Energiezertifikat für Immobilien auf Mallorca: Obligatorisch, aber eher unbeachtet

Die Prüfung soll das Wohnen nachhaltiger machen – wird aber selten durchgeführt

Energiezertifikat: Eigentlich Pflicht, in der Praxis eher vernachlässigt

Energiezertifikat: Eigentlich Pflicht, in der Praxis eher vernachlässigt / Archiv

Ralf Petzold

Ralf Petzold

Das Energiezertifikat ist in Spanien eigentlich eine wichtige Angelegenheit. Wer eine Wohnung oder ein Haus verkaufen oder vermieten will, muss die regenbogenfarbene Statistik, die den Energieverbrauch und die CO₂-Emissionen erfasst, vorlegen können. Jedoch wird es in der Praxis wenig thematisiert. Reichlich überrascht reagieren Pressesprecher und Experten auf die MZ-Anfrage nach dem Nachweis. „Das Energiezertifikat wird weder beworben noch kontrolliert. Es ist gut, dass Sie darüber schreiben“, sagt Natalia Bueno, Vizechefin des balearischen Verbands der Immobilienmakler.

Vor zehn Jahren beschloss die spanische Regierung in einer Art Nacht- und Nebelaktion, die EU-Vorgabe rund um das Zertifikat der Energieeffizienz umzusetzen. Nach einer anfänglichen Protestwelle durch die Makler wurde das Thema wenig beachtet. Eigentlich lautet die Vorgabe, dass das Dokument nicht erst beim Abschluss des Kauf- oder Mietvertrags vorliegen muss, sondern bereits dann, wenn die Immobilie über Anzeigen beworben wird. Wer auf den einschlägigen Portalen unterwegs ist, muss aber nicht lange nach Annoncen suchen, wo unter dem Punkt Energiezertifikat „en trámite“ (in Bearbeitung) steht. „Bis zum Vertragsschluss haben 99 Prozent aller Verkäufer das Zertifikat vorliegen. Bei den Vermietern sind es etwa 50 Prozent“, schätzt Bueno, die selbst schon Anzeigen ohne den Nachweis ins Internet gestellt hat. „Die Verantwortung liegt beim Eigentümer. Ich kann ihn nicht dazu zwingen. Wenn er darauf besteht, trotzdem die Anzeige zu schalten, mache ich das.“

Strafen sind eher Einzelfälle

Theoretisch könnte ein Bußgeld zwischen 300 und 600 Euro drohen. „Ich habe schon mal gehört, dass Kollegen ein Knöllchen bekommen haben. Dabei handelt es sich aber um Einzelfälle“, sagt Bueno. Dafür verantwortlich ist wohl auch das mangelnde Interesse der Käufer und Mieter an der Energieeffizienz. „Es sind nicht mal zwei Prozent der Interessenten, die nachfragen.“ Das wären dann auch die einzigen Abnehmer, die einen bis zu fünf Prozent höheren Preis wegen einer guten Energiebilanz zahlen würden. „Die besten Einstufungen A und B habe ich so gut wie nie gesehen“, so die Maklerin.

Das liegt daran, dass es sie kaum gibt. Die Skala reicht von A (sehr gut) bis G (äußerst schlecht). Zwischen D und E liegt der spanische Durchschnitt. „Neubauten haben strengere gesetzliche Vorschriften. Hier liegt der Durchschnitt auf Mallorca zwischen C und D“, sagt der Ingenieur Dani Pol, der die Zertifikate ausstellt. „Die meisten älteren Wohnungen und Häuser haben G. Da reicht es schon aus, einen elektrischen Wassererhitzer zu haben. Mit einem solchen ist eine bessere Bewertung selten möglich.

So wird das Zertifikat berechnet

Für die Berechnung wird eine mathematische Formel angewandt, die selbst nach angefangenem Mathematikstudium unverständlich scheint. „Das rechnet ein Computerprogramm für uns aus“, sagt der Ingenieur. „Da müssen wir nur Daten in Felder eingeben, das ist kinderleicht.

Im Programm ist Mallorca vorausgewählt. Schließlich hat das Klima einen Einfluss auf den Energiebedarf: Auf der sonnigen Insel sind die Heizkosten niedriger als in Galicien, dafür läuft die Klimaanlage im Sommer auf höherer Stufe. Bei einer Besichtigung begutachtet der Ingenieur unter anderem, wie es um die Dämmung steht, in welchem Stock sich die Wohnung oder in welcher Höhenlage sich das Haus befindet und ob die Fassaden gen Süden ausgerichtet sind.

Hinzu kommen zahlreiche weitere Kriterien. Selbst die Farbe der Fensterläden spielt eine Rolle, da sich Schwarz bekanntermaßen schneller erhitzt. „Wichtig sind die Öffnungen in der Fassade: Sind die Fenster doppelt verglast oder Climalit? Wie gut sind sie abgedichtet?“ Fest installierte Heizungen und Klimaanlagen werden ebenfalls einberechnet. Mobile Geräte oder Haushaltsapparate wie der Kühlschrank oder die Waschmaschine bleiben außen vor.

Etwa 300 Euro kostet die Ausstellung des Energiezertifikats, bei einer kleinen Wohnung etwas weniger, bei einer großen Finca etwas mehr. „Im Preis inbegriffen ist die Meldung beim Industrieministerium“, so Pol. „Eigentlich sind Käufer verpflichtet, die Energiebilanz um zwei Stufen anzuheben. In der Praxis schert sich aber niemand darum.“

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