Opulente Säle statt weiße Wände: Die in Berlin ansässige, hochkarätige Galerie Esther Schipper zeigt vom 12.–31. Juli eine Sommerausstellung in der ehemaligen Residenz des Bourgeois Martí Marquès Marquès in Palma. Das Intermezzo fern der deutschen Hauptstadt ist der Tatsache zu verdanken, dass die Galerie coronabedingt viele Monate schließen musste. "In dieser Zeit haben wir über frische neue Ausstellungsformate nachgedacht", erklärt Violant Porcel, die für das Projekt auf Mallorca verantwortlich zeichnet. Die Galerie pflege schon seit Langem Beziehungen zum spanischen Publikum, Mallorca habe zudem deutsche Kunstliebhaber und internationale Sammler zeitgenössischer Kunst als großen Pluspunkt zu bieten.

Unter den Optionen stach schließlich das Angebot heraus, in einem Stockwerk des Stadtpalastes Can Marquès auszustellen. Das Haus stammt aus dem 14. Jahrhundert und vereint dank zahlreicher Transformationen viele Stile, von Barock bis Neoklassizismus. Vor wenigen Monaten hatte auch Óscar Florit von L21 den Bau schon als Pop-up-Galerie genutzt. Solche Kunstprojekte stellen eine der raren Gelegenheiten dar, die sonst für das Publikum geschlossene Privatresidenz zu besichtigen: "Es hat diesen doppelten Reiz. Man kann eine Ausstellung mit zeitgenössischer Kunst besuchen und dabei noch diese außergewöhnlichen Räumlichkeiten sehen", sagt Porcel.

Interessante Dialoge mit dem Raum

Die Ausstellung mit dem Titel "En la casa de Marquès" präsentiert über 50 Arbeiten von 24 Künstlern der Galerie Esther Schipper, darunter Gemälde, Skulpturen, Installationen, Fotografien und Arbeiten aus Papier. "Bei der Auswahl haben wir daran gedacht, welche Werke die interessantesten Dialoge mit diesem Raum führen", erklärt Porcel. Und die Planung musste sich den speziellen Gegebenheiten des Raumes unterordnen, zum Beispiel: keine zusätzlichen Löcher in die Wände bohren und den von Haus aus dunkelsten Saal für eine Videoprojektion nutzen. "Man muss mit den Möglichkeiten vor Ort spielen. Aber das macht auch sehr viel Spaß", so Porcel.

Zudem eröffnete das Haus viele neue Perspektiven und spielerische Aspekte: Zur direkten Begegnung mit dem Kunstwerk kommt eine weitere Komponente hinzu. Bei den Porträts des rumänischen Künstlers Florin Mitroi etwa förderten die "neutralen" weißen Galerie-Räume einen fokussierten Blick auf das Werk, erklärt Porcel. Der Kontext einer historischen Residenz beflügle hingegen das Spiel mit Assoziationen: 2Man denkt dann vielleicht eher über Familiengeschichten nach, als sich auf die stilistische Einordnung des Gemäldes zu konzentrieren." Auch die Skulptur eines Dobermanns von der Künstlerin Julia Scher wirke völlig anders, wenn der Hund die Besucher tatsächlich vor einer realen Tür erwarte.

Nie gezeigte Kunstwerke

Manche Exponate werden auffällig platziert, andere subtil im architektonischen Ensemble integriert, wie die bearbeiteten Atlanten von Etienne Chambaud – sie machen sich hervorragend in einer Tischvitrine. Gezeigt werden zudem Stücke aus der berühmten Serie "Mailed Paintings" von Karin Sander: Die renommierte deutsche Künstlerin macht damit den zufälligen Prozess sichtbar, der auf dem Postweg verschickte Kunstwerke konstant verändert. Ebenfalls Teil der Ausstellung sind unter anderem Gemälde der jungen deutschen Künstlerin Sarah Buckner, eine momentale Skulptur von Angela Bulloch und eine noch nie gezeigte Skulptur des Schweizer Künstlers Ugo Rondinone.

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Der britische Konzeptkünstler Ryan Gander schuf sogar ein Werk speziell für den Raum in Palma, das neben anderen Arbeiten wie "Up side down Breuer chair after a couple of inches of snowfall" präsentiert wird: einen gerahmten Spiegel, halb verdeckt von einem Vorhang aus Marmorharz. "Gander interessierte hier die westliche Tradition, dass man die Porträts einer verstorbenen Person abnahm und die Spiegel im Haus verhüllte", sagt Porcel. Dazu schwinge die Idee mit, dem Besucher den eitlen Blick in den Spiegel zu verwehren – doch bei so viel sehenswerter Kunst wird er es gewiss verkraften.

Casa Museo Can Marquès, Carrer de Can Anglada, 2a, Di.–Sa., 12–20 Uhr oder nach Absprache unter Tel.: 663-44 27 16 oder porcel@estherschipper.com