Urteil zur Lärmbelastung auf Baustellen: Werden jetzt reihenweise Arbeiten auf Mallorca gestoppt?

Erstmals hat ein Richter Bauarbeiten wegen der anhaltenden Belästigung der Nachbarn unterbrochen. Ist da ein Präzedenzfall geschaffen worden? Das sagt der Anwalt der Kläger

Ordentlich Lärm hat diese Baustelle im Villenviertel Son Vida produziert. Der Richter hielt ihn für unzumutbar.

Ordentlich Lärm hat diese Baustelle im Villenviertel Son Vida produziert. Der Richter hielt ihn für unzumutbar. / J. F. MESTRE

Johannes Krayer

Johannes Krayer

Das hatte es so noch nicht gegeben. Ein Richter in Palma de Mallorca hat im Januar Bauarbeiten in Palmas Nobelviertel Son Vida wegen der Lärmbelästigung gestoppt. Zum ersten Mal auf Mallorca wurden Arbeiten aufgrund unverhältnismäßigen Baulärms unterbrochen. Geklagt hatten zwei deutsche Unternehmer, die in der Villensiedlung leben. Und weil die Gegenseite, in diesem Fall die Stadt Palma, die die Lärmbelästigung für zumutbar hielt, auf einen Einspruch verzichtete, war das Urteil aus der ersten Instanz somit rechtskräftig.

Dass der Richterspruch nun einen Präzedenzfall schaffen könnte und viele weitere Bauherren auf Mallorca juristische Probleme mit ihrer Baustelle bekommen könnten, glaubt der Anwalt der beiden Deutschen allerdings nicht. Der Jurist möchte seinen Namen nicht in der Zeitung lesen und schränkt auch sogleich ein: „Es ist zwar ein rechtskräftiges Urteil, aber eben auch eines in erster Instanz.“ In einem potenziellen nächsten Fall könne ein anderer Richter wieder zu einem anderen Ergebnis kommen. „Der Baustopp ist in meinen Augen trotzdem ein großer Schritt, zumal auch das Urteil aus meiner Sicht sehr gut begründet und auf einem breiten Fundament steht“, sagt der Anwalt.

Urteil nimmt Bezug auf das Verfassungsgericht

In dem Urteil, das der Mallorca Zeitung vorliegt, nimmt der Richter unter anderem Bezug auf frühere Urteile des Verfassungsgerichts in Spanien aus den 70er- und 80er-Jahren, nach denen eine Privatperson in den eigenen vier Wänden Recht auf die Ausübung seiner eigenen Persönlichkeit habe. Längere und unverhältnismäßige Lärmbelästigung könne dieses Recht schwer beeinträchtigen.

Überhaupt sei Lärm in der heutigen Gesellschaft ein Problem, das die Lebensqualität vieler Menschen beeinträchtige, heißt es weiter in der Begründung. Vor allem aber gehe es in diesem Fall um eine „nicht auszuhaltende“ Lärmbelästigung, wie es in der neunseitigen Urteilsbegründung mehrfach heißt.

Zwar hätten ihn bereits Bauträger angesprochen und ihre Sorge vorgebracht, dass Bauarbeiten nun einfach zu stoppen seien, berichtet der Anwalt. Dies sei aber unbegründet. Es sei ja weder ihm noch den Klägern darum gegangen, die Bautätigkeit auf Mallorca in Zukunft zu verkomplizieren. „Natürlich dürfen auch weiterhin Bauarbeiten stattfinden, sofern sie sich im gesetzlichen Rahmen bewegen.“

Immer wieder die 90 Dezibel übertroffen

Im speziellen Fall in Son Vida sei freilich die Verhältnismäßigkeit nicht mehr gewahrt gewesen. Die Lärmbelastung habe immer wieder die 90 Dezibel übertroffen. 90 Dezibel entsprechen in etwa einem Kammerkonzert oder einem Türknallen. Darüber hinaus wurden auch die eigentlich relativ großzügigen Zeitfenster, die für Bauarbeiten in Palma vorgesehen sind, missachtet. In Palma ist laut einer städtischen Verordnung zwischen 9 und 20 Uhr Baulärm gestattet. Die Bauarbeiten in Son Vida hatten häufig bereits gegen 8 Uhr begonnen.

Zwar seien, so der Anwalt, auf kommunaler, regionaler und staatlicher Ebene die Zeiten, in denen gebaut werden darf, sowie die Lärmbelastung gesetzlich oder per Verordnungen geregelt, allerdings fehle bisher eine detailliertere Ausführung, was innerhalb dieser Grenzen zumutbar sei. Denn selbst wenn eine Gemeinde Baulärm zwischen 9 und 20 Uhr erlaube, heiße das nicht, dass elf Stunden am Stück mit dem Presslufthammer gearbeitet werden dürfe.

Der Richter, der die Arbeiten für zwei Luxusimmobilien in Son Vida gestoppt hat, hat die Bauherren dazu verpflichtet, vor der erneuten Aufnahme der Bautätigkeit ein Lärmgutachten erstellen zu lassen. Darin müssen die zu erwartende Lärmbelastung analysiert und die Uhrzeiten angegeben werden, in denen die Bauarbeiten stattfinden sollen. Das Gutachten muss dem Rathaus vorgelegt werden. Dieses entscheidet, ob die Arbeiten wieder gestartet werden dürfen.

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