Kultur-Tipp: Das Wesen Argentiniens in einer Ausstellung auf Mallorca

Der Kulturraum Espai Passatemps in Santa Maria del Camí zeigt Bilder der argentinischen Fotografen Marcos Zimmermann und Daniel Muchiut

„Familia en la Ruta“, Chaco, von Marcos Zimmermann.

„Familia en la Ruta“, Chaco, von Marcos Zimmermann. / Marcos Zimmermann

Brigitte Rohm

Brigitte Rohm

Es gibt große Fragen, auf die man noch keine klaren Antworten findet. Einer von ihnen ist der argentinische Fotograf Marcos Zimmermann seit vielen Jahren auf der Spur: Was macht die Essenz, das Wesen seines Landes und dessen Bewohnern aus? „Argentinien ist ein Land, das immer noch auf der Suche nach sich selbst ist. Es gibt viele verschiedene Argentiniens“, sagt er im Zoom-Interview. Zimmermann setzte sich mit den diversen Gesichtern auseinander: etwa der imposanten Landschaft Patagoniens im Süden, dem Río de la Plata oder dem Norden des Landes und seinen Menschen. Seine Annäherung an das Argentinien von heute bezeugt der Foto-Essay „Nosotros“ aus dem Zeitraum 2015–2018.

Eine Auswahl dieser Porträts ist nun dank der Stiftung des Kölner Mäzens Michael Horbach, die Zimmermann 2021 mit dem Fotopreis auszeichnete, bei der Ausstellung „Argentinos – Los Hijos de la Tierra“ im Kulturraum Espai Passatemps zu sehen.

Ein Fokus liegt auf der Armut

Es sind intensive und einfühlsame Aufnahmen, bei denen die Protagonisten oft nichts von der Anwesenheit des Fotografen zu spüren scheinen. Sie streifen Bildung, Gesundheit und das Alltagsleben der Menschen. „Meine ganze Arbeit hat thematisch mit der Identität Argentiniens zu tun und ist ein Versuch, sie zu verstehen und anderen einige ihrer Aspekte zu zeigen“, erklärt Zimmermann. Eine Rolle spiele etwa die kulturelle Mischung, die sich aus der europäischen Einwanderung in Verbindung mit dem ursprünglichen Argentinien formte.

Fotografie von Marcos Zimmermann.

Fotografie von Marcos Zimmermann. / Marcos Zimmermann

Auch wenn der Fotograf weiterhin sucht und fragt, kann er zumindest eines mit Sicherheit festhalten: „Die Argentinier zeichnen sich allgemein durch eine große Herzlichkeit aus. Eine Zuneigung, die auf eine starke und sehr schöne Weise weitergegeben wird“, sagt er. Gleichzeitig würden die politischen und gesellschaftlichen Konflikte das Land immer noch stark in Klassen unterteilen.

So liegt ein Fokus auf der Armut: „Es ist schwer zu begreifen, dass in einem potenziell reichen Land mehr als 40 Prozent der Bevölkerung in Armut leben“, betont er. Zimmermann selbst stammt aus Buenos Aires. Er bewegt sich dort mühelos in allen sozialen Schichten. Doch ihn interessiert nicht nur die Metropole, sondern die Bevölkerung im ganzen Land. Das Foto der Familie auf dem Motorrad entstand etwa in der Provinz Chaco im Norden: „Es ist sehr symbolisch: Für arme Familien ist es ein erster Schritt in Richtung Aufstieg und Motorisierung, sich ein Motorrad zu leisten. Und dann fährt die ganze Familie mit.“

Begegnung auf Augenhöhe mit indigenen Völkern

Mit den indigenen Völkern Argentiniens beschäftigte sich der Fotograf Daniel Muchiut, dessen Arbeiten auch in der Ausstellung gezeigt werden: Sein Foto-Essay „Los Hijos de la Tierra“ führte ihn ebenfalls nach Norden, nach Chaco sowie in die Provinz Formosa. In den Jahren 1992, 1996 und 2004 dokumentierte er dort die prekären Lebensbedingungen der Wichí, der Toba und der Pilagás. Diese Erfahrungen ließen ihn bis heute nicht los.

„Los Hijos de la Tierra“ von Daniel Muchiut: Dieser poetisch festgehaltene Moment aus der Gegend „El Colchón“ zeigt, wie eine Familie einen Nebenfluss des Río Bermejo überquert. Das funktioniere dort nur, indem man sich selbst ein schwimmbares Gefährt zimmere, so der Fotograf im Zoom-Interview.

„Los Hijos de la Tierra“ von Daniel Muchiut: Dieser poetisch festgehaltene Moment aus der Gegend „El Colchón“ zeigt, wie eine Familie einen Nebenfluss des Río Bermejo überquert. Das funktioniere dort nur, indem man sich selbst ein schwimmbares Gefährt zimmere, so der Fotograf im Zoom-Interview. / Daniel Muchiut

„Ich möchte die Armut nicht romantisieren, aber von der Würde und Kraft dieser Gemeinschaften sprechen, die im Einklang mit der Natur leben“, erklärt Muchiut. „Ich fand es bewegend, ihre Geschichten zu hören.“ Der Fotograf begegnete den Menschen mit größtmöglicher Nähe, lebte eine Zeit lang mit ihnen zusammen und spricht von ihrer außergewöhnlichen Gastfreundschaft. Muchiut wünscht sich, dass seine Aufnahmen dies vermitteln – und den gegenseitigen Respekt auf Augenhöhe.

Vernissage: 20.5., 19 Uhr, bis 31. Juli, Espai Passatemps & Fundació Michael Horbach, C/. Marquès de la Fontsana, 14, Santa Maria del Camí, Di–Fr. 11–13 und 18–20 Uhr, Sa–So. 11–13 Uhr.