Entrevista | Pau de Vílchez Initiator der Bürgerinitiative "Assemblea Ciutadana pel Clima"

"Zahl der Urlauber auf den Inseln beschränken": Drastische Vorschläge für den Klimaschutz auf Mallorca

Die Assemblea Ciutadana pel Clima hat 56 Ideen erarbeitet, um den Klimawandel zu begrenzen. Ein Gespräch mit dem Initiator

„Eine große Mehrheit will das Klima schützen“: Pau de Vïlchez.

„Eine große Mehrheit will das Klima schützen“: Pau de Vïlchez. / GUILLEM BOSCH

Johannes Krayer

Johannes Krayer

Klimaschutz ist auf Mallorca jetzt auch offiziell Bürgersache: Die Initiative Assemblea Ciutadana pel Clima, die sich aus insgesamt 60 Bewohnerinnen und Bewohnern der Insel zusammensetzt, hat 56 Vorschläge für mehr Klimaschutz ausgearbeitet und dabei auch drastische Forderungen formuliert: etwa eine Obergrenze der Urlauber für Mallorca oder eine Zugangsbeschränkung zu Stränden. Pau de Vílchez ist einer der Initiatoren der Assemblea Ciutadana pel Clima. Darüber hinaus sitzt er im Expertengremium für die Energiewende der Balearen-Regierung und ist Professor an der Balearen-Universität UIB. Bei der Auswahl der Mitglieder der Assemblea war auf einen möglichst breiten Querschnitt aus der Bevölkerung geachtet worden.

In welchem Bereich muss am dringendsten in Sachen Klimaschutz gehandelt werden?

Im Transportwesen. 40 Prozent der Emissionen auf den Balearen entstehen durch den Verkehr. Auf diesem Gebiet wurden viele Vorschläge erarbeitet. Der wichtigste ist wohl, die Zahl der Besucher auf den Inseln zu begrenzen, sei es auf dem Luft- oder dem Seeweg. Damit sparen wir doppelt Emissionen ein: die, die bei der An- und Abreise verursacht werden und die, die von den Urlaubern während ihres Aufenthalts verursacht werden.

Sie wollen die Zahl der Urlauber drastisch begrenzen. Dafür dürfte die Tourismus-Lobby auf der Insel zu stark sein.

Wir müssen trotzdem andere Wirtschaftsfelder erschließen. Zudem glaube ich, dass die Urlauber nicht gerade glücklich darüber sind, wenn sie drei Stunden im Stau stehen, um ein Foto vom Cap Formentor zu machen und sich dann durch dasselbe Chaos wieder zurückkämpfen müssen. Außerdem müssen wir eines endlich verstehen: Mit dem Klimawandel ändert sich alles. Es wird unerträglich heiß, der steigende Meeresspiegel verschlingt die Strände, es gibt riesige Waldbrände. Uns angesichts dieser Perspektive nicht nach einer Alternative für das Wirtschaftsmodell umzuschauen, ist ein großer Fehler. Hinzu kommt, dass der Tourismus auch noch einer der Hauptverursacher des Klimawandels ist.

Die Zahl der Hotelbetten soll bis 2030 um 40 Prozent reduziert werden. Auch das klingt nicht realistisch.

Es mag radikal erscheinen, aber die Wissenschaftler sehen das ganz klar. Wenn wir bis 2030 unsere Emissionen nicht halbieren, werden wir das 1,5-Grad-Ziel nicht einhalten. Und wenn das passiert, dann werden wir anfangen, die Kipp-Punkte zu reißen, von denen aus es kaum noch ein Zurück gibt. Die Reduzierung der Gästebetten bezieht sich im Übrigen auch auf die Ferienvermietung.

Zugangsbeschränkungen an den Stränden?

Auch die geforderte Zugangsbeschränkung für Strände hat für Aufsehen gesorgt. Wie begründen Sie diese Forderung?

Ich glaube, es ist offensichtlich, dass es ein Problem mit überfüllten Stränden gibt, wenn Leute drei, vier Stunden Schlange stehen, um an einen Strand zu kommen (de Vílchez spielt auf die Caló d’es Moro an, die vor allem wegen der Instagram-Motive aufgesucht wird, Anm. d. Red.). Wir wollen eine Höchstanzahl an Besuchern, damit man den Strand genießen kann. Innerhalb dieser Zahl ist ein Prozentsatz für Residenten reserviert. Ich glaube, dass die Urlauber verstehen, dass der Schutz dieser herrlichen Orte auch ihnen zugute kommt.

