Aufwertung der Urlaubsorte auf Mallorca: Ist Magaluf die bessere Playa de Palma?

Die Urlauberhochburg war jahrelang für ihre Exzesse berüchtigt. Doch plötzlich hört man kaum noch von Balconing oder Saufgelagen. Es habe sich tatsächlich etwas getan, sagen Vertreter aus Politik und Wirtschaft. Ein Ortsbesuch

Johannes Krayer

Johannes Krayer

Die Meldung vom Montag (14.8.) über eine blutige Schlägerei unter Urlaubern an der Partymeile Punta Ballena – sie wäre bisher ja typisch für Magaluf gewesen. Kaum jemand hätte sich gewundert. Die Polizeiberichte gaben in den vergangenen Jahren im Sommer quasi täglich neue Schauergeschichten in Bezug auf Gewalt, Balconing, Drogendelikte, sexuelle Übergriffe oder Saufgelage her.

Doch in diesem Jahr hat man bisher verhältnismäßig wenig Schreckensmeldungen aus der Partyhochburg gehört. Die letzte größere Schlägerei fand in Magaluf im Mai statt. Dafür kommen solche Schlagzeilen in diesem Sommer fast ausschließlich von der Playa de Palma.

Familiäre Atmosphäre am Strand von Magaluf.  | FOTO: NELE BENDGENS

Familiäre Atmosphäre am Strand von Magaluf. | FOTO: NELE BENDGENS / johannes krayer

Es hat sich etwas geändert in Magaluf. Das stellt man schnell fest, wenn man sich mitten in der Hochsaison in einer Nacht von Samstag auf Sonntag ins Getümmel stürzt. Als Erstes fällt auf, dass erstaunlich viele Paare mit Kinderwagen unterwegs sind. Auch etwas ältere Kinder schlendern nach Mitternacht noch mit ihren Eltern durch die Straßen des Ortes, in denen gleichzeitig die (weitgehend zivilisierte) Party läuft. Es ist ein friedliches Miteinander aus Familien, abenteuerlustigen jungen Menschen und hier und da Vertretern älterer Semester.

So benimmt man sich eher

Die im Zuge der Umgestaltung des Ortes in den vergangenen Jahren neu entstandenen Bars, Restaurants und öffentlichen Plätze geben ein beinahe edles Erscheinungsbild ab, Lichterketten sorgen für ein heimeliges Ambiente. Und die Menschen verhalten sich dementsprechend. Sicher, ein paar junge Männer grölen hier und da mal kurz, ein Italiener hat ein Megafon mitgebracht, aber kaum jemandem ist übermäßiger Alkoholkonsum anzumerken. Sich übergebende oder wild pinkelnde Partygänger? Fehlanzeige. Zumindest während der rund anderthalbstündigen MZ-Stichprobe in der Partymeile Punta Ballena und den angrenzenden Gebieten.

Magaluf – ist das inzwischen die gesittetere Möglichkeit, Urlaub und Party miteinander zu verbinden? Es deutet einiges darauf hin. In den vergangenen Jahren hat in der weiterhin eher britisch dominierten Urlauberhochburg ein stetiger Wandel hin zu einem anderen Publikum eingesetzt hat. Privatwirtschaft und öffentliche Verwaltung haben dafür an einem Strang gezogen.

Die Partymeile Punta Ballena Mitte Juli.  | FOTO: JUAN LUIS IGLESIAS

Die Partymeile Punta Ballena Mitte Juli. | FOTO: JUAN LUIS IGLESIAS / johannes krayer

Meliá machte den Anfang

Einer, der in diesen Prozess stark involviert war, ist der langjährige Bürgermeister der Gemeinde Calvià, Alfonso Rodríguez. Nach drei Amtszeiten kam er etwas überraschend nach den Kommunalwahlen im Mai mit seinen Sozialisten nicht mehr auf eine Regierungsmehrheit. Rodríguez verantwortete jahrelang direkt das Tourismus-Dezernat der Gemeinde und damit auch die Planungen zu den Umbauarbeiten in Magaluf.

