Wahlen auf Mallorca: Lässt sich Marga Prohens auf die Rechtspartei Vox ein?

Die PP hat die Wahlen klar gewonnen, aber keine absolute Mehrheit. Jetzt geht es darum, zu verhandeln. In manchen Punkten hält sich die PP bewusst vage

Marga Prohens will regieren.   | FOTO:  CATI CLADERA/EFE

Marga Prohens will regieren. | FOTO: CATI CLADERA/EFE / Frank Feldmeier

Frank Feldmeier

Frank Feldmeier

Im Wahlkampf mangelte es nicht an Ankündigungen, Versprechen und Ideen für die neue Legislaturperiode. Mit einer Antwort hielt Spitzenkandidatin Marga Prohens aber hinter dem Berg: Wie würde es die konservative Volkspartei (PP) im Fall eines Sieges mit der Rechtspartei Vox halten? Sie setze auf eine eigene Mehrheit, hieß es lapidar. Und auch wenn Prohens trotz ihres deutlichen Sieges bei den Regionalwahlen am vergangenen Sonntag nun über keine absolute Mehrheit im Balearen-Parlament verfügt, setzt die designierte Ministerpräsidentin weiter auf diese Strategie: regieren ja, koalieren nein. Diese Strategie könnte sogar aufgehen – wenn denn Vox mitspielt.

Klar ist: Es gibt keine Alternative zu Prohens. Die Linkskoalition der scheidenden Ministerpräsidentin Francina Armengol verfügt nicht mehr über eine eigene Mehrheit im Balearen-Parlament. Und es existiert ohne El Pi auch keine Formation mehr in der politischen Mitte, die als Zünglein an der Waage fungieren könnte. Stattdessen ist da nur eine deutlich erstarkte Vox, die vor der Wahl stehen wird, die Konditionen der PP für den Machtwechsel zu akzeptieren – oder gegen diesen zu stimmen und damit möglicherweise sogar Neuwahlen zu erzwingen.

Vorbild Kastilien-León?

Die Rechtspartei hat ihre Vorstellung bereits in der Wahlnacht klar formuliert. „Wir sind ausschlaggebend für eine Regierung, die mit der linken Politik aufräumt“, so Spitzenkandidat Jorge Campos. Das Stichwort lautet Kastilien-León. In der Region regiert die PP seit mehr als einem Jahr mit Vox in einer Koalition und hat das Amt des stellvertretenden Premiers sowie drei Ministerien an den Juniorpartner abgegeben – ein Novum in Spanien, das Prohens auf den Balearen nicht nachahmen will. Ihr Ziel ist stattdessen – so der Tenor in den mallorquinischen Medien nach dem Wahltag – eine Minderheitsregierung, die nur punktuell auf die Unterstützung von Vox oder auch anderen Parteien angewiesen sein soll.

Wahlsiegerin Marga Prohens lässt sich von ihren Anhängern an der Parteizentrale feiern.

Wahlsiegerin Marga Prohens lässt sich von ihren Anhängern an der Parteizentrale feiern. / Johannes Krayer

Für ein solches Vorgehen sprechen aus Perspektive der PP mehrere Gründe. Da wären zum einen die klaren Mehrheitsverhältnisse sowie die spanische Demokratie, in der Minderheitsregierungen generell leichter zu bewerkstelligen und üblicher sind als etwa in Deutschland. So benötigt Prohens für die Wahl zur Ministerpräsidentin im Balearen-Parlament nur im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit der Stimmen. Bereits im zweiten reicht eine einfache Mehrheit (mehr Ja- als Nein-Stimmen). Würde sich also Vox auf eine Enthaltung einlassen, stünde der Wahl nichts im Wege, da die Linksparteien – genauso wie die PP – zusammen auf 25 Sitze kommen und das auf die Nachbarinsel Formentera entfallende Mandat an die PP-nahe Formation Sa Unió gegangen ist.

Es gäbe sogar noch einen Plan B: Man könne sich vorstellen, die Wahl von Prohens zu ermöglichen, wenn auf diese Weise Vox außen vor bleibe, so Lluís Apesteguia, Chef der links-ökologischen Regionalpartei Més per Mallorca, Juniorpartner im bisherigen Linksbündnis. Im Rahmen eines parteiübergreifenden „Demokratiepakts“ würde man ein solches Vorgehen prüfen und „Haltung zeigen“, so Apesteguia.

