Von wegen Fehler behoben: Warum auf Mallorca bei Starkregen noch immer die Strände gesperrt werden müssen

Neue Rohre, neue Becken, neue Kläranlage – bis Palma sein Abwasserproblem wirklich in den Griff kriegt, wird noch viel Zeit vergehen. Wir wagen eine Bestandsaufnahme

Bereits neun Mal war das Baden in diesem Jahr an den Stadtstränden in Palma verboten.

Bereits neun Mal war das Baden in diesem Jahr an den Stadtstränden in Palma verboten. / B. Ramon

Alexandra Wilms

Alexandra Wilms

Das deutsche Kinderlied „Es regnet, es regnet …“ muss in Palma nach wie vor mit „… der Strand wird gesperrt“ zu Ende gesungen werden. Zumindest wenn es sich um Starkregenfälle handelt, bei denen in kurzer Zeit große Wassermassen vom Himmel fallen. Das geschieht normalerweise vor allem im Herbst, wenn sich die sogenannten Kaltlufttropfen über die Insel ergießen.

Doch das Wetter wird extremer. Und so hieß es zuletzt Anfang August, mitten in der Hochsaison, an den Stadtstränden der Inselhauptstadt wieder einmal „Baden verboten“, weil das überlastete System am Mix aus Regenwasser und ungeklärten Abwässern scheiterte und die mit Fäkalien verunreinigte Brühe direkt ins Meer floss. Es war bereits das neunte Mal in diesem Jahr.

Überlaufbecken löst das Problem nicht

Auch das im vergangenen Herbst in Betrieb genommene riesige Regenüberlaufbecken im Stadtteil Coll d’en Rebassa hat das Problem, anders als erwartet und teils angekündigt, nicht gelöst. Dabei erfülle das Überlaufbecken durchaus seine Funktion, so Emaya-Chef Lorenzo Morey, der seit Juli im Amt ist, gegenüber der MZ: „Die neue Einrichtung verhinderte, dass bei dem Starkregen vom 4. August 35.000 Kubikmeter verschmutztes Wasser ins Meer gelangten.“ Angesichts der Wassermassen war das leider zu wenig.

Nicht nur in der Bucht von Palma ein Problem

Auch anderswo auf Mallorca fließen ungeklärte Abwässer ins Meer, etwa vor Sóller und Pollença. Der Landesminister für Meer und Wasserzyklus Juan Manuel Lafuente erklärt eine „Null-Verklappung-Politik“ zum Ziel. „Wir arbeiten an einem Investitionsplan, um zu erreichen, dass nirgends auf den Inseln mehr ungeklärtes Abwasser ins Meer gelangt“, sagt er der MZ. Dazu sollen neben Geldern aus der Touristensteuer auch EU-Fördergelder und Mittel aus den Abwassertarifen genutzt werden. So sollen die Gemeinden zur Modernisierung des Leitungsnetzes jährlich 20 Millionen Euro bekommen – „nicht einmalig, sondern kontinuierlich“.

Es fehlen nach wie vor viele Bausteine, um die Verklappung von Schmutzwasser ins Meer zu verhindern, sagt nicht nur der von der neuen PP-Regierung berufene Morey. Auch die in der Vorgängerregierung zuständige Neus Truyol (Linkspartei Més per Mallorca) erinnert daran, dass das Becken nur ein Teil eines umfassenden Plans zur Sanierung von Palmas Kanalisations- und Abwassersystem ist.

Neus Truyol kann aufatmen.

Neus Truyol / DM

Nicht zu viel versprochen

Auf die Frage, ob die damalige linke Stadtregierung bei der Einweihung des Beckens zu viel versprochen habe, antwortet sie mit einem kategorischen Nein. „Wir haben gesagt, dass es 90 Prozent der Einleitungen an der Platja Can Pere Antoni (Stadtstrand vor dem Kongresszentrum, Anm. d. Red.) verhindert“, sagt sie. „Es fehlen nach wie vor die neue Kläranlage und andere Einrichtungen, die im von uns erarbeiteten Plan vorgesehen sind.“

Den Plan der Vorgängerregierung will Morey durchaus beibehalten, schließlich sei das Thema Wasserkreislauf ein komplexes und langfristiges – wie schon das Beispiel der Kläranlage zeigt.

Die Kläranlage

Dass EDAR II, die „jüngere“ von Palmas beiden Kläranlagen (Baujahr 1975) modernisiert und ausgebaut werden muss, steht seit Jahren fest. Doch wieso dauert das so lange? „Erst mal musste die Finanzierung geklärt werden. Und dann sind bei einer Anlage dieser Größenordnung in der öffentlichen Verwaltung juristische und umwelttechnische Gutachten nötig, die ebenfalls ihre Zeit brauchen“, sagt Truyol.

