Kaffee statt Red Bull: Wie Mallorcas Radfahrer die Branche aufmischen wollen

Das Radteam der mallorquinischen Rösterei Arabay wagt den Aufstieg in den Profibereich

Lluis Mas gibt einem Arabay-Fahrer ein Getränk.

Lluis Mas gibt einem Arabay-Fahrer ein Getränk. / Arabay

Ralf Petzold

Ralf Petzold

Die Deutschen setzen im Radsport auf Energy Drinks, die Mallorquiner auf Kaffee. Während Deutschlands Elite-Rennstall Bora-hansgrohe vom Getränkekonzern Red Bull übernommen wurde, will es die Inselrösterei Arabay mit einem selbst gegründeten Team in die Spitzenkategorie schaffen. „Die Liebe der Profi-Radfahrer zum Kaffee war tatsächlich einer der Auslöser“, sagt Firmenchef Toni Vallcaneras. „Koffein ist eine legale Droge, die die Leistung steigert.“ Nach vier Jahren im Amateurbereich haben die Arabay-Radler in dieser Saison den Sprung in die drittklassige Profi-Kategorie der Continental Teams gewagt.

Vallcaneras reichte die notwendigen Unterlagen zum Stichtag Ende Oktober ein. „Ich hatte gepokert. Zu dem Zeitpunkt hatte ich nur die Hälfte der notwendigen Sponsorengelder eingesammelt.“ 20 Geldgeber stecken hinter dem Projekt, neben Arabay ist die Balearen-Regierung der zweite Hauptsponsor. Dass es gerade in dieser Saison der Aufstieg sein sollte, liegt an Lluís Mas. Der ehemalige Radprofi beendete im Herbst seine aktive Karriere und ist der zweite Kopf hinter dem Inselteam. Vallcaneras kümmert sich um die Finanzen, Mas um den sportlichen Bereich.

Ein Radsportteam kostet mehr Geld als man denkt

Wobei die Kompetenzen ineinandergreifen. Schließlich muss der Kaffeechef absegnen, ob sich das Team einen Neuzugang unter den Radfahrern überhaupt leisten kann. Um genug Geld zusammenzukratzen, kündigte Arabay alle anderen Sponsorenverträge. So auch mit Movistar, Spaniens einzigem UCI World Team. „Einerseits fährt Lluis nun nicht mehr dort, andererseits wollen wir ihnen bald den Rang streitig machen“, sagt Vallcaneras.

Knapp eine Million Euro beträgt das Budget nun. „Es kommen immer wieder Kosten auf uns zu, mit denen wir vorher nicht gerechnet hatten“, sagt Vallcaneras. Zum Beispiel der Teambus. 20.000 Euro für den Einbau eines Bads, einer Waschmaschine und eines Trockners. „Bei der Regeneration der Sportler kommt es auf jede Minute an. Da macht es einen großen Unterschied, ob sich ein Radfahrer direkt im Bus hinter der Ziellinie duschen kann oder erst stundenlang verschwitzt ins Teamhotel fahren muss“, sagt Mas.

Der Kampf um die TV-Bilder

Der 34-Jährige aus Ses Salines steuert bei den Rennen das Begleitfahrzeug und tüftelt die Teamtaktik aus. „Es gibt bei den Wettkämpfen meist zwei unterschiedliche Rennen: Die eine Gruppe kämpft um den Sieg, die andere darum, die Ausreißergruppe zu stellen“, so Mas. Für die Sponsoren ist es wichtig, dass Radfahrer und Logos im Fernsehen zu sehen sind. „Von den spanischen Profiteams liegen wir bei der Übertragungszeit derzeit hinter Movistar auf dem zweiten Platz“, sagt Mas.