In einer Minderheitsregierung würde die PP auch öffentliche Konflikte mit einer Partei verhindern, die bislang eher für Provokation denn Pragmatismus steht. Gerade im Bereich der Sprachpolitik drohte angesichts des strammen Anti-Katalanisch-Kurses von Vox beständiger Ärger. Die für eine Koalition nötigen Kompromisse würden darüber hinaus durch die vorgezogenen Spanien-Wahlen erschwert. Premier Pedro Sánchez verkündete am Montag überraschend den 23. Juli als Termin. Die Konstituierung des neuen Balearen-Parlaments fällt somit praktisch in die Zeit des Wahlkampfs für den spanienweiten Urnengang.

Wo die Reise hingeht

Frühere Machtwechsel brachten radikale Kurswechsel mit sich, und auch jetzt wird in zentralen Fragen mehr als nur ein neuer Wind wehen. Das machte etwa die fast schon euphorische Reaktion der Hoteliers deutlich. In einer internen Handynachricht freute sich Branchensprecherin Maria Frontera, dass man nun wieder „ohne Interventionismus der Landesregierung“ seine Arbeit machen und „wachsen“ könne. Die PP versprach in ihrem Wahlprogramm, das bestehende Moratorium für die noch verfügbaren Gästebetten auf den Balearen aufzuheben sowie mehr Flexibilität bei der Genehmigung von Investitionen und Umwidmungen.

Dehm-Chefin Maria Frontera kritisierte den überfüllten öffentlichen Nahverkehr

Dehm-Chefin Maria Frontera kritisierte den überfüllten öffentlichen Nahverkehr / Fehm

Offene Freude herrscht auch bei den Ferienvermietern. Mit Iago Negueruela trete der „schlechteste balearische Tourismusminister der Geschichte“ ab, heißt es in einer Mitteilung von Habtur vom Dienstag. Der Branchenverband hofft auf einen „radikalen Wandel“ im Umgang mit der Ferienvermietung, konkret ein Ende der Verbotszonen und die Freigabe eingefrorener Gästebetten. Die PP hatte im Wahlkampf angekündigt, künftig die jeweilige Gemeinde über die Vergabe neuer Lizenzen entscheiden zu lassen.

Bei der Bekämpfung der Wohnungsnot ist die durch ein neues Gesetz in Spanien vorgesehene Mietbremse raus aus dem Spiel. Statt staatlicher Interventionismus – erinnert sei auch an die Debatte um ein Limit beim Hauskauf durch Nicht-Residenten – soll nach PP-Lesart die Fiskalpolitik für mehr bezahlbaren Wohnraum sorgen. Geplant sind Steuererleichterungen für Langzeitvermieter, aber auch für junge Wohnungskäufer.

Ohnehin war eine große Reform der Einkommensteuer, die 80 Prozent der Bevölkerung zugutekomme, Dreh- und Angelpunkt der Wahlkampagne. Bis auf Einzelfälle ganz ausgesetzt werden soll auf den Balearen darüber hinaus die Erbschaftsteuer, nach und nach zurückgefahren die Vermögensteuer.

Das Thema Katalanisch

Themen, die Vox im Wahlkampf in den Vordergrund gestellt hat, kommen bei der PP zum Teil nur am Rande vor. Dazu gehört vor allem die Sprachpolitik. Ging es der Linksregierung um eine bewusste Förderung des Katalanischen, spricht die Volkspartei im Wahlprogramm von einem „Gleichgewicht“ beider Amtssprachen im öffentlichen Bildungssystem und in der Verwaltung. Katalanisch-Kenntnisse dürften im öffentlichen Gesundheitssystem bald nur noch Pluspunkt, aber keine Zugangsvoraussetzung mehr sein. Ansonsten wird die Volkspartei bemüht sein, bei dem Thema den Ball flach zu halten – die Lehrergewerkschaften erinnern dieser Tage nicht ohne Grund daran, dass der Sprachkonflikt maßgeblich zur Abwahl der PP-Regierung von José Ramón Bauzá im Jahr 2015 beigetragen haben dürfte.

José Ramón Bauzá soll einen Mitarbeiter gemobbt haben.

José Ramón Bauzá soll einen Mitarbeiter gemobbt haben. / DM

Vorsorglich bringen sich zudem die Umweltschutzverbände in Stellung. „Wenn die künftige Regierung versucht, Autobahnprojekte wieder aus der Versenkung zu holen, wird sie auf unseren frontalen Widerstand stoßen“, kündigte Gob-Präsident Amadeu Corbera in einer Mitteilung an. Im Wahlprogramm der PP finden sich vor allem Projekte zur Förderung des öffentlichen Nahverkehrs sowie eine vage Formulierung zur „Verbesserung des Straßennetzes für weniger Staus und mehr Sicherheit“, während Vox offen eine Verlängerung der Inca-Autobahn bis Alcúdia fordert. Und hinsichtlich der von der Linksregierung geplanten Straßenbahn zum Flughafen oder der Reaktivierung der Eisenbahnlinie Manacor-Artà gibt es bislang keine klare Ansage von der PP. Investitionen in die Schiene seien geplant „in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit staatlicher Mittel, der Nachfrage und sozialem Konsens“.

