Wenn man ein Ranking erstellen würde, in welchem Ort auf Mallorca die meisten Autos mit deutschem Kennzeichen unterwegs sind, Santa Ponça würde wohl mit einigem Abstand gewinnen. Allein in den ersten 20 Minuten der Recherchen in dem Küstenort der Gemeinde Calvià kommen dem Reporter handgezählte 37 Autos mit deutschem Nummernschild unter. Dazu zahlreiche weitere mit umgemeldeter spanischer matrícula, allerdings mit Kennzeichenhaltern, auf denen das Logo oder der Schriftzug eines deutschen Autohauses prangt.

Die Deutschen, aber auch die Österreicher und Schweizer fühlen sich wohl an diesem Flecken. Vor allem die, die ein bisschen mehr Geld in der Tasche haben. Die Besitzerinnen und Besitzer der Porsches, Daimlers und BMWs mit Düsseldorfer, Berliner, Hannoveraner oder Kölner Kennzeichen leben vorrangig auf dem sogenannten „Ensaimada-Hügel“ zwischen dem Strand von Santa Ponça und El Toro. Dort stehen die Villen zu Dutzenden, dort sind die Boulevards teilweise vierspurig ausgebaut und bestens in Schuss. Viele Häuser verstecken sich hinter großen Toreinfahrten und Zäunen, auf der Straße sieht man keine Menschenseele.

Quo vadis, Santa Ponça?

Und ein paar Meter hangabwärts entsteht gerade eine weitere, noch exklusivere Enklave. In deren Zentrum: das Ende September in Betrieb gegangene Fünf-Sterne-Hotel Kimpton Aysla Mallorca gegenüber dem ebenfalls erst vor ein paar Jahren gebauten Tenniscourt, auf dem der Österreicher Edwin Weindorfer inzwischen zwei jährliche ATP-Turniere etabliert hat.

Viele Briten

Auf dieser Seite von Santa Ponça dominiert eindeutig die Sprache Deutsch, dabei hatte man Santa Ponça doch immer auch mit Briten in Zusammenhang gebracht. Auf der anderen Seite des Strandes sieht das komplett anders aus: Wenn man an der Strandpromenade entlangläuft und nach rechts hoch in Richtung Costa de la Calma, hört man auf der Straße fast nur noch Englisch, schwerpunktmäßig mit schottischem oder irischem Einschlag. Junge Familien, Paare sind unterwegs, zweifelsfrei als Urlauber zu identifizieren an ihren Schlappen, den roten Köpfen und den Strandutensilien.

Hier ist Santa Ponça alles andere als chic, hier wirkt es fast ein wenig in der Zeit stehengeblieben, heruntergekommen. In der Straße Ramon de Montcada, die sich den Berg in Richtung Costa de la Calma hinaufschlängelt, reiht sich eine britische Bar an die andere, viele davon mit auffälligen neonfarbigen Leuchtreklamen oder bunten Schildern. Santa Ponça – eine Urlaubshochburg mit Bettenburgen und billigen Bars, aber auch mit Luxusunterkünften und Golfplätzen. Wo geht die Entwicklung des größten Ortes in der Gemeinde Calvià hin?

Quo vadis, Santa Ponça?

Die jüngere Vergangenheit

Am besten, man fragt bei denen nach, die diese Gegend erst erschlossen haben, der Familie Nigorra. Statthalter ist heute Juan Nigorra junior. Seinem ebenfalls Juan Nigorra genannten Großvater, einem Pharmazeuten und Unternehmer, gelang es seinerzeit durch ein geschicktes Manöver die insolvente Banco de Crédito Balear zu übernehmen. Nach und nach kaufte er Aktien zu Schnäppchenpreisen auf, bis die Bank ihm allein gehörte. In ihrem Besitz befand sich auch die possessió de Santa Ponça, die heute noch an der Ortseinfahrt kurz nach der Autobahnabfahrt steht.

Die Besitztümer der Familie erstrecken sich hier seither über rund 900 Hektar, erzählt Juan Nigorra junior. Sein Großvater und sein Vater Miguel ließen den Hügel systematisch mit Straßen überziehen. Dazu legten sie Stromleitungen und Wasseranschlüsse, alles aus eigener Hand finanziert über die Firma Inmuebles y materias industriales S.A. (Imisa). „Keine Urbanisation auf Mallorca kann eine ähnliche Infrastruktur aufweisen“, sagt Juan Nigorra.

