Kabelsalat vor seinem Haus auf Mallorca verärgert Deutschen - doch alle Beschwerden verpuffen

In Calvià ist das oberirdische Verlegen von Leitungen nicht erlaubt. Ein spanisches Gesetz hat aber Vorrang

Die Kabel sind über die Straße gespannt und an Pfählen befestigt.

Die Kabel sind über die Straße gespannt und an Pfählen befestigt. / Privat

Ralf Petzold

Ralf Petzold

Es sieht aus, als wäre eine fette Spinne über Es Capdellà geklettert, die ihre Fäden überall hinterlassen hat. Rund um das Restaurant Es Moli in dem kleinen Ort in der Gemeinde Calvià sind zahlreiche schwarze Leitungen gespannt. Sie gehen von Pfahl zu Pfahl bis an die Hauswände. Dem deutschen Anwohner Hans Müller (Name von der Redaktion geändert) wird es nun zu bunt. Oder besser gesagt zu schwarz. „Im Zwei-Wochen-Rhythmus kommt ein neues Kabel hinzu. Mich fragt keiner um Erlaubnis. Das kann doch nicht mit rechten Dingen zugehen“, klagt er gegenüber der MZ.

Das Thema ist nicht neu und schon seit vielen Jahren den Denkmalschützern auf der Insel und in ganz Spanien ein Dorn im Auge. Vor zwei Jahren reagierte die Zentralregierung in Madrid und aktualisierte die Ley de Telecomunicaciones, veröffentlicht im Amtsblatt BOE Nummer 155 am 29. Juni 2022. Das neue Telekommunikationsgesetz sollte den Kabelsalat ordnen, hat die Problematik tendenziell aber eher verschlimmert.

Im Artikel 49, Paragraf 8 heißt es zwar: „Die Arbeiter müssen beim Verlegen der Leitungen unterirdische Kanäle benutzen oder sie im Inneren von Gebäuden verlegen.“ Jedoch gibt es Ausnahmen. So geht es im gleichen Absatz weiter: „Existieren keine unterirdischen Kanäle oder ist die unterirdische Verlegung aus technischen Gründen nicht möglich oder sinnvoll, so können die Arbeiter die Leitung durch die Luft verlegen.“ Dabei sollen bereits vorhandene Kabelwege genutzt und zu Strängen gebündelt werden. Aus gleichen Gründen ist das Anbringen der Kabel an Häuserfassaden möglich. Auch hier sollen existierende Anschlüsse benutzt werden. Streng verboten sind die Kabel in der Luft und an der Fassade nur im Umkreis von denkmalgeschützten Gebäuden oder wenn sie ein Sicherheitsproblem darstellen.

Im Artikel 55, Paragraf 5 des Gesetzes steht zudem, dass auch Endanschlüsse von Hochspannungskabeln an Fassaden angebracht werden können, wenn eine Alternative aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich ist. Weder die wirtschaftlichen noch die technischen Gründe sind näher definiert.

Die Arbeiten an den Kabeln werden durch das Gesetz noch dahingehend erleichtert, das keinerlei Genehmigung angefragt oder vorgezeigt werden muss. Nachzulesen in Artikel 49, Paragraf 9.

"Freifahrtschein" für Telekommunikationsfirmen

Als „Weichei-Beschluss“ bezeichnet Müller das Gesetz und regt sich auf, dass die Kabel sein Eigentum verschandeln. Der Deutsche nimmt die Gemeinde Calvià in die Pflicht. Zuständig für das Thema im Rathaus ist Stadtrat Jaime Bujosa, dem die MZ die Sachlage gar nicht erst lange schildern muss. „Es haben sich schon sehr viele Leute beschwert und ich wohne selbst auch um die Ecke“, sagt er und bezeichnet das spanische Gesetz als „Freifahrtschein“ für die Telekommunikationsfirmen. „Die Verordnung der Gemeinde sagt klipp und klar, dass jegliche Kabel an Fassaden oder Pfählen verboten sind. Sie müssen eingegraben werden.“ Nur hält sich daran keiner.

Bislang wurden in Es Capdellà ADSL-Kabel gegen Glasfaserkabel ausgetauscht. Die Firmen hatten entsprechend Zeitdruck, weil seit April ADSL aus dem Verkehr gezogen worden ist. „Schon vor einem Jahr haben wir bei den Unternehmen nachgefragt. Ich hatte erwartet, dass sie auf die spanische Gesetzgebung pochen würden. Bislang kam aber keine Antwort“, sagt Bujosa. Dem Rathaus seien nun die Hände gebunden. „Wir sind zu wenig Leute, als dass wir auf Streife gehen könnten. Bußgelder ausstellen dürfen wir nicht. Es ist eine Gesetzeslücke, für die niemand verantwortlich sein will.“

Bujosa rät dazu, schnellstmöglich eine Anzeige beim Rathaus zu stellen, wenn das nächste Kabel verlegt wird. Dann könne man sich zumindest mal die Bauarbeiter schnappen. Ob das im Endeffekt viel bringt, ist fraglich. Die werden ziemlich sicher auf einen Vorgesetzten oder das spanische Gesetz verweisen. „Je mehr Anzeigen reinkommen, umso größer wird aber der Druck, den wir ausüben können“, so Bujosa.

Abonnieren, um zu lesen