Eine Gruppe von neun Jugendlichen sitzt vor dem Schaufenster von Gotham. Sie blättern durch Hefte, die sie gerade in einem von drei auf Comics spezialisierten Buchläden in Palma gekauft haben. Jugendliche, die ins Lesen versunken sind? Gibt es die überhaupt noch? Ja, und es werden immer mehr.

Spanienweit steigen dank der Comics die Verkäufe in Buchläden. In Deutschland ist das ganz ähnlich. Im Jahr 2020 machte der deutsche Comic-Markt laut dem Branchenmagazin „buchreport“ einen Umsatz von 185 Millionen Euro. Ein Zuwachs von vier Prozent trotz Pandemie. Dass Mangas, Graphic Novels und andere Bücher mit Bildern immer beliebter werden, liegt an sinkenden Preisen, sozialen Medien – und an Streaming-Plattformen wie Netflix. Wer sich in die Comicwelt begibt, lernt auch neues Vokabular. Japanische Comics heißen Mangas, ihre Verfilmungen sind Animes. Comics, die dicker sind und meist ernstere Themen behandeln, heißen Graphic Novels.

Illegale Comics im Internet bringen neue Kunden in die Buchläden

„All die Filme und Serien über Superhelden und die Animes, die aktuell auf Streaming-Plattformen erscheinen, bringen junge Menschen dazu, sich in das Thema zu vertiefen“, erklärt Mateu Balanguer, Inhaber des Comic-Geschäfts Univers del Còmic. Sie kaufen sich dann die Comics, die die Vorlage für ihre Lieblingsserie oder ihr Lieblingsanime ist.

Der Schub, den Filme und Serien dem Comic-Markt bringen, wird noch verstärkt durch die sozialen Medien, erzählt Balanguer. „Es gibt viele Menschen, die dort erklären, worum es in diesem oder jenem Manga geht und ob sie es mochten. Die Jugendlichen, die ihnen folgen und daran interessiert sind, gehen dann zu einer Buchhandlung und bestellen sie.“ Es gibt viele Comics, die illegal im Internet gelesen werden können, aber selbst das motiviert einige zum Kauf. „Wenn die Comics ihnen gefallen, wollen die Jugendlichen sie in physischer Form haben, weil sie schön und bezahlbar sind“, sagt Balanguer.

Da kommt der dritte Faktor für den Boom ins Spiel: Balaguer erklärt, dass Hardcover-Bücher, „die in den 90ern umgerechnet 50 Euro gekostet haben, jetzt dank besserer Drucktechniken für 20 Euro zu finden sind.“ Zugleich sorgen diese Drucktechniken für mehr Vielfalt an Farbe, Größe und Form – die Comic-Hefte und -Bücher sind visuell attraktiver geworden. Diese guten Ergebnisse zu Preisen, die selbst für Jugendliche bezahlbar sind, bringt einer breiten Masse an jungen Menschen die Welt des Comics näher. Die Hefte sind nicht mehr nur für Superhelden-Liebhaber und Otakus, wie Manga-Fans in der Fachwelt genannt werden.

Graphic Novels erreichen ein ganz neues Publikum

Hinzu komme noch ein Publikum, das bisher keine Bücher mit Bildchen las, sagt Bernardo López, Inhaber des Comic-Ladens Metrópolis. „Viele Erwachsene und immer mehr ältere Menschen, die nie viel gelesen haben, entdecken, dass es Comics für jedes Alter und jeden Geschmack gibt.“ López beschäftigt sich sein Leben lang mit Comics. Erst als Sammler, dann als Angestellter im Comic-Geschäft Tótem, jetzt in seinem eigenen Laden. Mit Comics für jedes Alter meint López auch die sogenannten Graphic Novels.

Bernardo López von Metrópolis. Guillem Bosch

López missfällt die Unterscheidung in Comics und Graphic Novels allerdings. „Alles sind Medien aus Papier mit Bildern, die eine Geschichte erzählen“, findet López. Ein Buch von Stephen King und der spanische Klassiker „Don Quijote“ von Miguel de Cervantes seien beides Romane. Und so sind für López die neueste Asterix-Ausgabe und der Pulitzer-Preisträger „Maus“ über eine Gruppe Holocaust-Überlebender beides Comics. „Aktuell nennen wir es eben Graphic Novel, weil es ein attraktiverer Ausdruck für ein älteres Publikum ist.“

Auch die regulären Buchläden widmen Comics immer mehr Platz. López sagt, das läge daran, dass sie überleben wollen. „Weil sie sehen, dass Comics sich besser verkaufen als andere Bücher, machen sie Platz für diese Kunden.“ Durch den Boom kommen laut López gleichzeitig immer mehr Comics auf den Markt. Es seien mindestens hundert verschiedene Titel im Monat. „Und ich weiß nicht, ob es genügend Leser gibt, um dieses ganze Material aufzusaugen.“