Auch beim Landschaftsschutz will der Gob wachsam sein. Die Warnung vor einer Mobilisierung der Gesellschaft gelte auch für das Thema Bauland, das die Linksregierung in den vergangenen Jahren umgewidmet hat, damit dort keine Häuser mehr entstehen können, so Corbera. Er glaube aber an die gemäßigte Haltung von Prohens. Angekündigt hat die PP zumindest Lockerungen bei den Limits für die maximale Bebauung von Fincas auf dem Land.

Wunden lecken

Während die PP ihren Sieg ausgiebig feiert, werden bei den Parteien im linken Lager die Wunden geleckt und die Gründe für das teils miserable Abschneiden analysiert. Das gilt vor allem für Podemos. Der Partei, die nun in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden droht, dürfte die Wechselstimmung in Gesamtspanien zum Verhängnis geworden sein. Wen interessierte die Energiepolitik oder die Vergangenheitsbewältigung auf den Balearen, wenn die Parteikollegen in Madrid ein schlechtes Bild bei der Reform des Sexualstrafrechts abgaben oder sich in Genderdebatten verbissen? Hinzu kommt, dass der charismatische Richter Juan Pedro Yllanes als Spitzenkandidat von Podemos auf den Inseln ausschied und das Feld mit Antònia Jover einer weitgehend unbekannten Spitzenkandidatin überließ.

Vizepräsident der Balearen-Regierung: Juan Pedro Yllanes.

Vizepräsident der Balearen-Regierung: Juan Pedro Yllanes. / G. Bosch

Schlechter erging es am Wahltag nur den liberalen Ciudadanos – mit dem Unterschied, dass deren Krise schon länger anhält und mit ihrem Verschwinden aus allen Insel-Institutionen ohnehin gerechnet worden war. Die Stimmen, die bislang auf die Ciudadanos entfielen, dürften am vergangenen Sonntag vollständig bei der Volkspartei und bei Vox gelandet sein.

Auch die regionale Zentrumspartei El Pi ist in eine Existenzkrise geschlittert. Sie hatte zwar eine inhaltsorientierte, pragmatische Politik verfolgt, aber letztendlich nicht vermittelt, für was sie genau steht. Die linke Regionalpartei Més per Mallorca dagegen hat ihre Sitze verteidigt – es hat sich offenbar ausgezahlt, dass sie in der Linksregierung auf Kosten des Koalitionsfriedens immer wieder Profil gezeigt hatte. In der Opposition muss sie nun keine Kompromisse mehr eingehen, die sie ihren Wählern nur schwer vermitteln konnte.

Was macht Francina Armengol?

Die Sozialisten müssen ebenfalls nur geringe Verluste hinnehmen. Francina Armengol kann vor allem deswegen nicht ein drittes Mal Ministerpräsidentin werden, weil einer ihrer beiden Juniorpartner fast von der politischen Bühne verschwunden ist. Allerdings müssen sich die Sozialisten die Frage stellen lassen, warum sie nicht von den Stimmen gefrusteter Podemos-Wähler profitiert haben.

Die balearische Ministerpräsidentin Francina Armengol

Die balearische Ministerpräsidentin Francina Armengol / B. Ramon

Statt Fehleranalyse steht aber erst einmal Wahlkampf für den 23. Juli an, die Kandidaten für das spanische Parlament müssen in Kürze aufgestellt werden. Und hieraus könnte sich auch eine neue Herausforderung für Armengol ergeben: Nach acht Jahren an der Spitze der Landesregierung wird die Sozialistin als mögliche Spitzenkandidatin auf der Balearen-Liste für die Spanien-Wahlen gehandelt. Die Mission: einen Machtwechsel, wie er auf den Balearen passiert ist, in Gesamtspanien verhindern.

Armengols designierte Nachfolgerin im Amt ließ sich unterdessen von ihren Parteikollegen in Madrid feiern, mit denen sie sich am Dienstag für die weitere Strategie zusammensetzte. PP-Spanien-Chef Alberto Núñez Feijóo lasse ihr freie Hand, so Prohens. In den kommenden Tagen werde sie sich mit Vertretern aller Parteien treffen, um über ihre Wahl zur Ministerpräsidentin zu verhandeln. Dabei gehe es um das Wie, nicht um das Ob: „Es gibt keine Alternative zur Volkspartei.“

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