Tattoo-Fans sollten sich diese Ausstellung auf Mallorca nicht entgehen lassen

Die Schau, die auf Mallorca zum letzten Mal überhaupt zu sehen ist, zeigt uns die Ursprünge der Kunst des Tattoos – und wie die Traditionen heutige Tätowierer inspirieren

Masato Sudō betonte 1985 mit dem Buch Ranshō erstmals den ästhetischen Wert japanischer Tattoos.

Masato Sudō betonte 1985 mit dem Buch Ranshō erstmals den ästhetischen Wert japanischer Tattoos. / Masato Sudō

Brigitte Rohm

Brigitte Rohm

Ein gestochen scharfes Bild von der Faszination des Tätowierens und ihrer langen Geschichte bietet sich bis zum 2. Juni den Besuchern der großen Ausstellung „Tattoo – Arte bajo la piel“. Nach Stationen in den Caixa-Foren auf dem spanischen Festland ist die Schau mit mehr als 240 Exponaten nun in Palma zum letzten Mal zu sehen. Produziert und organisiert wurde sie in Zusammenarbeit mit dem Musée du Quai Branly – Jaques Chirac in Paris, wo die Ausstellung im Jahr 2014 erstmals präsentiert worden war. Seitdem kamen mehrere Auftragsarbeiten für zeitgenössische Tattoo-Künstler als neue Stücke hinzu.

Rund 20 hyperrealistische Silikonmodelle von menschlichen Körperteilen, die von Tätowierern aus aller Welt gestaltet wurden, sind nun eines der Highlights der an visuellen Reizen ohnehin nicht armen Schau. Zu sehen gibt es besondere Objekte wie das Grundmodell einer Tätowiermaschine von Thomas A. Edison aus dem Jahr 1877, Zeichnungen, Stiche, Gemälde und viele historische Fotografien, die die Praktiken rund um den Globus widerspiegeln. Dazu vermitteln Videos lebendige Eindrücke der Techniken und der Werkzeuge, die dabei jeweils zum Einsatz kommen.

Tattoo-Modell von Yann Black auf einem Männerarm aus Silikon.

Tattoo-Modell von Yann Black auf einem Männerarm aus Silikon. / Thomas Duval

Von Ötzi bis Ed Hardy

Thematisch beginnt der Rundgang bei den Ursprüngen dieser Kunst und den verschiedenen Kontexten, in denen sie Anwendung fand: etwa als Markierung für Gefangene oder auch als kuriose Attraktion bei den „Sideshows“ in den USA ab dem 19. Jahrhundert. Etwas Abwertendes haftete der Tätowierung lange Zeit an, denn sie kennzeichnete die Abweichung von der gesellschaftlichen Norm.

Dann nimmt die Ausstellung eine geografische Aufteilung vor und beleuchtet die Entwicklung und die Bedeutung der Körperkunst in verschiedenen Ländern, Kontinenten und Kulturen. Im Erdgeschoss führt die Reise zunächst nach Japan, nach Nordamerika und Europa. Der mit dem Titel „Eine Kunst in Bewegung“ überschriebene Bereich behandelt auch den internationalen Austausch und den Einfluss japanischer Tattoos auf die USA, der von Schlüsselfiguren wie Sailor Jerry und Ed Hardy vorangetrieben wurde. Das Kapitel zu Europa, wo schon die Gletschermumie Ötzi Tatöwierungen aufwies, erzählt davon, wie das Tattoo im 20. Jahrhundert Einzug in die Kunstgeschichte hielt – dank Ikonen wie dem Schweizer Felix Leu.

Besinnung auf die Tradition

Im ersten Stock verdeutlicht die Schau wie in Kulturen, in denen Tätowierungen schon in der Vergangenheit von großer Bedeutung waren, die Kunst heute wieder auflebt – und wie sich zeitgenössische Tätowierer von der Tradition inspirieren lassen und auf die überlieferte Ikonografie zurückgreifen. So erlebte etwa das „Moko“ eine Renaissance: Die Tätowierung der Māori, des indigenen Volkes Neuseelands, kennzeichnete ursprünglich hohen sozialen Status.

Giebelmaske der Maori aus dem 19. Jahrhundert.

Giebelmaske der Maori aus dem 19. Jahrhundert. / Musée du quai Branly – Jacques Chirac, Thierry Ollivier

Weitere Stationen auf dem Rundgang sind Indonesien und Ostmalaysia, Thailand, Samoa, die Philippinen und Polynesien. Zur Einführung in eine neue Region gibt es stets Exponate zu sehen, die auf die Wurzeln des kulturellen Erbes Bezug nehmen oder die traditionellen Utensilien zeigen. Dazu zählt etwa eine Giebelmaske der Māori-Kultur, die das Gesicht eines Stammesgründers zeigt und an der Front eines Versammlungshauses angebracht war. Andere Beispiele sind rituelle Masken aus Thailand, die von Tätowierern genutzt wurden, um die Talisman-Wirkung und spirituelle Kraft ihrer Kreation zu verstärken. Oder auch die diversen Werkzeuge für die „Pe’a“, die Tätowierungen der Männer auf Samoa. Ihre Tusche wird aus einem Aufguss aus gebrannten Lichtnussbaum-Nüssen hergestellt.

Auch in diesem Teil der Ausstellung erhalten bedeutende Vertreter der Tätowierkunst eine besondere Wertschätzung. So zeigt eine Porträtfotografie die 106-jährige Whang-od Oggay, die als die älteste Meisterin der philippinischen Stammestätowierung (Batok) gilt, deren Tradition bis in die vorkoloniale Zeit zurückreicht. Sie begann mit 15 zu tätowieren, war damit als Frau eine absolute Ausnahme und gab ihr Wissen später an andere Frauen weiter.

Neue Impulse

Der letzte Teil der Ausstellung beschäftigt sich mit neuen Stilen und künstlerischen Impulsen seit den 1970er-Jahren. Er führt uns etwa nach China, wo das Tätowieren im Zuge der Kulturrevolution verboten wurde und seit 2000 ein Revival mit popkulturellen Einflüssen erlebt. Und er beleuchtet – unter anderem durch eindrucksvolle Porträts der spanischen Fotografin Isabel Muñoz – die heute populäre Tätowierkunst der Chicanos, einer Latino-Gruppe in den USA, die ihren Ursprung in den Gefängniszellen hat.

Zum Schluss stehen einige zeitgenössische Werke auf Silikon im Fokus: Darunter Motive, die mit fluoreszierender Tinte gestochen wurden und ein neues Werk von Yann Black mit weißer Farbe auf schwarzer „Haut“. Diese Arbeit wird in Palma erstmals ausgestellt und symbolisiert laut dem Künstler die Befreiung unterdrückter Völker.

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