Angelockt durch die Erschließungstätigkeit der Nigorras wurde vor 26 Jahren auch der Berliner Lutz Minkner mit seiner Frau Edith. Der Jurist hörte damals vom Vorhaben der Nigorras, den gesamten Hügel bebauen zu wollen und eröffnete ein Büro in der damals noch kaum bebauten Avinguda Rei Jaume I. Minkner erinnert sich noch gut an die erste Fahrt durch Santa Ponça. „Meine Frau meinte nur, lass uns hier schnell wieder verschwinden. Es war wirklich nicht einladend“, sagt er. Doch die Minkners verschwanden nicht aus Santa Ponça, sondern kauften ein heruntergekommenes Bürogebäude mit eingeschlagenen Fensterscheiben. Zuvor war dort eine Bankfiliale untergebracht, hier richteten sie ihr Immobilienunternehmen ein.

Quo vadis, Santa Ponça?

Der Status Quo

Die Nigorras waren in Vorleistung gegangen, konnten durch den gewinnbringenden Verkauf der Grundstücke auf dem Berg aber ihr ohnehin schon beträchtliches Vermögen noch deutlich vermehren – ihre Weitsicht und die unternehmerische Risikobereitschaft zahlten sich aus. „Inzwischen gibt es so gut wie keinen freien Bauplatz mehr in Santa Ponça“, sagt Juan Nigorra, dessen Vater Miguel im Dezember 2018 starb. Nun ist er der Aufsichtsratschef der Firma Habitat Golf Santa Ponsa, zu dem die drei Golfplätze in Santa Ponça sowie der in Bendinat gehören.

Er selbst lebt mit seiner Familie noch in der Possessió aus dem 16. Jahrhundert – der Turm stammt gar noch aus dem 13. Jahrhundert. Auch seine Mutter und ein weiterer Bruder wohnen auf dem weiträumigen Anwesen. Nigorra betreibt dort und auf weiteren Ländereien der Familie in der Umgebung noch Landwirtschaft. So baut er unter anderem Johannisbrot und Mandeln an. Auch Viehzucht gehört zu seinen Leidenschaften. „Aber leben kann man davon nicht.“

Schon wenige Meter weiter beginnt der geschäftige Teil der Avinguda Rei Jaume I. Beinahe alle Geschäfte hier haben inzwischen deutschsprachige Inhaber, dazu kommt das deutsche Ärztezentrum. Auf den Gehwegen hört man neben Spanisch vor allem Deutsch, in den österreichischen Cafés Alt-Wien und Café Mozart vermischen sich die Welten: Spanier sitzen neben deutschen Urlaubern, aber auch deutschsprachige Residenten trinken dort ihren Milchkaffee und essen Torte.

Dass Santa Ponça gerade bei ausländischen Residenten so beliebt ist, erklärt sich Lutz Minkner gleich mit einem ganzen Bündel an Faktoren: „Die Leute wollen in der Nähe der Golfplätze wohnen, außerdem ist es nicht weit bis Palma, der Ort ist auch im Winter nicht tot, die Infrastruktur ist gut, und Santa Ponça hat auf der Insel mit das mildeste Klima mit wenigen Stürmen im Vergleich zur Ostküste.“

Quo vadis, Santa Ponça?

Wo geht die Reise hin?

Welches Potenzial Santa Ponça noch hat, darüber gehen die Meinungen auseinander. Lutz Minkner etwa glaubt nicht, dass sich an der grundsätzlichen Physiognomie des Ortes viel ändern wird. „Es gibt kaum noch Bauland, und die in die Jahre gekommenen Apartments auf der Bergseite Richtung Costa de la Calma werden bleiben. Die kann man ja nicht einfach so plattmachen.“ Santa Ponça sei schon immer eher in der zweiten Reihe beheimatet gewesen, nie ein Ort von demonstrativem Luxus.

Auch wenn die Preise über die Jahre deutlich zugelegt hätten. Lutz Minkner erinnert sich daran, dass Grundstücke auf dem „Ensaimada-Hügel“ vor 25 Jahren noch 200 D-Mark pro Quadratmeter gekostet hätten. „Heute sind es mindestens 1.000 Euro.“ Es ist ein Preisniveau, das in den kommenden Jahren zumindest auf dem „Ensaimada-Hügel“ für mehr Exklusivität sorgen könnte, etwa indem ältere Häuser abgerissen und durch Luxusvillen ersetzt werden.

