Die Liberalen auf Mallorca, ihre Frontfrau und die Hilfe der FDP

Die neue Spanien-Chefin der Ciudadanos, die Mallorquinerin Patricia Guasp, über ihre Rolle, die Wohnungsnot und den Sprachenstreit

Patricia Guasp beim MZ-Interview im Parlamentsbüro in Palma | FOTO: NELE BENDGENS

Patricia Guasp beim MZ-Interview im Parlamentsbüro in Palma | FOTO: NELE BENDGENS / Nele Bendgens

Frank Feldmeier

Frank Feldmeier

Die liberalen Ciudadanos haben eine ausgeprägte Berg- und Talfahrt hinter sich. Die erst 2006 in Barcelona gegründete Partei, die sich einst als Alternative der zwei großen Volksparteien in Szene setzte, brach bei Spanien-Wahlen 2019 innerhalb von sechs Monaten von 16 auf sieben Prozent ein. Es folgten erbitterte Führungskämpfe. Im Zuge der Neugründung ist nun eine Mallorquinerin an die Spitze aufgerückt: Seit Jahresbeginn leitet Patricia Guasp die Geschicke der Partei auf Spanien-Ebene. Die studierte Juristin mit Spezialgebiet Europarecht hat bereits bei der EU in Brüssel gearbeitet, aber auch in einer Bank sowie einer Unternehmensberatung. Im Balearen-Parlament trug Guasp unter anderem die Corona-Politik der Linksregierung mit. Ende vergangener Woche wurde die 45-Jährige auch als Spitzenkandidatin der Ciudadanos bei den anstehenden Regionalwahlen im Mai bestätigt.

Balearen-Politik in Palma, Spanien-Politik in Madrid – wie wollen Sie diese beiden Jobs unter einen Hut bekommen?

Ich glaube, diese Kombination ist sehr positiv für unsere Partei. Auch die Regionen brauchen eine Stimme in Madrid, das ist eine programmatische Erklärung.

Ihre Vorgängerin an der Parteispitze, Inés Arrimadas, ist weiterhin Fraktionssprecherin im spanischen Parlament. Werden Sie denn überhaupt wahrgenommen?

Sie ist Sprecherin, aber ich koordiniere die politischen Inhalte. Bei der Neugründung haben wir zwei Dinge beschlossen: Die Regionen stärker einzubeziehen und Entscheidungen auf breiterer Basis zu treffen. Wir sind keine präsidentielle Partei mehr wie bislang. Inés ist unsere institutionelle Stimme, alle Parteifragen kommuniziere aber ich.

In der Madrider Politik weht ein kälterer Wind als in Palma – wie erleben Sie ihn?

Ich habe Jura in Madrid studiert, kenne die Stadt also sehr gut. Der Rhythmus ist anders, die Journalisten stellen härtere Fragen. Und jetzt haben wir vor den Regionalwahlen im Mai einen Berg Arbeit vor uns. Wir wollen die Partei, aber auch das Land neu aufstellen.

Was ist schiefgelaufen, dass so viele Wähler Ihnen den Rücken gekehrt haben?

Wir haben eine intensive Phase der Analyse und Selbstkritik hinter uns. Zum einen gibt es natürlich einen externen Faktor, die zunehmende Polarisierung. Das nimmt dem Zentrum Raum. Wir haben einen großen Fehler begangen, indem wir uns einer der großen Parteien untergeordnet haben. Heute treffen wir unsere Entscheidungen ohne Blick auf die Volkspartei oder die Sozialisten.

Wähler riskieren ungern, dass ihre Stimme bei einer kleinen Partei verloren geht, und wählen lieber eine der großen Parteien.

Eine Leihstimme bedeutet Wandel, Reform und Liberalismus. In Europa spielt das eine große Rolle, und auch hier in Spanien brauchen wir Leihstimmen. Denn die beiden großen Parteien sind konservativ. Wir aber wollen zum Beispiel nicht nur die Renten von heute sichern, sondern auch die von morgen. Auch die Wohnungspolitik ist gescheitert.

Wie würden Sie dieses Problem denn im Fall der Balearen angehen?

Wir haben viele Vorschläge. Die Sozialisten wollen immer alles verbieten, etwa dass Europäer auf den Balearen Häuser kaufen können.