Dabei ist es gar nicht so einfach, den Ausreißer zu stellen. Den Plan, es auf die Bildschirme zu schaffen, haben auch alle anderen Teams. „Das Peloton lässt die Ausreißer meist drei bis vier Minuten entkommen. Die Zeit kann man im Normalfall aufholen“, sagt Mas. Besonders attraktiv seien Bergetappen. Bei den schweren Strecken teilt sich das Hauptfeld oft auf und die Chance erhöht sich, dass ein Ausreißer den Vorsprung bis ins Ziel retten kann. Der Etappensieg ist dann der Jackpot. „Wir treten mit bis zu sieben Fahrern an, drei bis vier reißen in der Regel aus“, sagt Mas.

Das verdienen die Radfahrer auf Mallorca

Das Arabay-Team sieht sich als Sprungbrett zwischen den Amateur-Rennställen und den Profis. Die meisten Fahrer sind Anfang 20 und Spanier. Wer Neuling in der Branche ist, bekommt den spanischen Mindestlohn in Höhe von 1.134 Euro, bei 14 Gehältern. Wer von einem anderen Profi-Verein dazugestoßen ist, erhält einen Bonus in Höhe von 40 Prozent. Der US-Amerikaner Andrew Vollmer und der Holländer Alex Molenaar sind die Stars von Arabay. „Molenaar wird 2024 Etappen gewinnen, jede Wette“, sagt Vallcaneras. Der Fahrer aus den USA war hingegen eine Empfehlung der Scoutingabteilung des World-Tour-Teams Lidl-Trek. „Für sie reicht es noch nicht, sie wollen ihn aber bei uns beobachten“, sagt Mas. Auch das ist eine kleine Lotterie. Einen Anschlussvertrag gibt es nicht. Bei Erfolg könnte der US-Amerikaner schnell wechseln. „Wenn ein großes Team ihn abwirbt, ist das aber Werbung für uns“, sagt Vallcaneras.

Dass es nur zwei Mallorquiner in den Profikader geschafft haben, liege an einer derzeit schwachen Inselgeneration. „Bei der Jugend rücken starke Nachwuchsfahrer nach. Das wird aber noch ein bis zwei Jahre dauern“, sagt Mas. Die Spanier würden meist etwas länger als andere europäische Radfahrer brauchen, bis sie auf ihrem Leistungsmaximum angekommen sind. Mittlerweile gehe die Tendenz im Radsport dahin, dass die jungen Leute mit 20 Jahren aussortiert werden, wenn sie keine Leistung bringen. Arabay will hingegen auch Spätzündern eine Chance geben.

System benachteiligt die Kleinen

Als Continental-Team darf der Inselclub nur an zweitklassigen Rennen teilnehmen. Die großen Touren wie die Vuelta sind derzeit nicht drin. Wobei der Kaffeechef schon vom nächsten Aufstieg in die zweitklassige Pro Continental Tour träumt: „30 bis 40 Prozent mehr Sponsoreneinnahmen, und wir sind dabei.“ Sportdirektor Mas tritt eher auf die Bremse und will das Team langsam und nachhaltig nach oben führen. Zumal die Teilnahmebedingungen an den Rennen 2025 verschärft werden. Der Radsportweltverband UCI setzt dann auf ein Punktesystem. Nur die besten 40 Teams werden zugelassen. „Das gab es früher schon. Ehrlich gesagt versteht niemand von uns, warum das nun wieder eingeführt wird“, sagt Mas und vergleicht es mit der geplanten Super League im Fußball. Das neue Format würde die großen Clubs begünstigen und Aufstiege kleiner Vereine erschweren.

Eigensinnige Insulaner

Die Radfahrer sammeln die Punkte durch Erfolge bei den Rennen und behalten das Konto ein Leben lang bei. Theoretisch könnte sich Arabay auch ein paar Altstars von der Insel ins Team holen. „Wir Mallorquiner sind wie alle Insulaner aber ein seltsames Völkchen und eigensinnig“, sagt Vallcaneras. Die Legenden könnten sich untereinander nicht ausstehen. „Das Interesse an einer Teilnahme besteht. Aber sie stellen Forderungen und sagen: Entweder ich oder der.“ Da hat der Teampräsident lieber allen abgesagt. „Wir ziehen das zu zweit durch.“

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