Am Rande des Parteitags des andalusischen Landesverbands der konservativen Volkspartei (PP) in Granada besuchte der Vorsitzende Pablo Casado mit seiner Familie eine Messe in einer Seitenkirche der Kathedrale. Einige Teilnehmer nutzten die Zeremonie für eine Huldigung des Diktators Francisco Franco, dessen Todestag sich am Samstag (20.11.) vergangener Woche jährte. Der Oppositionschef sei rein zufällig in die Kirche eingetreten und hätte von den Aktionen der Franco-Nostalgiker nichts gewusst und auch gar nichts mitbekommen, hieß es seitens der PP. Casado selbst äußerte sich nicht zu dem Vorfall, der bei anderen Parteien für heftige Kritik sorgte.

Die Panne in Granada ist bezeichnend für die Situation des 40-jährigen Parteivorsitzenden. Er versucht seit drei Jahren überall Präsenz zu zeigen, ohne jedoch einen klaren ideologischen Kurs erkennen zu lassen. Das spielt seiner parteiinternen Rivalin Isabel Díaz Ayuso in die Karten. Die Ministerpräsidentin der Autonomen Region Madrid ist seit ihrem überzeugenden Wahlsieg im Mai dieses Jahres zum Star der Konservativen aufgestiegen und untergräbt regelmäßig die Autorität des Parteichefs. Am vergangenen Wochenende in Granada erreichte der Machtkampf einen vorläufig neuen Höhepunkt.

Das rechte Lager wiedervereinen

Casado war 2018 etwas überraschend zum Nachfolger von Mariano Rajoy an der Spitze der PP gewählt worden, nachdem der Ministerpräsident vom Sozialisten Pedro Sánchez durch ein konstruktives Misstrauensvotum an der Macht abgelöst worden war. Seitdem hat sich der Madrilene die Wiedervereinigung des politischen Lagers rechts der Mitte zur Aufgabe gemacht. Das bedeutet in der Praxis, dass er einerseits der rechtsextremen Vox das Wasser abgraben und andererseits den nationalliberalen Ciudadanos, die sich im freien Fall befinden, die Wähler abjagen muss. Dieser Spagat kann mitunter zu ideologischen Verrenkungen führen.

Doch in vielen Umfragen liegt die PP von Casado derzeit vor den Sozialisten von Spaniens Regierungschef Sánchez. Gleich mehrere Krisen – Energiepreise, Inflation, Pandemie – schüren die Unzufriedenheit im Lande, auch wenn viele von ihnen nicht hausgemacht sind. Es ist eine Steilvorlage für Casado, der sich dieser Tage in Demonstrationen der Polizisten gegen die Aufweichung eines Sicherheitsgesetzes oder der Landwirte gegen die Kostenexplosion einreiht. Eigentlich gute Zeiten für den Oppositionsführer.

Wäre da nicht Díaz Ayuso. Die 43-jährige Madrilenin war einst eine enge Vertraute von Casado, als beide noch im zweiten oder dritten Glied der PP standen. Sie verdankt ihren Posten dem PP-Chef, der sie 2019 als Spitzenkandidatin in Madrid aufstellte. Díaz Ayuso wurde nur dank eines Abkommens mit den Ciudadanos und mit Vox Regierungschefin der Hauptstadtregion. Doch im Frühjahr rief sie vorgezogene Neuwahlen aus und erreichte beinahe die absolute Mehrheit. Ihre Kampagne war auf den Frust der Gesellschaft über die Corona-Beschränkungen gebaut. Im Gegensatz zu allen anderen Landesteilen galten in Madrid eher lockere Auflagen. So durften etwa Bars und Restaurants länger geöffnet bleiben. Das schlachtete Díaz Ayuso dann unter dem Motto Libertad (Freiheit) politisch aus.

Auch in wirtschaftspolitischen Fragen positioniert sich die Ministerpräsidentin Madrids als libertärer Gegenpol zur „sozialkommunistischen“ Regierung von Spanien-Premier Sánchez. Das kommt in weiten Teilen der PP und der konservativen Anhängerschaft gut an. Auf Veranstaltungen wie dem Parteitag in Granada wird Díaz Ayuso bejubelt, mitunter sogar mit zweideutigen Rufen wie „presidenta, presidenta“.

In dem Zweikampf geht es nun um die Macht in Madrid. Díaz Ayuso will den Landesverband der PP in der Hauptstadt übernehmen und drängt Casado dazu, den Parteitag für die Wahl vorzuziehen. Doch der Vorsitzende will den einflussreichen Posten in Madrid lieber dem gefügigeren Bürgermeister der Hauptstadt, José Luis Martínez-Almeida, anvertrauen. Casado kennt nur zu gut die Probleme seines Vorgängers Rajoy mit der einst mächtigen Landeschefin von Madrid, Esperanza Aguirre, die an dessen Sessel sägte.

Keine Talentshow, bitte!

Nachdem die Konservativen die Rivalität zwischen Casado und Díaz Ayuso lange herunterspielten, brach der Streit auf dem Parteitag in Andalusien offen aus. In ihrer Rede gab die Ministerpräsidentin ihrem andalusischen Amtskollegen und Parteifreund Juan Manuel Moreno Bonilla den Rat, bei der Entscheidung über die Einberufung von Neuwahlen nicht auf die Parteizentrale zu hören. „Wer wie eine Marionette handelt, wird verschlissen“, so Díaz Ayuso. Diese Worte zwangen sowohl den direkt angesprochenen Moreno Bonilla, als auch die PP-Spitze zu der Klarstellung, dass der Andalusier selbstverständlich völlig frei in seinen Entscheidungen sei. Doch der Schaden war bereits angerichtet. Zumal neben der unbequemen Madrider Regierungschefin auch noch Beschuss aus einer anderen Ecke kam. Cayetana Álvarez de Toledo, die von Casado zur Fraktionssprecherin der PP im Parlament erkoren worden war und im August wieder abgesetzt wurde, wettert in einem just dieser Tage erschienenen Buch gegen die PP-Spitze und zweifelt Casados Intelligenz wie auch Willensstärke an.

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Zum Abschluss der dreitägigen Veranstaltung in Granada machte Casado dann aus seinem Frust über die internen Querschläger keinen Hehl mehr. „Selbstsucht hat keinen Platz in der PP“, erklärte der Vorsitzende. „Das hier ist keine Talentshow für Größenwahn.“

Díaz Ayuso ruderte am Montag nach dem Parteitag ein Stück zurück. „Ein eigenes Kriterium zu haben, bedeutet nicht, illoyal zu sein“, sagte sie im Staatsfernsehen TVE. Die Wähler der rechten Mitte würden nicht verstehen, was in der PP vorginge, schob sie hinterher, als ob die Sache nichts mit ihr zu tun habe.