Die Finanzierung der 150 Millionen Euro teuren Anlage steht seit dem vergangenen Jahr, 80 Prozent der Gelder kommen aus EU-Fonds, die restlichen 20 übernimmt der Zentralstaat. Im kommenden Jahr sollen die Arbeiten nun endlich beginnen, die Kapazität der Anlage soll dann in rund fünf Jahren bei 135.000 Kubikmetern Wasser pro Tag liegen, fast doppelt so viel wie derzeit möglich.

Trennkanalisation

Doch auch die Kläranlage allein wird das Problem nicht lösen können. Es fehlt in weiten Teilen der Stadt nach wie vor an einer Trennkanalisation, in der Regen- und Abwasser durch unterschiedliche Leitungen fließen. Das relativ saubere Regenwasser kann dann bei Bedarf direkt ins Meer geleitet werden, ohne die Abläufe in der Kläranlage zu stören.

Entsprechende Projekte sind teilweise bereits in Gange, andere in der Planung. Im Gewerbegebiet von Son Castelló ist die Trennung der Kanalisation bereits zur Hälfte fertiggestellt, bis Mai 2025 sollen die insgesamt 12,5 Millionen Euro teuren Bauarbeiten fertig sein.

In drei Jahren alle Leitungen getrennt

Im kommenden Jahr beginnen die mit sechs Millionen Euro veranschlagten Arbeiten im sogenannten ensanche, dem Gebiet der historischen Stadterweiterung außerhalb des Innenstadtrings. Binnen drei Jahren sollen dann alle Leitungen, die zu den Avenidas führen, in Regen- und Abwasserleitungen getrennt sein.

Auch für die Altstadt gibt es ein entsprechendes Projekt für drei Millionen Euro – allerdings rechnet Morey hier mit einer Bauzeit von insgesamt 15 Jahren, da Denkmalschutz und enge Gassen die Arbeiten verkomplizieren.

Rückhaltebecken

Um den Wasserkreislauf zu optimieren, sind zudem weitere Regenrückhaltebecken nötig. Eines soll für rund 40 Millionen Euro gegenüber der Kathedrale auf Höhe des alten Zollgebäudes entstehen, ein weiteres in der Nähe des Marinestützpunkts bei Porto Pi.

Dort muss die Stadt sich allerdings erst mit der Hafenbehörde über den genauen Standort einig werden, Morey rechnet mit sechs bis acht Jahren Bauzeit.

Neue Leitung ins Meer

Einen weiteren Pfeiler des Systems bildet ein neues und längeres Leitungsrohr ins Meer. Erst in einer Entfernung von vier Kilometern vom Strand soll dann jenes gesäuberte Abwasser, das keinen anderen Zwecken mehr zugeführt werden kann, ins Meer gespült werden. Die dafür benötigten 40 Millionen Euro sind von der Zentralregierung zugesagt, im April soll das Projekt vorgestellt werden, fertig wird das neue Rohr frühestens im Oktober 2027.

Unter Meeresschützern ist das Projekt jedoch umstritten. „Wenn wir von ungeklärtem Wasser sprechen, dann stimmt das schon: Je weiter von der Küste entfernt es abgelassen wird, umso besser. Das offene Meer kann Verschmutzung besser absorbieren“, erklärt Aniol Esteban von der Meeresschutz-Stiftung Marilles. Allerdings müsse das Ziel doch lauten, dass überhaupt kein Schmutzwasser mehr ins Meer fließe. Nur in Ausnahmefällen wie bei Starkregen dürfe das Rohr zur Evakuierung der Wassermassen dienen.

Überwachung

Auch die moderne Technik soll beim Wassermanagement in Palma verstärkt zum Einsatz kommen. Mitte November wird die Zentralregierung in Madrid voraussichtlich ein Projekt der Stadt Palma genehmigen, das die Dauerbeobachtung des Systems erlaubt.

Lorenzo Morey verspricht sich von der flächendeckenden Installation von Sensoren und Messstationen zweierlei: „Zum einen können wir im Falle einer Strandsperrung schneller Entwarnung geben, weil wir nicht ständig vor Ort Proben entnehmen und analysieren müssen, ob die entsprechende Qualität wieder erreicht wird.“ Zum anderen erlaube die Überwachung auch eine komplettere Bestandsaufnahme. „So können wir schneller erkennen, welche Maßnahmen Priorität haben sollten, um künftige Einleitungen ins Meer zu verhindern“, sagt er.

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