Neun Jahre hat Alejandro del Campo gegen das Steuerformular Modelo 720 gekämpft, mit dem Steuerresidenten in Spanien ab einer bestimmten Schwelle seit 2012 ihr Auslandsvermögen offenlegen müssen. Neun Jahre lang hat die Mallorca Zeitung ihn dabei begleitet. 2013 klagte Alejandro del Campo Spanien vor der EU-Kommission, nun liegt das Ergebnis seines Engagements, und das weiterer Anwälte, vor: Der Europäische Gerichtshof hat am Donnerstag (27.1.) das Modelo 720 in seiner jetzigen Form für EU-rechtswidrig erklärt. „Alejandro hat gewonnen!“, jubelte daraufhin ein bekannter Insel-Unternehmer in einer Whatsapp-Nachricht.

Herzlichen Glückwunsch! Zunächst die Fakten: Was bedeutet das Urteil konkret für ausländische Steuerresidenten in Spanien?

Das Urteil bedeutet nicht, dass die Pflicht zur Offenbarung des Auslandsvermögens wegfällt, im Gegenteil: Seit Juli 2021 müssen sogar zusätzlich Kryptowährungen angegeben werden. Die kritischen Punkte sind die Konsequenzen aus den drei möglichen Fehlern beim Ausfüllen des Modelo 720: es gar nicht, zu spät oder mit inkorrekten Angaben einzureichen. Hieraus ergaben sich drakonische Strafen: Zum einen die festgesetzten Geldbußen von 5.000 Euro pro falsch oder nicht ausgefülltem Feld. Bei einem Konto sind normalerweise fünf Felder auszufüllen. Wer also vier Konten nicht angegeben hatte, der hatte fünf Mal 5.000 Euro mal vier Konten zu zahlen, also 100.000 Euro Strafe. Jetzt nach dem Urteil darf Spanien die Menschen nicht mehr finanziell massakrieren, diese Sanktionen gibt es nicht mehr. Zum anderen hat der Gerichtshof in Luxemburg Spanien auch die Möglichkeit genommen, Menschen, die das Modelo 720 nicht präsentiert haben, wie Massenmörder oder Terroristen zu betrachten. Denn wie Völkermord oder Terrorismus verjährte die Steuerschuld nicht, und das wo in Spanien sogar Mord verjährt.

Das Modelo 720 war als Mittel gegen groß angelegten Steuerbetrug erdacht worden...

Betroffen hat es aber vor allem die immense Mehrheit ausländischer Steuerresidenten in Spanien, auch wenn diese ganz gewöhnliche Sparer waren und friedlich auf Mallorca lebten. Das Modelo 720 war - zumindest bislang mit den drakonischen Strafen - eine Massenvernichtungswaffe des Fiskus. Man muss ja nicht einmal die eigentlich geforderten 50.000 Euro in Konten, Aktien oder Immobilien besitzen, um gezwungen zu sein, das Modelo 720 abzugeben. Im Falle eines Immobilienbesitzes genügt es schon, zu einem Teil an einer Immobilie beteiligt zu sein, die mehr als 50.000 Euro wert war. Auch wer ein Konto mit 60.000 Euro beispielsweise mit seinem Bruder teilt, ist verpflichtet, das Modelo abzugeben, auch wenn nur 30.000 Euro davon dem spanischen Steuerresidenten gehörten.

Was passiert jetzt mit den Strafen?

Diejenigen, die die Sanktionen anfechten, sei es vor Gericht oder beim Finanzamt, können nun mit dem Urteil in der Hand die Strafe unwirksam machen. Das Finanzamt muss die bereits bezahlten Sanktionen zuzüglich 3,75 Prozent Zinsen jährlich zurückzahlen. Diejenigen, die noch gar nicht bezahlt haben, werden einfach nicht mehr zahlen. Und diejenigen, die bezahlt haben und nicht dagegen vorgegangen sind, haben das Recht, Entschädigung zu fordern. Die wird dann allerdings nicht so hoch sein wie die Strafe selbst.

Das Modelo 720 bleibt also bestehen. Gibt es schon erste Erkenntnisse, wie das überarbeitete Modell aussehen wird?

Viel ist noch nicht an die Öffentlichkeit gedrungen. Klar ist nur, dass die Sanktionen in Zukunft unendlich viel geringer ausfallen werden als bisher. Dann kann es sein, dass pro falscher Angabe 100 Euro fällig werden, wie etwa bei anderen Fehlern in der Steuererklärung.

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Ursprünglich hatten Sie gegen das Modelo 720 an sich geklagt, und nicht nur gegen die Sanktionen. Werden Sie also weiter klagen?

Nein, das hat sich damit erledigt. Schon die Europäische Kommission hatte grundsätzlich klargemacht, dass sie nichts am Prinzip der Offenlegung des Auslandvermögens auszusetzen hat. Ich gehe aber ohnehin davon aus, dass sich das Thema mittelfristig erledigen wird weil der Austausch der Finanzämter auch über Ländergrenzen hinweg immer besser funktioniert, sodass das Modelo 720 irgendwann nicht mehr nötig sein wird. Zum Zeitpunkt der Einführung 2012 war der Informationsautausch unter den EU-Ländern bei steuerlichen Belangen noch eher bescheiden.

Was haben Sie am Donnerstag gedacht, als Sie das Urteil gelesen haben?

Dass es ein wunderbares Urteil ist, historisch und eine absolute Demütigung für Spanien. Im Kampf gegen Steuerbetrug ist nicht jedes Mittel erlaubt. Das Land wird in Zukunft seine steuerlichen Hausaufgaben besser machen müssen, sonst wird es weitere derartige Entscheidungen geben.

Haben Sie jemals die Hoffnung auf dieses Urteil aufgegeben gehabt?

Nein, ich war mir absolut sicher, dass es so kommen würde. Seit dem Tag, als die MZ die Titelseite mit mir zu dem Thema veröffentlicht hat. Auch als es Rückschläge gab, habe ich in keinem Moment daran gezweifelt, dass das Modelo 720 in seiner ursprünglichen Form nicht durchgeht. Das Urteil jetzt ist absolut vernichtend. Wenn man das perfekte Urteil aus Sicht der Steuerzahler schreiben wollte, dann kann man es nicht besser machen als der Europäische Gerichtshof.