Wie die Fotovoltaik auf Mallorca zulegt und welche neuen Probleme jetzt drohen

Solaranlagen boomen wie nie. Kritik üben jetzt allerdings nicht nur die Landschaftsschützer

Wettbewerb um flache und große Grundstücke: Landwirte ziehen laut dem Verband Apaema gegenüber Solarparkprojekten immer häufiger den Kürzeren.  | FOTO: GOB

Wettbewerb um flache und große Grundstücke: Landwirte ziehen laut dem Verband Apaema gegenüber Solarparkprojekten immer häufiger den Kürzeren. | FOTO: GOB / Frank Feldmeier

Frank Feldmeier

Frank Feldmeier

Es war ein häufiger Kommentar von Mallorca-Besuchern: Warum man denn auf den Dächern so wenig Fotovoltaikanlagen sehe, angesichts der vielen Sonnentage auf der Insel? Inzwischen haben die Anlagen zur Selbstversorgung keinen Seltenheitswert mehr: Ihre Zahl stieg 2022 stärker als in all den Jahren zuvor zusammen, sie hat sich innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt und balearenweit die Marke von 10.000 durchbrochen. Ähnlich die installierte Leistung, der Wert ist auf einen Wert von 90,7 Megawatt geklettert.

Von einer „Demokratisierung der Energie“ sprach Juan Pedro Yllanes, balearischer Vizepräsident und Energieminister, bei der Vorstellung der Bilanz des vergangenen Jahres am Dienstag (31.1.). Es ist eine gewaltige Aufholjagd im Gange: Die Anlagen zur Selbstversorgung machen nun fast ein Drittel der installierten Solarenergie auf den Balearen aus, die Gesamtleistung beträgt 311,2 Megawatt. Insbesondere die Zahl der Privathaushalte legte im Vergleich zu den Unternehmen bei der Installation von Anlagen zur Selbstversorgung zu.

Pessimismus statt Euphorie

Praktisch zeitgleich zogen allerdings auch Mallorcas Umweltschützer und Ökolandwirte Bilanz. Statt Euphorie prägt Pessimismus ihre gemeinsame Mitteilung. Angesichts einer „Lawine“ von Anträgen für neue Solarparks auf dem Land sei man inzwischen „am Limit“. Derzeit zähle man mehr als 60 Anträge, allein die zwei größten Projekte sollen demnach eine Fläche von rund 3,5 Quadratkilometern Forst- und Ackerfläche einnehmen. Eine Reihe von Landwirten könne wegen der neuen Projekte Flächen nicht mehr bewirtschaften. Die notwendige Energiewende dürfe nicht „um jeden Preis“ durchgezogen werden.

Solarparks auf der grünen Wiese hatten auf Mallorca schon immer einen schweren Stand. Aus Landschaftsschutzgründen scheiterte bereits eine Reihe von Projekten, trotz Sichtschutz und Umweltauflagen, trotz der bislang immensen Abhängigkeit der Insel von fossilen Energieträgern. Wichtigstes Argument der Kritiker ist jetzt jedoch nicht der Landschaftsschutz, sondern die Lebensmittelversorgung. Angesichts einer Abhängigkeit von Importen von 85 bis 95 Prozent je nach Saison habe die Eigenversorgung durch die Landwirtschaft auf der Insel eine ebenso große Bedeutung wie die Energiewende, argumentiert Onofre Fullana vom Verband der Ökolandwirte Apaema gegenüber der MZ.

Wetteifern um beste Standorte

Natürlich gebe es auf der Insel viel brachliegendes Ackerland. Das Problem aber sei, dass Landwirte und Energieinvestoren um die besten Standorte wetteiferten – große Fincas, flache sowie zumeist fruchtbare Böden –, und die Bauern in diesem Wettstreit den Kürzeren zögen. Fincabesitzer verpachteten angesichts lohnender, auf Jahrzehnte gesicherter Zahlungen lieber an Solarparkinvestoren. „Praktisch jede Woche haben wir einen Bauern, der von seinem Grund vertrieben wird“, so Fullana. Als aktuelles Beispiel nennt er den Fall eines Ökolandwirts, dem eine 70 Hektar große Finca in der Gemeinde Santanyí verloren gehe. Ersatz für eine solche Anbaufläche sei nicht nur schwierig zu finden, es brauche darüber hinaus drei Jahre für die Umstellung auf die ökologische Landwirtschaft.

Probleme in Gewerbegebieten

Die Forderungen von Umweltschützern, Solarparks und Fotovoltaikanlagen stattdessen vor allem in Gewerbegebieten und am Stadtrand zu installieren, stößt in der Praxis auf eine Reihe von Problemen. So beklagt Minister Yllanes, dass der Inselrat die Kriterien für Anlagen in geschlossenen Ortskernen derzeit sogar verschärfe. Anforderungen an die Gestaltung und Ästhetik der Anlagen seien gerade in Gewerbegebieten fehl am Platz, kritisiert der Podemos-Politiker. Solcherlei Auflagen wirkten abschreckend, dabei sollten gerade polígonos bevorzugte Standorte sein.

Fotovoltaik und Landwirtschaft kombinieren?

Und warum nicht die Fotovoltaikanlagen und Landwirtschaft kombinieren? Weltweit laufen derzeit Pilotprojekte, bei denen die Solarzellen in einer solchen Höhe installiert werden, dass darunter Obst und Gemüse angebaut werden sowie Traktoren verkehren können – sogar Schatten gibt es kostenlos. „Dass das funktioniert, möchte ich erst mit eigenen Augen sehen“, so Fullana. Die Ideen seien noch nicht reif für die Umsetzung, Sorgen bereite insbesondere die Wasserversorgung, zumal in Zeiten abnehmender Niederschläge.

Von der Politik fordern die Umweltschützer nun ein Moratorium für große Solarparks. Zudem müsse bei der Ausweisung geeigneter Gebiete nicht nur die Energierendite, sondern auch das bestehende landwirtschaftliche Potenzial berücksichtigt werden, so Fullana. Da man mit diesen Forderungen bislang kein Gehör finde, bleibe nichts anderes, als den Protest gegen die Energiepolitik auszuweiten.