Mietpreisbremse auf Mallorca: Worauf man sich in Madrid geeinigt hat

Die Koalition aus Sozialisten und Unidas Podemos kann Regionalparteien für ein neues Wohnraumgesetz gewinnen. Kommt es noch vor den Wahlen am 28. Mai?

Wohnungen in Palma de Mallorca.

Wohnungen in Palma de Mallorca. / Nele Bendgens

Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

Im Artikel 47 der spanischen Verfassung ist das Recht aller Bürger auf eine „würdevolle und angemessene Wohnung“ festgeschrieben, die Staatsorgane werden verpflichtet, die Bedingungen dafür zu schaffen. Die Realität ist jedoch weit davon entfernt. In vielen Städten und Regionen Spaniens sind die Preise für den Kauf einer Immobilie oder eine Wohnungsmiete explodiert. Oft müssen die Menschen die Hälfte ihres Einkommens für das Eigenheim aufbringen, andere können es sich gar nicht leisten. Sechs von zehn jungen Menschen unter 24 Jahren wohnen bei den Eltern. Die Lage auf Mallorca ist besonders angespannt, aber auch in den Metropolen Madrid und Barcelona oder in vom Boom der Ferienwohnungen stark betroffenen Städte wie Málaga ist der Mangel an bezahlbarem Wohnraum ein großes Problem.

Seit einem Jahr ringt die Koalitionsregierung aus Sozialisten (PSOE) und dem Linksbündnis Unidas Podemos um ein neues Wohnraumgesetz, welches erstmals einen rechtlichen Rahmen für Eingriffe in den Markt in besonders betroffenen Gebieten garantieren soll. Der Entwurf der Ley de Vivienda wurde schon vergangenes Jahr vom Kabinett verabschiedet. Am Freitag (14.4.) haben sich die Regierungspartner nun in zentralen Fragen mit den regionalen Parteien ERC aus Katalonien und Bildu aus dem Baskenland geeinigt. Die Minderheitsregierung von Pedro Sánchez ist im Parlament auf sie angewiesen.

Noch vor den Wahlen?

Ginge es nach den Linken, sollte das neue Gesetz noch vor den regionalen und kommunalen Wahlen am 28. Mai in seiner endgültigen Form im Unterhaus verabschiedet werden. PSOE und Podemos versprechen sich von den Maßnahmen ein schlagkräftiges Argument für den Wahlkampf. Denn in Umfragen zählt der Preisanstieg der Wohnungen zu den größten Sorgen im Land, und zwei Drittel der Bevölkerung befürworten vor diesem Hintergrund gesetzliche Eingriffe in den Markt.

Im Rahmen der Sondermaßnahmen zur Bekämpfung der Preisexplosion infolge des Ukraine-Krieges sind die Mieterhöhungen für 2023 bereits auf zwei Prozent begrenzt worden. In dem neuen Gesetz soll dieser Mechanismus dauerhaft verankert werden. Allerdings nicht überall. Der Knackpunkt ist die Definition sogenannter zonas de mercado residencial tensionado, also Gegenden, in denen die Wohnungspreise besonders hoch und für viele Menschen unerschwinglich sind.

Dafür muss mindestens eine der folgenden Kriterien erfüllt sein: die durchschnittlichen Mietpreise betragen in dieser Gegend mehr als 30 Prozent des durchschnittlichen Einkommens der Bevölkerung vor Ort oder es gab in den vergangenen fünf Jahren eine Erhöhung um drei Prozentpunkte über dem Verbraucherpreisindex.

Mietpreisindex als Referenz für Mieterhöhungen

Die Obergrenze für Mieterhöhungen soll von den derzeit geltenden zwei auf im kommenden Jahr drei Prozent angehoben werden. Das Gesetz sieht zudem einen neuen Mietpreisindex vor, der zukünftig die Referenz für Erhöhungen sein soll. Nach welchen Kriterien dieser Index genau gestaltet wird, steht noch nicht fest.