Sie begannen bereits vor über zwölf Jahren und hingen eng mit den Bestrebungen der Hotelkette Meliá zusammen, deren sechs Häuser in Magaluf zu modernisieren. „Zunächst hatte Meliá uns den Plan für eine Renovierung des Sol Jamaica vorgelegt“, erinnert sich Rodríguez. Diesen Plan hätten die Hoteliers auf Anregung der Gemeindeverwaltung noch einmal nachgebessert, bevor er dann als Grundlage für die Umgestaltung des Ortskerns und der Strandpromenade diente. Letztere ist noch nicht abgeschlossen.

Zeitgleich berief die Gemeindeverwaltung ein Tourismusforum mit Hoteliers der Gegend ein und erklärte den Unternehmern die Pläne für die Investitionen der öffentlichen Hand. Nach und nach machten weitere Hoteliers mit, Meliá renovierte alle Hotels im Ort. Und es entstanden öffentliche Infrastrukturen, wie etwa der zentrale Platz am Hotel Meliá Calvia Beach, der sogenannte Momentum Plaza, dazu mehr Fußgängerzone, mehr Grünflächen. Meliá investierte eigenen Angaben zufolge insgesamt rund 250 Millionen Euro in Magaluf, die öffentliche Hand immerhin einen niedrigeren zweistelligen Millionenbetrag. „Wir mussten etwas tun, nachdem 2012, 2013 Magaluf auf dem absoluten Tiefpunkt angelangt war“, erzählt Altbürgermeister Rodríguez.

Vorgaben und Sanktionen

Angelockt durch die besseren Hotels und die schönere Umgebung legten sich auch die Gastronomen ins Zeug. Billige und nur auf schnellen Alkoholkonsum ausgelegte Angebote verschwanden, höherwertige Gastronomie und Nachtclubs siedelten sich an. So kam eines zum anderen, teils sicher auch durch politische Entscheidungen forciert. „Nicht zuletzt das Anti-Exzess-Dekret der Balearen-Regierung hat in Magaluf vieles verbessert“, erzählt der Sozialist Rodríguez. Das Dekret verbat in den Hotels All-inclusive-Angebote mit Alkohol rund um die Uhr, organisierte Kneipentouren sowie auch den Alkoholverkauf außerhalb des Gastgewerbes in den Abend- und Nachtstunden.

Entscheidend sei dabei gewesen, dass das Rathaus die Sanktionsverfahren selbst in die Hand nahm. Eigentlich ist dafür die Balearen-Regierung zuständig. Die ausgestellten Strafzettel gegen Hotels, Bars oder Geschäfte werden in der Gemeindeverwaltung bearbeitet und laufen nicht mit den Sanktionen aus Palma, Llucmajor und Sant Antoni de Portmany auf Ibiza alle bei der Landesregierung ein. „Das ist zwar für uns mehr Arbeit, beschleunigt aber insgesamt den Prozess, weil wir das Verfahren in der Hand haben“, berichtet Rodríguez. Es sei nicht der bequeme Weg, weil man Gefahr laufe, sich den Unmut der Unternehmer im Ort zuzuziehen. Aber man habe mit diesem Modell gute Erfahrungen gemacht. „Wir haben auch schon Lokale innerhalb von kurzer Zeit wegen Verstößen dichtgemacht“, berichtet der Sozialist.

Und die Unternehmer vor Ort scheinen durchaus Respekt vor der Entschlossenheit der Ortspolizei zu haben. Beim Ortsbesuch sticht ins Auge, dass keiner der Supermärkte oder Döner-Läden in der Punta Ballena Alkohol in den Kühlschränken stehen hat, geschweige denn verkauft. „Bier? Nein, das darf ich hier abends nicht mehr rausgeben“, sagt der Verkäufer eines Supermarkts. Auch versteckt habe er keines, versichert er glaubhaft. „Wenn die Polizei kommt, schließt sie meinen Laden. Das kann ich nicht riskieren.“ Und so kauft das junge Partyvolk in den Läden brav Coca-Cola, Eistee, Aquarius oder Energydrinks. Dazu passend fahren drei Autos der Ortspolizei auf der Punta Ballena vor. Fünf Polizisten und eine Polizistin steigen aus und mischen sich unter die Leute. Weitere Kollegen sind in Zivil unterwegs

Anderes Publikum

Ein paar Meter weiter sagt ein Döner-Verkäufer, dass die Saison in diesem Jahr „schwach“ ist. Es sei weniger los, dafür aber auch in Sachen Exzesse. „Das liegt daran, dass es deutlich weniger Engländer gibt in diesem Jahr. Dafür mehr Franzosen, Italiener und Schotten.“ Und tatsächlich: Auf der Straße hört man sehr viel Französisch, Italienisch, aber auch Spanisch.

