Aus der Tourismusbranche ein Kreislaufsystem machen? Margalida Ramis, Sprecherin des GOB, der einflussreichsten Umweltschuztvereinigung auf Mallorca, ist skeptisch. Die MZ führte das Interview kurz vor der offiziellen Verkündung des Tourismusgesetzes am Freitag (11.2.)

Die Balearen-Regierung will die Inseln als erstes Kreislauf-Reiseziel verkaufen. Sie treten stark auf die Euphoriebremse. Warum?

Es ist doch so: Bisher war der Begriff Nachhaltigkeit in Mode. Aber jetzt, wo dieses Wort nicht mehr ganz so frisch und en vogue ist, kommt der Begriff Kreislauf in Mode. Es ist ein neues Narrativ für Verbesserungen, die bei gesundem Menschenverstand eigentlich längst hätten umgesetzt werden müssen. Jetzt werden sie als tolle Neuigkeiten verkauft. Für uns sind das absolut notwendige Korrekturen, aber sie reichen nicht. Natürlich sollten alle Hotels darauf bedacht sein, ihren Wasserverbrauch zu reduzieren, ihren CO2-Abdruck zu reduzieren oder ihren Müll zu recyceln. Außerdem sind wir der Meinung, dass diese überfälligen Dinge nicht mit öffentlichen Geldern bezahlt werden sollten, wie es jetzt mit den EU-Fonds Next Generation geplant ist. 

Bisher weiß doch niemand so genau, was die Regierung tatsächlich im Detail vorhat. Sollte man vor der Kritik nicht lieber erst einmal abwarten?

Es ist tatsächlich ein Problem, dass derzeit noch niemand den genauen Inhalt des Gesetzes kennt, es zirkulieren ein paar Entwürfe, aber nicht mehr. Ein großes Defizit ist aber – und das wissen wir bereits –, dass in dem Gesetzestext von Kreislaufsystemen der einzelnen Hotels die Rede ist, aber es nicht um ein Kreislaufsystem für die Tourismusbranche insgesamt geht. Das bräuchten wir aber jetzt dringend. Wir stehen an einem Punkt, an dem individuelle Verbesserungen nicht mehr ausreichen. Wir befinden uns in einem Klimanotstand. Das Gesetz ist nicht für die Herausforderungen gedacht, mit denen wir klarkommen müssen. Die einzige Chance, den Tourismus grundlegend zu ändern, wäre eine Änderung des Systems. Und das würde nur mit einer Politik des Schrumpfens funktionieren: also weniger Gästebetten. Aber davon will die Regierung ja überhaupt nichts wissen. 

Wir haben nun aber das Problem, dass es derzeit die Betten gibt und der Tourismus keinen Kreislauf darstellt. Muss es nicht jetzt darum gehen, zumindest in die Nähe eines Kreislaufsystems zu kommen?

Das sagt ja auch Toni Riera (einer der Ideengeber für das Gesetz, Anm. d. Red.), und da muss ich ihm natürlich recht geben. Ich sehe da auch durchaus Lösungsvorschläge seinerseits. Nicht so sehr, wie es mit dem Müll und dem Wasserverbrauch ablaufen soll, denn Recycling und Wassersparen sind ja längst Standard. Aber es ist sicher ein interessanter Ansatz, die heimische Landwirtschaft bei der Herstellung der Lebensmittel, die die Urlauber konsumieren, mehr einzubeziehen. Da werden wir sehen, wie viel im Endeffekt umgesetzt wird, aber es klingt auf jeden Fall gut. Toni Riera kann sich ja viele Branchen und Akteure vorstellen, die bei einem funktionierenden Kreislauf mitmischen müssen. Aber das funktioniert nicht von einem auf den anderen Tag. Da muss man schrittweise vorgehen. Ich wäre daher erst einmal für ein Gesetz, das Geld bereitstellt dafür, Mallorca und die Inseln in Sachen Lebensmitteln unabhängiger von Exporten zu machen, die Produktion frischer Lebensmittel auf der Insel zu erhöhen und damit die Bevölkerung hier zu versorgen. Im zweiten Schritt kann man dann schauen, wie weit die Produktion auch für die Urlauber reicht. 

Schauen wir in die Zukunft. Kann die Tourismusbranche überhaupt jemals ein vollständiger Kreislauf werden?

Ich bezweifle das stark. Das Konzept des Kreislaufs haben Umweltschützer geprägt. Es analysiert die Menge der Ressourcen, über die man verfügt und dann die Menge an Müll, die anfallen darf, damit die vorhandene Biosphäre sie verarbeiten kann. Natürlich kann man jetzt ein Hotel hernehmen und dessen Verbrauch immer weiter reduzieren und sich annähern, aber ein Hotel mit mehreren Hundert Gästebetten wird nie die Menge an verbrauchtem Wasser generieren können noch die benötigte Menge an Energie noch den verursachten Müll komplett wiederverwerten. Kein Hotel wird das schaffen. Also werden öffentliche Einrichtungen hergenommen, wie die Müllentsorgung, die öffentlichen Kläranlagen. Ein echter Kreislauf kann das nicht werden, denn wir haben nicht ein oder zwei Hotels auf der Insel, sondern 400.000 Gästebetten. Es ist also eine Perversion des Narrativs. Mallorca hat einfach wieder eine neue Marke hervorgebracht, unter der die Insel vermarktet werden kann.