Bevor der politische Betrieb nach der Sommerpause in Spanien wieder richtig Fahrt aufnimmt, unternimmt Ministerpräsident Pedro Sánchez noch eine kurze Reise nach Lateinamerika, mit Staatsbesuchen in Kolumbien, Ecuador und Honduras. Die außenpolitische Bühne liegt dem Sozialisten. Beim NATO-Gipfel in Madrid Ende Juni wusste er als Gastgeber von 40 Delegationen zu überzeugen. Doch in den kommenden Monaten wird seine Aufmerksamkeit größtenteils der innenpolitischen Lage gelten müssen.

Denn mit Beginn des neuen politischen Schuljahres fällt auch der Startschuss für eine lange Kampagne zum Superwahljahr 2023. Im Mai kommenden Jahres finden in ganz Spanien Kommunalwahlen statt. Gleichzeitig wird in 13 der 17 Regionen – in allen außer Katalonien, dem Baskenland, Galicien und Andalusien – gewählt, auch auf den Balearen. Und zum Ende des Jahres steht dann der Urnengang für das spanische Parlament an, bei dem Sánchez um seine Wiederwahl kämpft.

Sorgen um die Wirtschaft Spaniens

Derzeit sieht es nicht so gut aus. Seit Wochen liegen die Sozialisten (PSOE) hinter der konservativen Volkspartei (PP). Sie erlebt einen Höhenflug unter ihrem neuen Vorsitzenden Alberto Núñez Feijóo, der im April den glücklosen Pablo Casado ablöste. Das wirtschaftliche Umfeld wird sich nach einhelliger Meinung aller Experten bald stark eintrüben, wobei die Folgen des Krieges in der Ukraine ein hohes Maß an Ungewissheit beisteuern.

Zuletzt lief die Konjunktur noch recht robust. Das lag auch am Boom in der so wichtigen Tourismusbranche in diesem Sommer, der mit dem Ende der Saison jedoch vorbei sein dürfte. Manche Experten erwarten für das dritte Quartal bereits einen leichten Einbruch des spanischen Bruttoinlandproduktes. Die Inflation von derzeit 10,8 Prozent wird wohl längere Zeit auf einem hohen Niveau verbleiben und weiter an der Kaufkraft der Menschen zerren, genauso wie auch die Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank.

Spanien hat eine Ausnahme beim Einergiesparplan errungen

Sánchez und seine Mitstreiter in der Koalition mit dem Linksbündnis Unidas Podemos setzen große Hoffnungen auf die praktische und politische Wirkung der Maßnahmen zur Abfederung der Folgen des Preisanstiegs, vor allem bei den Energiekosten. Viele dieser Schritte wurden vor den Sommerferien angekündigt, müssen jedoch noch ihren Weg durch die parlamentarischen Instanzen absolvieren.

So etwa auch das Energiesparpaket, das als Dekret bereits in Kraft getreten ist, am Donnerstag aber vom Unterhaus nachträglich abgesegnet werden muss. Seit Wochen werden die Temperaturen in Büro- und Geschäftsgebäuden geregelt und Schaufenster dürfen nach 22 Uhr nicht mehr erleuchtet werden. Sánchez hatte der Europäischen Union allerdings eine Ausnahme beim Energiesparplan abgerungen.

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In Palma de Mallorca gehen mit den Energiesparmaßnahmen die Lichter aus - zumindest zum Teil

In diesem Plan sind auch massive Zuschüsse für den öffentlichen Nahverkehr sowie Zuwendungen für sozial schwache Haushalte und auch besonders stark betroffene Branchen enthalten, die ab September in Kraft treten werden – vorausgesetzt die Minderheitsregierung aus Sozialisten und Linken bekommt im spanischen Parlament mal wieder die nötigen Stimmen anderer Parteien zusammen. Die PP will nach letztem Stand dagegen votieren, obwohl Feijóo viele der Maßnahmen ursprünglich selbst gefordert hatte.

Ringen um den spanischen Haushalt

Die nächste große Baustelle im Herbst ist der Haushalt für das kommende Jahr. Besonderes Augenmerk gilt den angekündigten Sondersteuern auf die Übergewinne der Stromkonzerne, die von den stark gestiegenen Energiepreisen profitieren, sowie für die Banken, denen die Zinserhöhung zugutekommt. Mit dem Geld sollen weitere Hilfen für die von der hohen Inflation gebeutelten Bürger finanziert werden.

Wie beim Stromsparpaket haben die Konservativen ihren Widerstand gegen die Haushaltspläne angekündigt. Die Strategen von Sánchez bauen darauf, Feijóo in die Enge treiben zu können, indem sie ihm anlasten, sich gegen die Entlastungen für weite Teile der Gesellschaft gesträubt zu haben.

Mit dem Linksruck, vor allem den Sondersteuern für Stromversorger und Banken, will Sánchez auch die eigene Wählerschaft rechtzeitig wachrütteln. Denn die krachende Niederlage bei den Regionalwahlen in der einstigen sozialistischen Hochburg Andalusien im Juni wird von den Experten auf die geringe Mobilisierung des linken Lagers zurückgeführt.

Sánchez Zukunft hängt von seiner Stellvertreterin ab

Die Zukunft des Ministerpräsidenten hängt zudem auch vom Schicksal seiner Stellvertreterin Yolanda Díaz ab. Die populäre Arbeitsministerin will mit einer neuen Plattform in die Wahlen ziehen, die alle Parteien links der PSOE vereint. Noch steckt das Projekt jedoch in den Kinderschuhen.

Den letzten Schub für die Parlamentswahlen Ende 2023 soll dann erneut die internationale Bühne liefern. Denn im zweiten Halbjahr hat Spanien den Vorsitz im Rat der Europäischen Union – und Sánchez kann dann wieder den Staatsmann geben.