Sie meinen Nichtresidenten ...

Man gibt ihnen die Schuld an der Preissteigerung. Aber die EU-Prinzipien gehen vor ...

Die Frage war, was Sie tun würden.

Wir würden steuerliche Anreize setzen, für mehr Investitionen, für die Rückgewinnung von Talenten, für Innovation. Stattdessen gibt es nur Notlösungen. So etwas funktioniert weder in der Wohnungspolitik in Berlin noch anderswo. Und man muss endlich die Mietkultur stärken, so wie ich es zum Beispiel in Belgien gesehen habe. Und dafür muss man auf die Eigentümer zugehen.

Was würden Sie mit der Touristensteuer machen? Die PP hat sie inzwischen akzeptiert.

Wir lehnen eine Abgabe für Urlauber ab. Eine solche gibt es zwar in europäischen Städten, aber das sind keine Konkurrenzdestinationen. Die Abgabe darf auch nicht missbraucht werden, um Haushaltslöcher zu stopfen.

Thema Sprachkonflikt. Sie melden sich im Balearen-Parlament meistens auf Spanisch statt auf Mallorquinisch zu Wort. Warum?

Ich bin zweisprachig, mein Vater ist Mallorquiner, aber meine Muttersprache ist eher Spanisch. Auf Pressekonferenzen oder beim Regionalsender IB3 spreche ich Mallorquinisch, im Parlament meistens Spanisch. Diese Freiheit nehme ich mir.

Ist die mallorquinische Sprache in Gefahr?

Das Mallorquinische ist eher durch das Katalanische als durch das Spanische bedroht, würde ich sagen. Beschützt werden müssen die Rechte von Personen. Sprachen an sich haben keine Rechte. Ich will die Zweisprachigkeit im Bildungssystem. Auf den Balearen ist wegen des Katalanischen nicht genügend Raum für Fremdsprachen. Ich will ein Nebeneinander der Sprachen, auch in der öffentlichen Verwaltung, sie sind eine Bereicherung.

Sie haben klargemacht, was Ihnen an Volkspartei (PP) und PSOE nicht gefällt. Welche Inhalte gefallen Ihnen denn?

Das hat mich bislang noch keiner gefragt. Bei den Sozialisten gefällt mir der Einsatz für die sozialen Freiheitsrechte, LGTBI, Sterbehilfe und Recht auf Abtreibung. Bei der PP tragen wir die liberale Wirtschaftspolitik mit, den Grundsatz der Nichtintervention.

Für die PP wären Sie ein wichtiger Mehrheitsbeschaffer. Wie verhält sich Parteiführerin Marga Prohens Ihnen gegenüber?

Die PP auf den Balearen hat eine Art feindliche Übernahme der Ciudadanos im Sinn. Es gibt Überläufer zur PP. Die Umgangsformen sind nicht die besten. Aber inhaltlich gibt es natürlich Schnittmengen.

Schließen Sie aus, eine Koalition mitzutragen, in der die Rechtspartei Vox vertreten ist?

Selbstverständlich. Vox ist für mich eine extreme, antiliberale Partei.

In Deutschland reagieren die Liberalen zusammen mit Sozialdemokraten und Grünen. Welchen Eindruck haben Sie davon?

Die FDP hat uns viel bei der Neuausrichtung geholfen, über die Friedrich-Naumann-Stiftung. Die FDP war aus dem Bundestag verschwunden, das war eine dramatische Entwicklung, von der wir lernen konnten. Wir freuen uns, dass sie wieder bei elf Prozent ist. Hätten wir statt den Sozialisten von Sánchez doch so etwas wie die deutschen Sozialdemokraten! Auf Kommunal- und Regionalebene ist es aber leichter, sich zu einigen.

Die Spitzenkandidatur für die Spanien-Wahlen Ende des Jahres soll im Juli entschieden werden. Stehen Sie bereit oder warten Sie erst mal ab, was von den Ciudadanos bei den Regionalwahlen übrig bleibt?

Meine Priorität sind erst einmal die Balearen. In der Partei sind wir uns im Klaren darüber, dass die Wahlen im Mai vielleicht nicht der Matchball, aber sehr wohl ein Satzball sind. Die Wiedergeburt der Ciudadanos hängt an diesen Kommunal- und Regionalwahlen.

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