Sticken, durch Stiche mit Garn Verzierungen auf Stoffen anbringen

Die in der griechischen Mythologie in der Unterwelt verhängte Strafe gegen Sisyphos bestand darin, einen Felsblock auf den Gipfel eines steilen Hanges hinaufzurollen. Der Stein entglitt ihm jedoch stets kurz vor Erreichen des Gipfels, und er musste immer wieder von vorne anfangen. Daher wird der heutige Ausdruck Sisyphos-Arbeit für eine Aufgabe verwendet, die trotz großer Mühen nie erfolgreich abgeschlossen werden kann. Auf ein ähnliches Resultat, wenn auch unter gänzlich anderen Vorzeichen, bezieht sich die mallorquinische Redewendung: „Sich eine Beschäftigung suchen wie der Eremit, der stickte und den Faden wieder zog“ (Cercar-se feina com s’ermita que brodava i ho tornava desfer). Hinter dieser auf den ersten Blick widersinnigen Aktivität verbirgt sich die Absicht, niemals die Hände unbeschäftigt zu lassen und so auf dumme Gedanken kommen zu können, sowohl im herkömmlichen als auch im sexuellen Sinne.

Der deutsche Dichter und Pädagoge Jean Paul bemerkte einst zynisch, dass „die Weiber immer gegen die Männer in jenem Widerspruch stehen, worin sie ihm beim Verwehren und Verwünschen des Rauchens den nettesten, zierlichsten Tabaksbeutel sticken.“ In der Inselsprache wurde das Sticken indes häufig mit finanziellem Erfolg gleichgestellt: „Jemand, der stickt“ (aquest broda) verdiente viel Geld, ebenso wie ein erfolgreich abgeschlossenes Vorhaben auf Mallorquinisch als „gestickt“ (brodar-ho) bezeichnet wurde und wird. Der Mitbegründer der Kommunistischen Partei Chinas und spätere Staatspräsident Mao Zedong führte die Kommunisten im Chinesischen Bürgerkrieg an; aus jenem Erfahrungshintergrund stammt sein flapsig anmutender Ausspruch, dass „eine Revolution kein Gastmahl, kein Aufsatzschreiben, kein Bildermalen und auch kein Deckensticken ist“.