Ein drastischer Wechsel hin zur Luxus-Destination aber sei nicht zu erwarten, meint auch ein deutscher Journalist, der seit einigen Monaten auf der rechten, eher britisch geprägten Seite lebt. „Santa Ponça ist sicher kein Reichen-Hotspot, aber es gefällt mir hier“, sagt er. Der Ort sei zwar architektonisch keine Schönheit, der Sonnenuntergang in der Bucht gerade im Winter suche aber seinesgleichen. „Santa Ponça ist nicht Fisch, nicht Fleisch, aber nicht so schlimm, wie ich am Anfang dachte“, meint er. Und Sven Sörensen, der in seinem Laden Heim & Haus am Boulevard sitzt, sagt lapidar: „Welches Potenzial? Baugrundstücke gibt es kaum noch, den Strand kann man nicht verlängern. Santa Ponça wird so bleiben, wie es ist.“

Etwas mehr Luxus darf ’s sein

Oder auch nicht. Denn am anderen Ende des Ortes wird eifrig an einem neuen, einem wirklich exklusiven Santa Ponça gearbeitet. Im neuen Kimpton Aysla Mallorca empfängt der Sales-Direktor Adolfo Almagro die MZ in der eleganten Luxusherberge, die gerade mal 79 Zimmer hat. Die Lage des Hotels auf der Insel sei einmalig, schwärmt er. „Hier haben wir Tennis und Golf direkt vor der Haustür – und dazu befindet sich das Hotel in unmittelbarer Nähe zu Palma.“ Das sei gerade im Winter wichtig, wenn sich das Angebot der Unterkunft auch stark an Einheimische richtet. „Und für Mallorquiner ist ja alles, was mehr als 20 Minuten Autofahrt bedeutet, schon aus der Welt.“

Bei einem Rundgang durch das Haus, das vom renommierten mallorquinischen Architekten Guillermo Reynés geplant wurde, wird klar: Hier dürften sich die noch Wohlhabenden dieser Welt richtig wohlfühlen. Das Hotel ist in gedeckten Farben gehalten, es gibt zwei Pools im Garten, einer davon dem Strand von Santa Ponça in der Form nachempfunden.

Die Zimmer sind stilvoll eingerichtet und verfügen über geräumige Terrassen und Balkone. Der 2014 geschlossene, nun aber wieder geöffnete und an das Hotel angeschlossene Country Club mit Saunen, Indoor-Schwimmbad, großem Fitnesscenter und zahlreichen Massage- und anderen Behandlungsmöglichkeiten soll einheimische und ausländische Gäste aus dem gesamten Südwesten der Insel anlocken.

Man setzt auf den US-Markt

Das Kimpton Aysla ist das erste Resort der US-amerikanischen Hotelkette in Europa, und es setzt stark auf den US-Markt. Almagro ist davon überzeugt, dass die neue direkten Flugverbindung zwischen Palma und New York eine Art Türöffner ist, die zu einer drastischen Zunahme an Urlaubern aus den Staaten führen wird. „Mittelfristig glaube ich, dass der US-Markt sogar den deutschen Markt überholen kann“, sagt Almagro. Er schielt dabei ein wenig auf Barcelona, wo die US-Urlauber nach den Franzosen bereits an zweiter Stelle stehen.

Der Grundstein für mehr Luxus ist aus Sicht von Almagro gelegt. Und inzwischen zieht es ja auch immer mehr Superreiche nach Santa Ponça. Zuletzt kauften Fußballtrainer Jürgen Klopp (FC Liverpool) und Stürmerstar Robert Lewandowski (FC Barcelona) hier großzügige Villen. Ob das genügt, um dem Küstenort ein neues Luxus-Image zu geben, aber bezweifeln viele Gesprächspartner. „Es wird immer die zwei Teile von Santa Ponça geben, die sich kaum vermischen“, sagt eine Kellnerin im Lokal Sir Henry, dem Nachfolger des Drews-Bistros.

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Und auch Kellner Toni im Restaurant Xaloc auf der anderen Seite des Strandes, der selbst in Santa Ponça lebt, glaubt eher nicht an gravierenden Änderungen im Ort. „Hier gab es schon immer auch Partytourismus, das kann kein Fünf-Sterne-Hotel der Welt ändern.“ Nicht einmal Juan Nigorra kann da widersprechen. „Die beiden Teile werden in Zukunft koexistieren, wie sie es bisher getan haben. Es sind zwei verschiedene Welten, aber Santa Ponça ist so groß, dass es auch Platz für den Tourismus der Unter- und Mittelschicht bietet.“