Die Corona-Kurve erinnert auf den ersten Blick an die Zahlen im Frühjahr. Doch auch wenn die Zahlen steigen, äußern sich die Experten im Gesundheitsministerium trotz der allgemeinen Anspannung weiterhin gelassen. Das hat eine Reihe von Gründen.

Mehr Tests

Man registriere derzeit vor allem deshalb so viele Neuinfektionen, weil viel mehr Tests ausgeführt würden als zuvor, betonte die balearische Gesundheitsministerin Patricia Gómez vor der spanischen Inselpresse. So würden allein im öffentlichen Gesundheitssystem auf den Balearen derzeit rund 2.000 PCR-Tests pro Tag gemacht - mehr als zu den Höhepunkten der ersten Welle. Gut 600.000 Euro haben die Inseln in den vergangenen Monaten in den Kauf der nötigen mikrobiologischen Technologien gesteckt. Theoretisch sei man auf den Balearen derzeit sogar in der Lage, bis zu 10.000 PCR-Tests täglich auszuführen, an extremen Tagen gar bis zu 20.000.

In den kommenden Wochen sollen die Tests zudem massiv ausgeweitet werden, wie Gesundheitsministerin Patricia Gómez am Donnerstag (13.8.) ankündigte.

Weniger Schwerkranke

Die frühe Erkennung von Covid-19-Infizierten habe den Vorteil, dass auch Personen als Virenträger entdeckt werden könnten, die keinerlei Symptome aufweisen. Tatsächlich sei die „überwiegende Mehrheit" der „aktiven" ­Covid-Fälle auf den Balearen derzeit asymptomatisch. Eine Überlastung des Gesundheitssystems ist den Behörden zufolge nicht zu ­befürchten. Auch auf den Intensivstationen der Krankenhäuser ist viel Platz: Derzeit müssen dort laut der balearischen Gesundheits­behörde IB Salut nur 14 Covid-19-Patienten betreut ­werden (Stand: Mittwoch, 12.8.). Zum Vergleich: Im April waren es deutlich über 100, und auch da war das System nicht am Limit.

Im Landeskrankenhaus Son Espases ist ­angesichts der steigenden Infizierten-Zahlen das Krisenkomitee wieder zusammengekommen, das bereits während der ersten Welle im Einsatz war, um die Lage gemeinsam zu beobachten und schnell reagieren zu können. Zahlreiche Betten werden vorsorglich für ­Corona-Patienten freigehalten, auch das Hotel von Palmas Kongresszentrum soll bei Bedarf asymptomatische Patienten aufnehmen. Angestellte werden regelmäßig PCR-Tests unterzogen. Der Krankenhausalltag solle ansonsten zunächst normal weitergehen - im Gegensatz zum Ausnahmezustand im Frühjahr.

Infektionsherde kontrolliert

Auch die Kontrolle über die neuen Infektionsherde auf Mallorca sei - so beteuern es die Behördensprecher - weiterhin gegeben. Es gebe derzeit keine Infektionsketten, die nicht mehr nachverfolgt werden könnten.

Erfahrungen aus erster Welle

Dass eine zweite Corona-Welle auf den Balearen glimpflich ausfallen könnte, legt auch eine Studie des Instituto Carlos III nahe. In gesundheitlicher Hinsicht habe die erste Corona-Welle nur „moderate bis geringe" Effekte auf die Inseln gehabt. Positiv dazu beigetragen habe die verhältnismäßig hohe Dichte an Gesundheitszentren pro Einwohner sowie die demografische Verteilung - nur elf Prozent der Bevölkerung sind älter als 70. Verglichen mit dem Festland leben zudem weniger alte Menschen in Seniorenheimen.

Auch Gesundheitsexperte Joan Carles March, der mit anderen Spezialisten nun öffentlich das Management in Spanien in der ­ersten Corona-Welle kritisiert hat, findet lobende Worte für die Balearen. Die Inseln ­hätten einen wichtigen Schritt getan, indem sie die Anbindung mit Flugzeug und Fähre weit­gehend unterbrachen. Anders als auf dem ­Festland seien die Intensivstationen hier zu ­keinem Moment überlastet gewesen. „Das zeigt, dass die Balearen einer solchen Pandemie gewachsen sind." Der Mallorquiner glaubt, dass sowohl die Koordination als auch das Management im Gesundheitssystem angemessen ­waren. Dass die Zahlen nun wieder steigen, ­liege sowohl an Familienfeiern als auch am Nacht­leben. Auch hier reagiere die Politik angemessen. Schließlich führten die Balearen ­bereits früh die Maskenpflicht ein und untersagten von Anfang an, Discos und Nachtclubs mit mehr als 300 Personen zu öffnen.

Strenge Regelungen

Um weitere Ansteckungen im großem Stil zu verhindern, stellte die Balearen-Regierung am Mittwoch neue Beschränkungen im öffentlichen Leben in Aussicht. Zwar wollte die Generaldirektorin des Gesundheitsministe­riums, Maria Antònia Font, nicht konkreter werden, aber man darf annehmen, dass sie sich auf ­Kapazitätsobergrenzen in ­Restaurants oder im Nachtleben bezog. Außerdem richtete sie erneut einen Appell an die Bevölkerung, auch bei Familientreffen die Abstände zu wahren. Die Polizei in Palma geht immer schärfer gegen Trinkgelage vor. Allein am ersten August-Wochenende leitete sie Bußgeldverfahren ­gegen 235 Personen ein. Und auch traditionelle Fiestas fallen aus. Unter anderem wurden die Fiestas von Sant Roc in Alaró wenige Stunden nach der Eröffnung wieder abgeblasen. In dem Ort waren mehrere Corona-Fälle bekannt geworden. Auch die Fiestas in Can Picafort wurden gestrichen, etwa das für Samstag (15.8.) geplante Entenwerfen.

Einmal mehr forderte Balearen-Präsidentin Francina Armengol am Mittwoch (12.8.) bei einem Treffen mit Spanien-Premier Pedro Sánchez stärkere Kontrollen an Häfen und Flughäfen. Tatsächlich waren knapp zehn Prozent aller Covid-19-Fälle in den vergangenen Wochen von außerhalb der Inseln „eingeschleppt" worden, rund die Hälfte davon von Reisenden vom spanischen Festland.

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