Spanien hat vergangene Woche ein neues Sexualstrafrecht verabschiedet. Die für das so genannte "Nur Ja ist Ja"-Gesetz zuständige Gleichstellungsministerin Irene Montero feierte die Billigung durch das Parlament und erklärte, es sei "ein entscheidender Schritt zur Veränderung der sexuellen Kultur" Spaniens sowie zur Beendigung des "sexuellen Terrors" und der "Vergewaltigungskultur".

Das Gesetz muss noch durch den spanischen Senat und ist deshalb noch nicht in seiner Gänze publiziert. Dennoch sind wesentliche Eckpunkte schon jetzt bekannt. Die Aufhebung des Unterschieds zwischen Missbrauch und Vergewaltigung ist sicherlich der in den Medien am meisten besprochene Aspekt des Gesetzes. Aber auch eine Definition von Einwilligung, eine Ausweitung des Straftatbestands der Belästigung und das Teilen von intimen Fotos und Videos werden nach dem aktuellen Stand vom Gesetz aufgegriffen.

Die Einwilligung

Zentral ist bei dem neuen Gesetz die Frage der Einwilligung aller beteiligten Personen: "Eine Einwilligung liegt nur dann vor, wenn sie aus freien Stücken durch Handlungen erteilt wurde, die unter Berücksichtigung der Umstände des Falles eindeutig den Willen der Person zum Ausdruck bringen", heißt es. Mit anderen Worten: die Zustimmung muss aktiv erfolgen. Schweigen, Passivität oder ausbleibender Widerstand können nicht mehr als stillschweigende Zustimmung gewertet werden. Der Gesetzgeber erkennt damit an, dass es Opfer von sexuellen Übergriffen gibt, die sich aus verschiedenen Gründen wie Angst oder Einschüchterung nicht körperlich wehren.

Für den mallorquinischen Strafrechtsanwalt Eduardo Luna wird dieser Passus die Gerichte vor Herausforderungen stellen, weil alles andere als ein ausgesprochenes "Ja" oder "Ich will" nicht als eindeutige Zustimmung gewertet werden kann. "Wie kann man unmissverständlich Einwilligung signalisieren, wenn man es nicht explizit sagt?", sagte er gegenüber der MZ. Die Zustimmung müsse also in Zukunft verbalisiert werden. Inwieweit das in der Praxis umsetzbar sei, gerade wenn Alkohol im Spiel sei, ist für Luna fraglich.

Die "Süddeutsche Zeitung" kommentiert die neue Definition von Einwilligung hingegen positiv: "Für viele mag es ungewohnt, für manche nach einer Art Bürokratisierung intimster Angelegenheiten klingen. Ist das nicht eine große Entzauberung, wenn Andeutungen, Gesten, Schritte der Intimität einer Art Absegnungsprotokoll unterworfen werden müssen, um nicht justiziabel zu werden? Nun, eine Gegenfrage: Was genau ist daran so zauberhaft, einfach mal darauflos zu sexen und zu hoffen, dass es für den anderen schon okay sein wird, oder im Zweifel diese Frage einfach auszublenden?"

Sexuelle Belästigung und Komplimente

Ein Novum ist die strafrechtliche Verfolgung von sexuellen Äußerungen, Komplimenten oder Verhaltensweisen, "die eine objektiv erniedrigende, feindselige oder einschüchternde Situation für das Opfer schaffen". Sie haben eine Geldstrafe, gemeinnützige Arbeit oder Hausarrest zur Folge. Damit ein solcher Vorfall verfolgt wird, muss die betroffene Person eine Anzeige stellen.

Für Eduardo Luna ist dieser Passus des Gesetzes ein Fortschritt, weil er den Rahmen, was Belästigung darstellt, ausweite. "Bislang musste Belästigung sich durch drastische Einschnitte in das Leben der Opfer ausdrücken. Etwa wenn sie aufgrund der Handlungen der Täter die Telefonnummer oder gar den Wohnort wechseln mussten." Jetzt reiche es, wenn das belästigende Verhalten wiederholt oder über einen längeren Zeitraum gezeigt werde. "Wenn man einer Frau auf der Straße einmal 'guapa' hinterherruft, wird das nicht bestraft. Wer aber einer Frau hinterherläuft und sie nicht in Ruhe lässt, kann angezeigt werden."

Verbreiten von Fotos und Videos

Die Verbreitung privater Fotos und Videos mit sexuellem Inhalt ohne Zustimmung der dargestellen Person(en) wird mit einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe geahndet. Auch das Teilen oder Weiterleiten solcher Bilder über Messenger-Dienste wie WhatsApp, die man von anderen geschickt bekommen hat, kann eine Geldstrafe nach sich ziehen.

Kein Unterschied zwischen Vergewaltigung und Missbrauch

Das neue Paragraphenwerk hebt die Unterscheidung zwischen Missbrauch und Aggression auf. Sexuelle Übergriffe werden nach dem Inkrafttreten als Vergewaltigung betrachtet werden - egal ob das Opfer sich wehrt oder eine Handlung aus Angst geschehen lässt. Auf Vergewaltigung und sexuelle Gewalt werden dann bis zu 15 Jahre Haft stehen. Als besonders schwerwiegend sollen dabei Fälle gewertet werden, in denen mehr als ein Täter an der Tat beteiligt war, das Opfer mit Drogen und Medikamenten gefügig gemacht wurde oder es sich dabei um einen Partner oder Ex-Partner des Täters handelt. (mit dpa)