Der MZ-Bericht über eine fehlerhafte Stromrechnung des Anbieters Endesa hat im September so hohe Wellen geschlagen, dass sich noch Wochen später Leser hilfesuchend an die MZ wenden. In den meisten Fällen sind überteuerte Abschläge das Problem. Nun berichtet Lisa W. aus Palmas Stadtviertel Gènova von einem anderen Fall. „Ich wurde dafür bestraft, dass ich von Endesa zu Iberdrola gewechselt bin“, vermutet die Residentin. Sie soll dabei den Stromzähler manipuliert haben und dafür 1.816 Euro Strafe zahlen. Es handelt sich offenbar nicht um einen Einzelfall. Schon 2018 warnte der spanische Verbraucherschutz vor der Masche.

Die Deutsche wohnt in einem Einfamilienhaus. „Seitdem meine Kinder aus dem Haus sind, lebe ich stromsparend.“ Im Juni 2021 entschloss sie sich, den Strom- und Gasanbieter zu wechseln und bei Iberdrola zu unterschreiben. Neben Naturgy ist das hinter Marktführer Endesa einer der beiden anderen großen Konzerne. Ein Jahr lief alles reibungslos, bis im vergangenen Oktober die außerordentliche Rechnung kam.

Weder Fotos noch Beweise

„Just mit dem Tag, an dem ich zu Iberdrola gewechselt bin, habe die Manipulation begonnen. Ein Inspekteur habe diese nun festgestellt und behoben“, sagt W. „Mir wurden weder Beweise genannt noch Fotos gezeigt. Wer sagt mir denn, dass es nicht der Inspekteur war, der an dem Apparat herumgepfuscht hat?“ Zumal ihr Stromverbrauch nach der angeblichen Behebung der Manipulation identisch mit dem von zuvor war.

Die Deutsche hat den von Iberdrola abgebuchten Betrag auf ihr Konto zurückbuchen lassen. Damit riskiert sie allerdings, dass ihr der Strom abgestellt wird. Bei ihrem Versicherungsvermittler, der den Stromanbieterwechsel organisiert hatte, hat man W. lediglich geraten, sich einen Anwalt zu suchen.

„Bei den Preisen, die die kosten, kann ich auch gleich die Stromrechnung zahlen“, findet W. Sie hat den Sachverhalt bei Iberdrola offiziell reklamiert. „Dennoch bekomme ich regelmäßig Zahlungsaufforderungen, und das Unternehmen droht mit Klage.“ Es besteht die Gefahr, dass sie in die lista de morosos, die spanische Schufa-Liste aufgenommen wird. Ein Anruf bei dem Unternehmen brachte nicht einmal eine Galgenfrist. „Die Mitarbeiterin meinte, dass die Zahlungspflicht nichts mit der Reklamation zu tun hätte.“

Unterstützung vom Ministerium

In ihrer Verzweiflung ging die Residentin zum Verbraucherschutzministerium, das die Deutsche mit offenen Armen empfing. „Dort sagte man mir, dass es sich um Betrug handelt und ich auf keinen Fall bezahlen soll.“

Der spanische Verbraucherschutzverband OCU rät jedoch, die Rechnung zu zahlen, um nicht im Dunkeln zu hocken. „Den Unternehmen ist es gleichgültig, ob man schuldig oder unschuldig ist“, heißt es dort. Der Stromanbieter kalkuliert für das Bußgeld die Stromkosten von sechs Stunden Verbrauch bei voller Stromspannung pro Tag – abzüglich der durch den angeblich manipulierten Zähler bereits abgelesenen und bezahlten Kilowatt.

Auch die Verbraucherschützer plädieren dafür, juristische Maßnahmen zu ergreifen, da die Unternehmen sich mit gutem Zureden selten umstimmen lassen. „Im schlimmsten Fall wird der Prozess zur Kostenfalle. Wer aber ohne Anwalt und Prozessvertreter erscheint – das ist bei einer Streitsumme von weniger als 2.000 Euro möglich, dem können höchstens die Fahrtkosten des Mitarbeiters der Stromfirma berechnet werden“, so OCU.

„Der Fall wird vor dem Gericht landen, da das Verbraucherministerium nicht genügend Zuständigkeiten hat“, sagt Alfonso Rodríguez vom balearischen Verbraucherschutzverband Consubal. Die Masche mit den manipulierten Zählern komme auf Mallorca eher selten vor.

Was die Stromversorger sagen

Die Stromanbieter schieben sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu. Iberdrola verweist darauf, dass Endesa als Stromlieferant zuständig ist. Dort wiederum sieht man Iberdrola in der Pflicht, da die Kundin bei dem Unternehmen unterschrieben hat. Nach mehreren Nachfragen bestätigt ein Endesa-Sprecher, dass Endesa die Inspektionen mit der Tochterfirma E-Distribución durchführt. Die Bewertungen des Unternehmens im Internet sprechen Bände: 111 Google-Bewertungen wurden mit einem von fünf Sternen versehen. Meist mit der Begründung, dass null Sterne leider nicht möglich waren. „E-Distribución sagte mir, dass ich zum Zeitpunkt der Kontrolle nicht erreichbar war“, so W. Sie habe zwar das Protokoll bekommen, aber keine Fotos.

Mittlerweile hat die Deutsche erneut den Stromanbieter gewechselt. Die offene Rechnung will sie nicht bezahlen. „Dann sollen sie mich halt verklagen“, sagt sie entschlossen.