Meinung | ANSICHTEN VOM BALKON

Handyempfang gibt es nur in meinem Wohnzimmer

MZ- Kolumnist Juan José Millás macht sich Gedanken darüber, wie ein unzureichendes Handynetz finanziell auszuschlachten wäre

Wenn es nach dem MZ-Kolumnisten ginge, wäre das problemlose Telefonieren am Wasser nicht möglich

Wenn es nach dem MZ-Kolumnisten ginge, wäre das problemlose Telefonieren am Wasser nicht möglich / Edith Geuppert/dpa

Wenn wir ein Mobiltelefon kaufen, halten wir es für selbstverständlich, dass wir damit auch den Empfang erwerben. Doch es gibt viele Orte auf der Welt mit Handys, aber ohne Empfang. Im Fernsehen war von einem Dorf in Spanien die Rede, ich weiß nicht mehr wo, in dem man nur auf dem Friedhof telefonieren konnte. Auf den Bildern waren Leute zu sehen, die mit ihren Handys zwischen den Gräbern umherwanderten und nach dem besten Grabstein mit dem besten Empfang suchten. Es war nicht schwer, sich den metaphorischen Charakter dieser Situation vorzustellen. Ich fragte mich, warum die Netzabdeckung ausgerechnet den Friedhof gewählt hatte, um sich zu manifestieren, und schloss daraus, dass das Signal nicht dort erscheint, wo die Telefongesellschaft es geplant hat, sondern dort, wo es ihm in den Kram passt. Es hätte auch die örtliche Kneipe oder das Pfarrhaus wählen können. Aber es hatte sich für den Friedhof entschieden, um die Nachbarn zu zwingen, sozusagen aus dem Jenseits zu telefonieren.

Eine Menge Geld

In dieser Nacht stellte ich mir vor, in einer Stadt mit etwa 10.000 Einwohnern zu leben, in der es nur in meinem Wohnzimmer Empfang gibt. Ich rechnete aus, was ich verdienen könnte, wenn ich 50 Cent pro Anruf verlangte. Es war eine Menge Geld. Ich stellte mir die Schlange der Anrufer vor und sah mich selbst, wie ich die Tickets verkaufte, kam mir dann jedoch kleinlich vor. Da ich aber nicht gewillt war, das Wohnzimmer den ganzen Tag über voller Menschen zu haben, beschloss ich, den Schatz zu verstecken, wie jemand, der eine archäologische Fundstätte in seinem Garten versteckt, damit das Haus nicht enteignet wird.

Kurz darauf fantasierte ich, dass ich am U-Bahn-Eingang ein handgefertigtes Armband kaufte. Laut der Verkäuferin diente es dazu, Geister abzuwehren. Ich legte es an und verlor sofort die Netzabdeckung in meiner Wohnung. Und obwohl ich das Armband schnell wieder ablegte, kehrte der Empfang nicht mehr zurück.