Einen Wandel konstatieren auch die Unternehmer, wenngleich nicht so deutlich wie Alfonso Rodríguez. Der Hotelier Christoph Gräwert, Direktor des direkt neben dem Tanztempel BCM liegenden Hotel Samos, lobt zwar die Bemühungen der früheren Gemeinderegierung um einen Imagewandel in Magaluf. Er sagt aber auch „Wir können hier nicht von einer 180-Grad-Wende sprechen.“ Weiterhin gebe es alkoholbedingte Exzesse in Magaluf, vor allem in den Sommermonaten.

Die Fortschritte, sagt der Augsburger, gingen auch auf das Konto der Hoteliers. „In diesem Jahr haben wir zum Beispiel deutlich weniger junge Menschen auf ihrer Schulabschlussfahrt untergebracht.“ Ohne sich abgesprochen zu haben, hätten zahlreiche Hotels im Ort beschlossen, auf die Gruppenreisen der 17- bis 18-Jährigen, die häufig vom spanischen Festland kommen, zu verzichten und stattdessen zu versuchen, die Kontingente anderweitig zu besetzen. „Das ist relativ einfach möglich, weil die Schüler ausschließlich über Reiseveranstalter buchen, die dann wiederum beim Hotel die Kontingente anfragen“, berichtet Gräwert. Und wenn sich das Hotel dann weigert, Zimmer an die Schülergruppen zu vermieten, dann muss der Veranstalter weiterziehen.

Weniger Jungvolk

So seien im Juni dann auch deutlich weniger junge und partyverrückte Menschen im Ort unterwegs gewesen seien als in früheren Jahren. „Und für uns hat sich dieses Vorgehen sogar noch als lohnend herausgestellt, denn wir konnten die Zimmer trotzdem sehr gut belegen, und das mit Familien und anderen Gästen, die sich ruhiger verhalten und mehr Geld auf der Insel gelassen haben“, sagt Gräwert. Er schließt nicht aus, dass sich manche Hoteliers nun für das kommende Jahr dahingehend absprechen und die Abschlussfahrten weiterhin außen vor lassen.

Zudem wird Magaluf von den Reinigungskräften gut sauber gehalten, findet Hotelier Gräwert. „Das funktioniert schon seit Jahren.“ Auch der lange Zeit äußerst schmuddelige Platz hinter der Disco BCM, auf dem sich viele Jugendliche zu ihren botellones trafen, ist mittlerweile herausgeputzt und damit automatisch nicht mehr so interessant für Saufgelage. „Wenn ohnehin schon Dreck herumliegt und Flaschen, dann sind die Hemmungen niedriger, sich selbst noch dazuzusetzen und zu trinken“, weiß Hotelier Gräwert.

Jetzt übernimmt die PP

Wie es nun in Magaluf weitergeht, ist nach dem Regierungswechsel noch nicht ganz klar. Zumindest behauptet das Altbürgermeister Rodríguez: „Ich kann nur hoffen, dass die neue Gemeinderegierung den eingeschlagenen Kurs weiterverfolgt und auch bei den Sanktionen streng bleibt“, sagt Rodríguez. Der neue Bürgermeister der PP, Juan Antonio Amengual, ist gerade erst dabei, in seinem Amt anzukommen. „Auch ich werde die Aufwertung von Magaluf aber auf jeden Fall vorantreiben“, sagt er. Das gilt auch für die Verschönerung des Ortes. Amengual hat bereits zugesichert, die von den Sozialisten begonnene Erneuerung des Paseo Marítimo im Ort fertigzustellen.

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