In Spanien gibt es so viele Jobs wie noch nie und trotzdem sinken die Arbeitslosenzahlen kaum

Die spanische Linksregierung brüstet sich mit den Erfolgen auf dem Arbeitsmarkt infolge der Reform von 2022. Kritiker verweisen indes auf die stark gestiegene Zahl der Saisonkräfte

Kellner in Barcelona: Viele Jobs gibt es nur während der Sommersaison.  | FOTO: EUROPAPRESS

Kellner in Barcelona: Viele Jobs gibt es nur während der Sommersaison. | FOTO: EUROPAPRESS / Aus Madrid berichtet Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

Trotz des Dauerregens erfreuten sich Spaniens Strände, Städte und Dörfer in der Osterwoche eines großen Andrangs von Urlaubern. Der Boom in der Tourismusbranche hält ungebrochen an, und alles deutet darauf hin, dass in diesem Jahr der Rekord von 85 Millionen Besuchern im vergangenen Jahr gebrochen wird. Allein im Januar und Februar kamen 9,8 Millionen Urlauber aus dem Ausland, ein Plus von 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Das gute Geschäft in der Reisebranche ist der Hauptgrund für die positive Entwicklung am Arbeitsmarkt, die viele Experten zuletzt überrascht hat. Im März verzeichnete die staatliche Sozialkasse (Seguridad Social) 20,9 Millionen Beitragszahler, so viele wie noch nie. Im Laufe des Monats fanden 193.000 Menschen einen Job, verkündete das Arbeitsministerium. Da die Haupturlaubssaison mit Ostern bereits begonnen hat, rechnen die Fachleute damit, dass die Marke von 21 Millionen Erwerbstätigen im April gebrochen wird.

Weiter viele Menschen ohne Job

Es klingt widersprüchlich, aber die Zahl der Arbeitslosen sinkt deutlich langsamer. Im März fiel die Zahl der gemeldeten Erwerbslosen lediglich um 33.000 auf 2,73 Millionen Personen. Nach bereinigten Zahlen, also ohne den Effekt der Osterwoche, wäre die Arbeitslosigkeit sogar gestiegen. Das wahre Ausmaß der Erwerbslosigkeit wird in einer vierteljährlichen Erhebung namens EPA durch das Statistikamt ermittelt und lag Ende des Jahres bei 11,76 Prozent – ein Spitzenwert in Europa.

Wie erklärt sich diese Diskrepanz in den Statistiken? Zum einen ist in Spanien die Erwerbsbevölkerung zuletzt stark gewachsen. Sehr viele Jobs gehen an Menschen, die zuvor nicht als erwerbslos gemeldet waren, etwa weil sie während der Pandemie ohnehin keine Aussichten auf eine Arbeit sahen und vom Amt keine Unterstützung erwarten konnten.

Zum anderen ist die Zahl der fest angestellten Saisonkräfte seit der Arbeitsmarktreform von 2022 stark gestiegen. Diese Vertragsform der fijos discontinuos wurde von der Linksregierung gestärkt. Sie garantiert beispielsweise einer Hotelkraft, die von April bis Oktober arbeitet, eine feste Anstellung mit Ansprüchen auf Abfindung und weitere Arbeitnehmerrechte, obwohl sie in den Wintermonaten kein Gehalt bekommt. Sehr viele fijos discontinuos verzichten darauf, sich in den Monaten ohne Beschäftigung beim Arbeitsamt zu melden. Die konservative Opposition sieht in dem deutlichen Plus dieser Vertragsform einen Schwindel, der die wahre Zahl der Arbeitslosen vertuscht. Die Regierung verweist dagegen auf die Stabilität, welche diese Verträge den Saisonkräften gewährt.

Arbeitsministerin Yolanda Díaz vom Linksbündnis Sumar freute sich nach Bekanntgabe der Zahlen vom März darüber, dass der Anteil an Zeitverträgen im März auf 12,7 Prozent sank. Vor der Reform hatte fast jeder dritte Erwerbstätige lediglich einen befristeten Vertrag – ein chronisches Problem der spanischen Wirtschaft, wie auch die Arbeitgeber einsahen.

Der Dachverband der spanischen Unternehmer CEOE begrüßte die Arbeitsmarktzahlen für März, warnte jedoch vor den Folgen des „regulatorischen Hin und Her“ der Linksregierung für die Wirtschaft, insbesondere bei kleinen und mittelständischen Firmen. „Zusammen mit dem Anstieg der Lohnkosten ohne eine Verbesserung der Produktivität, bremst diese Unsicherheit die Investitionen“, meint die CEOE. Der Gouverneur der spanischen Notenbank, Pablo Hernández de Cos, sprach vor Kurzem ein weiteres Problem der Wirtschaft an. Trotz der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit von fast zwölf Prozent beklagen viele Betriebe einen Personalmangel.

Die Wirtschaft wächst weiter

Die Regierung weist die Kritik zurück. „Wir haben die besten Arbeitsmarktzahlen seit Jahrzehnten, aber diese Regierung gibt sich damit nicht zufrieden“, so Ministerin Díaz am Dienstag im Senat. Sie erinnerte an die scharfe Kritik an der Reform, die nach Meinung vieler Experten die Schaffung von Stellen enorm erschweren würde. „Im Gegensatz zu dem, was viele dachten, haben wir gezeigt, dass eine Verbesserung der Rechte der Arbeitgeber die Beschäftigung fördert und der Wirtschaft Impulse gibt“, erklärte Díaz, eine von drei Stellvertreterinnen von Premier Pedro Sánchez.

In der Tat sehen Volkswirte in dem robusten Arbeitsmarkt einen Hauptfaktor für die anhaltend gute Konjunktur in Spanien, gerade im Vergleich zu vielen europäischen Nachbarländern. Nach einem Wachstum des Bruttoinlandproduktes von 2,5 Prozent im vergangenen Jahr rechnen die meisten auch dieses Jahr mit einem soliden Anstieg von zwei Prozent – nicht zuletzt dank der Touristen.

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