Selbstständig auf Mallorca: So funktioniert die Freiberuflichkeit auf der Insel

Wie wird man eigentlich „autónomo“? Und was gilt es dabei zu beachten? Ein Leitfaden

Nein, dieses Bild entspricht nicht unbedingt der Realität. Aber verlockend ist die Vorstellung dennoch..

Nein, dieses Bild entspricht nicht unbedingt der Realität. Aber verlockend ist die Vorstellung dennoch.. / Grinvalds

Alexandra Wilms

Alexandra Wilms

Kein nerviger Chef, flexible Arbeitszeiten und die Freiheit, ganz allein über Arbeitsvolumen und Fristen bestimmen zu können – gerade Auswanderer entscheiden sich auf Mallorca häufig für die Selbstständigkeit.

Etwa 16 Prozent der arbeitenden Bevölkerung auf Mallorca waren im Juni 2023 als selbstständig gemeldet, das entspricht rund 80.000 Personen. Den größten Anteil bilden Männer im Alter von 40 bis 54 Jahren. Der Anteil der Frauen steigt leicht an, den prozentual größten Zuwachs bilden aber die EU-Ausländer: Die Statistik verzeichnete 6,3 Prozent mehr Selbstständige aus europäischen Ländern als im Vorjahr. Das liegt der Balearen-Regierung zufolge vor allem an den relativ niedrigen Hürden für diese Art der Geschäftsgründung.

Wie fängt man an?

Wer den Schritt zum eigenen Unternehmen wagen will, bekommt auf Mallorca Hilfe von offizieller Seite. Sowohl die mallorquinische Handelskammer (Cambra de Comerç) als auch die Agentur für Jobvermittlung des Rathauses von Palma, Palma Activa, bieten verschiedene Kurse für Gründer an. Sie reichen von „Finde deine Idee“ bis hin zur Erarbeitung des eigenen Geschäftsplanes und werden teils auch online angeboten.

Allerdings sind die klassischen Präsenzkurse meist unterhaltsamer und bieten zudem die Gelegenheit, sich mit anderen Gründern auszutauschen und schon mal das Networken zu üben. Auch für jene, die bereits selbstständig gemeldet sind, gibt es eine ganz Reihe lohnender Angebote etwa zu den Themen Marketing, Digitalisierung oder Buchhaltungstools.

Wo macht man’s offiziell?

Wenn die Geschäftsidee dann gefunden ist und ein erster Entwurf für das zukünftige Unternehmen steht, geht es an die offizielle Anmeldung. Auch da helfen die Handelskammer und Palma Activa schnell und recht unbürokratisch. Beide bieten zentrale Anlaufstellen, die sich um die offizielle Anmeldung der Selbstständigen bei den verschiedenen Behörden kümmern. Nach der Terminvereinbarung erhalten die angehenden Gründer eine Liste von Dokumenten und Informationen, die für die Anmeldung mitgebracht werden müssen.

Dazu gehört neben Ausweis und NIE die Sozialversicherungsnummer, eine Einzugsermächtigung für die entsprechenden Abgaben und die genaue Bezeichnung der Tätigkeit, die man aufnehmen möchte. Die findet sich im Verzeichnis der Steuer für wirtschaftliche Tätigkeiten (Impuesto de Actividades Económicas, kurz IAE) und ist mittlerweile auch um neuere Berufsbilder der digitalen Welt aktualisiert.

Hat man alle nötigen Papiere und Informationen beisammen, nimmt die offizielle Anmeldung bei den sogenannten PAEs (Puntos de Atención al Emprendedor) nicht einmal eine Stunde in Anspruch. Sie umfasst neben der Einschreibung beim Finanzamt auch die Anmeldung bei der Sozialversicherung (Seguridad Social), die dann einen monatlichen Beitrag (cuota de autónomo) einkassiert. Besagter Beitrag deckt Gesundheitsfürsorge, vorübergehende Arbeitsunfähigkeit, Mutterschaftsurlaub, Einzahlung in die Rentenkasse und Arbeitslosenversicherung ab – also all jene Sozialrechte, die auch fest angestellte Arbeitnehmer auf Mallorca haben.

Was gibt es noch für Hilfen?

