra Steiner, ebenfalls studierte Biologin, hatte sich in Düsseldorf bei den Grünen engagiert, vor allem aber im Umweltschutz. Auf Mallorca rettete sie Katzenbabys aus dem Müll und erlebte als Wanderführerin, was auf der Insel im Tierschutz im Argen lag, von Schafen mit zusammengebundenen Beinen über abgemagerte Esel bis hin zu angeketteten Hunden. Als sie 2007 eine Tierschutzpetition auf den Weg brachte und dafür Weggefährten brauchte, landete sie bei Baldea. Neben Tieren hilft die 60-Jährige auch Menschen in Not, beim Lions Club in Palma – beides liege oft eng beieinander.

Die Leistungsbilanz

In den vergangenen Jahren hat Baldea zusammen mit den Helfern so viel erreicht, dass eine vollständige Liste kein leichtes Unterfangen ist. Da wäre die Initiative für Hundeparks im Stadtgebiet Palma oder die Einrichtung des ersten Hundestrands in Es Carnatge. Da wäre eine Hilfe von fast 250.000 Euro vom Inselrat für die Kastration von Straßenkatzen in den Gemeinden. Da wären Besuche in Schulen – „Mehr Sozialkompetenz durch Haustiere“ – oder Weiterbildungen für Polizisten, damit diese Anzeichen von Tiermisshandlung schnell erkennen. Da wären Benefiz-Veranstaltungen wie Partys oder Golfturniere. Oder da wäre die Erlaubnis, mit Haustieren in Palmas Stadtbusse einzusteigen – was als Ausnahmeregelung und spanienweite Pionierleistung begann, ist inzwischen fast schon Standard.

Vor allem aber: Die Einschläferung von Tieren in Auffanglagern ist inzwischen die große Ausnahme, dank der Lobby und dank eines Netzwerks, das beständig Pflegeplätze sucht – möglichst nicht nur für die niedlichen oder umgänglichen Tiere. Und so kümmert sich auch Steiner zu Hause um einen ausgemusterten Jagdhund und zwei abgegebene Ca de Bestiar. Bei Lange sind wieder mal gerade Pflegekatzen untergebracht, auf Zeit, wie sie betont: „Wenn man Tierschutz betreibt, muss man lernen loszulassen.“

Baldea braucht ständig Unterstützung, um die laufenden Projekte wie den Betrieb des Kastrationsmobils fortzuführen. Spenden können Sie hier: www.baldea.org/?page_id=263

Maxi Lange und Petra Steiner - Preisträgerinnen der Mallorca Zeitung 2022

Maxi Lange und Petra Steiner - Preisträgerinnen der Mallorca Zeitung 2022 Javier Fernández / La Siesta