Ein weiterer Streitpunkt war die Definition von Großeigentümern, für welche die Deckelung verpflichtend gilt. Die Sozialisten hatten im Entwurf Privateigentümer und Unternehmen vorgesehen, die zehn oder mehr Immobilien besitzen. Die Linken konnten sich nun mit ihrer Forderung durchsetzen, dass die die Latte auf fünf heruntergesetzt wird. Sonstige Eigentümer sollen durch Steueranreize dazu animiert werden, die Mieten einzufrieren.

Die Regierung geht auch gegen den Leerstand vor. Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass die Gemeinden die Grundsteuer (IBI) auf Wohnungen, die seit mindestens zwei Jahren unbewohnt sind, um 150 Prozent anheben können. Das gilt jedoch nur für Eigentümer von mehr als vier Immobilien in einer Gemeinde. Des Weiteren wird auch der Schutz sozialschwacher Haushalte vor Zwangsräumungen ausgebaut.

Ein Eigenheim oder eine eigene Mietwohnung bleiben für viele Spanier ein fernes Ziel. Sechs von zehn jungen Menschen unter 24 Jahren wohnen bei den Eltern.  | FOTO: EUROPAPRESS

Ein Eigenheim oder eine eigene Mietwohnung bleiben für viele Spanier ein fernes Ziel. Sechs von zehn jungen Menschen unter 24 Jahren wohnen bei den Eltern. / Europa Press

Eigentümer tragen die Maklergebühren

Das neue Gesetz legt ebenfalls fest, dass die Eigentümer fortan für die Maklergebühren verantwortlich sein sollen. Bisher waren es die Mieter.

Allein mit Vorschriften und Regeln für die Privatwirtschaft dürfte sich das Problem des Mangels an bezahlbarem Wohnraum allerdings nicht lösen lassen. Daher wird für den Bau von Sozialwohnungen viel mehr Geld zu Verfügung gestellt. Durch die Sparpolitik infolge der Finanzkrise war der Bau öffentlicher Wohnungen in den vergangenen Jahren sehr stark zurückgefahren worden. Manche Gemeinden wie Madrid verkauften sogar die bestehenden Sozialwohnungen an Investoren, oft große Fondsgesellschaften aus dem Ausland. Nach den Plänen der Regierung sollen bei Neubauprojekten ein Anteil an Sozialwohnungen festgelegt und private Investoren mit Anreizen dazu ermuntert werden, erschwinglichen Wohnraum zu bauen.

Die Regionen sollen eigenständig entscheiden

Die Umsetzung des Gesetzes ist Sache der Regionen und Gemeinden. Diese müssen entscheiden, ob sie ein Gebiet zur zona tensionada erklären und dort die Mietpreisbremse einführen. Während von den Sozialisten regierten Regionen wie die Balearen unbedingt eine Begrenzung der Mieten wollen, lehnt die Volkspartei (PP) die Bremse ab, da sie einen Eingriff in den freien Markt und die Rechte der Eigentümer bedeutet. Stattdessen hat die PP in den Regionen, in denen sie an der Macht ist, eigene Initiativen gegen die Wohnungsnot eingeführt. In Kastilien-León bürgt die Regionalregierung für 90 Prozent der Hypotheken junger Käufer bis zu einem Limit von 240.000 Euro. Andalusien gibt jungen Menschen Mietzuschüsse. In Madrid wollen die Konservativen nun wieder in den Bau von Sozialwohnungen investieren.

Trotz des allgemeinen Bewusstseins für die prekäre Lage auf dem Wohnungsmarkt dürfte die Zeit, um das Projekt noch vor dem 28. Mai durch die parlamentarischen Instanzen zu bringen, sehr knapp werden. Bis zu den für Ende des Jahres vorgesehenen spanienweiten Parlamentswahlen sollte die Mietpreisbremse jedoch beschlossen sein.

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