Balearen-Regierung und Inselrat haben sich dazu verpflichtet, sich alle Vorschläge zu eigen zu machen, die in der Versammlung eine über 90-prozentige Zustimmung erhielten. Wie kamen die Vorschläge zustande?

Sie haben alle eine wissenschaftliche Basis. Die Mitglieder der Assemblea haben sich fünf Mal innerhalb von drei Monaten an verschiedenen Orten auf Mallorca getroffen und anhand von wissenschaftlichen Studien und Veröffentlichungen Vorschläge für die Probleme erarbeitet, die wir ihnen aufgezeigt haben.

Alle Vorschläge haben eine Zustimmung zwischen 60 und 100 Prozent erhalten. Worauf führen Sie diese hohen Werte zurück?

Ich finde das fantastisch. Die meisten Vorschläge haben deutlich mehr als 70 Prozent Zustimmung bekommen. Welche Partei hat solche Werte? Dass Leute aus derart unterschiedlichen Umfeldern, auch was die Ideologie betrifft, sich so einig sind, hat mich sehr erstaunt. Wir haben gesehen: Wenn man den Menschen die nötigen Informationen an die Hand gibt, dass es sich um einen Notstand handelt, finden sie die richtigen Antworten und einigen sich. Und die Balearen-Regierung und Inselrat haben zugesichert, sich auch alle Vorschläge mit mindestens 50 Prozent Zustimmung anzuschauen und dann schriftlich zu begründen, welche sie nicht umsetzen wollen und warum.

Erstes Treffen mit der Ministerpräsidentin

Wie sieht das Feedback der Politik aus? Sie kommen gerade von einem Treffen mit Ministerpräsidentin Francina Armengol und zwei Landesministern.

Das war das erste Treffen mit der Balearen-Regierung seit der Veröffentlichung der Vorschläge. Die Politiker haben die Ergebnisse der Assemblea positiv überrascht aufgenommen. Ende April will sich Francina Armengol mit allen Mitgliedern treffen, um Vorschlag für Vorschlag durchzugehen, die Meinung der Landesregierung dazu zu geben sowie einen ersten Fahrplan zu erstellen. Das finde ich äußerst positiv. Und noch etwas: Mehr als die reinen Ergebnisse der Assemblea war noch wichtiger, was diese Plattform mit den Menschen gemacht hat. Sie hat sie verwandelt. Und das in einem Moment des zunehmenden Individualismus, der Abwendung von Politik. Die Mitglieder überlegen nun sogar, eine Vereinigung zu gründen, um weiterzuverfolgen, wie die Vorschläge umgesetzt werden. Das ist für mich beinahe wichtiger als die Vorschläge an sich. Denn die Arbeit der Assemblea ist im Grunde jetzt abgeschlossen.

Haben Sie auch mit der Opposition gesprochen? Denn es könnte ja im Mai auch zu einem Regierungswechsel kommen.

Wir haben uns bereits vor der Gründung der Assemblea mit allen im Parlament vertretenen Parteien getroffen. Danach haben wir ein weiteres Treffen gehabt, als die Plattform bereits im Gange war. Und nun soll es ein weiteres Treffen mit den Ergebnissen geben.

Wie haben die konservativen Parteien die Initiative aufgenommen?

Vox ist nicht erschienen, die PP und Ciudadanos haben uns zugehört, wirkten aber eher abwartend. Jetzt sind wir gespannt, wie die Parteien das nächste Treffen angehen. Wir hoffen, dass sie positiv bewerten, dass die Vorschläge aus der Mitte der Gesellschaft kommen, ohne politische, gewerkschaftliche, unternehmerische oder sonstige Repräsentation. Und dass sie sich die Vorschläge anhören.

Die Bürgerversammlung sollte ein Querschnitt der Gesellschaft sein, aber es liegt nahe anzunehmen, dass die Bewerber vor allem Menschen waren, die für das Thema ohnehin zugänglich sind.

Klar, es sind alles Leute, die sich für das Thema interessieren. Aber es kamen am ersten Tag auch Menschen, die sehr skeptisch waren und sich das erst einmal angeschaut haben. Wir haben gesehen, dass es beim Thema Klimawandel nicht die starke Spaltung im Land wie in der Politik zwischen links und rechts gibt. Eine große Mehrheit will das Klima schützen.

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