Um den Sprung in die Selbstständigkeit zu erleichtern, gibt es für Neueinsteiger – also jene, die sich zum ersten Mal als autónomo anmelden, oder deren letzte Tätigkeit auf eigene Kosten mindestens zwei Jahre zurückliegt – Unterstützung in Form einer sogenannten Flatrate: Im ersten Jahr beträgt der Selbstständigenbeitrag derzeit nur rund 80 Euro pro Monat. Wer es auch im zweiten Jahr nicht schafft, Einkünfte über der Grenze des Mindestlohns zu erwirtschaften, kann die Flatrate um ein weiteres Jahr verlängern. Auf den Balearen sollen die Beiträge für die ersten zwei Jahre bald sogar ganz erlassen werden.

Interessante Optionen bestehen auch für jene, die aus der Arbeitslosigkeit in die Selbstständigkeit starten: Wer den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe noch nicht aufgezehrt hat, kann für maximal neun weitere Monate weiterhin Stütze beziehen und sich so mit einem bequemen Polster an die Freiberuflichkeit wagen. Auch eine Abschlagszahlung für den gesamten noch zur Verfügung stehenden Betrag ist möglich und erleichtert solche Geschäftsgründungen, die eine Anfangsinvestition erfordern.

Wie hoch sind die Beiträge?

Nach den ersten zwei Jahren wird es dann deutlich teurer. Seit 2023 basieren die monatlichen Beiträge auf dem Realeinkommen der Selbstständigen. Im vergangenen Jahr mussten diese dafür eine Einkommensprognose erstellen, anhand derer dann berechnet wird, welche der insgesamt 15 verschiedenen Beitragsstufen fällig wird.

Dem Portal infoautonomos.com zufolge ließen aber viele Freiberufler die entsprechenden Fristen verstreichen, was in diesem Jahr zu unangenehmen Überraschungen führen kann. Mitte 2024 wird die Sozialversicherungsbehörde nach der diesjährigen Einkommenssteuerkampagne erstmals automatisch die Beiträge für das vorangegangene Jahr anpassen, und zwar basierend auf den realen Einkünften des Vorjahres. Diejenigen, die im Jahr 2023 zu viel gezahlt haben, dürfen sich über eine entsprechende Rückzahlung freuen – wer aber weniger gezahlt hat, muss den gesamten Betrag nachzahlen.

2024 liegen die neuen und abgestuften Beiträge für Selbstständige zwischen 230 Euro pro Monat (für Selbstständige mit einem monatlichen Einkommen von weniger als 670 Euro) und 542,13 Euro (für Selbstständige mit einem Einkommen von mehr als 6.000 Euro pro Monat). Im kommenden Jahr wird sich die Beitragstabelle erneut ändern. Die Belastung für Selbstständige in den unteren Einkommensgruppen sinkt dann leicht, in den höheren Einkommensgruppen werden pro Monat bis zu 48 Euro mehr fällig.

Wie sieht es mit den Steuern aus?

Beim Ausstellen der ersten Rechnungen kann man schon mal ins Schwitzen kommen. Im Prinzip gilt es, auf den mit dem Kunden vereinbarten Betrag die Mehrwertsteuer (IVA, 21 Prozent) hinzuzurechnen und die Körperschaftssteuer (IRPF, 15 Prozent) abzuziehen. Alle drei Monate wird eine Mehrwertsteuererklärung fällig.

Auch die kann man notfalls allein bewerkstelligen – aber, und auch das eine wichtige Lektion für Selbstständige: Wenn es zu viel Zeit und Nerven kostet, lohnt es sich oft, einen Fachmann zu beauftragen. Die Kosten für einen Steuerberater (gestor fiscal) sind überschaubar, und auch hier gibt es neben den klassischen Beratern vor Ort mittlerweile viele Online-Anbieter, die sich auf Selbstständige spezialisiert haben. Die Experten sorgen nicht nur für ein reibungsloses Verhältnis zum Finanzamt, sondern auch für weniger schlaflose Nächte.

Doch egal, ob man sich für einen persönlichen Ansprechpartner oder eine rein digitale Lösung entscheidet: Die Mehrwertsteuer IVA, die auf fast alle Rechnungen fällig wird, legt man am besten direkt zur Seite, da die entsprechenden Beträge an das Finanzamt weitergezahlt werden müssen.

Ebenfalls wichtig: Wer in Zukunft auch für Kunden in Deutschland oder anderen EU-Ländern arbeitet, muss sich im Registro de Operadores Intracomunitarios (ROI) eintragen lassen, um umsatzsteuerfreie Rechnungen ausstellen zu können. Das kann man selbst machen – oder als sein eigener Chef einfach mal ganz frei in Auftrag geben.

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