Hauseinsturz an der Playa de Palma: Bauliche Verstöße und Ungereimtheiten

Ein abschließender Bericht von den Sachverständigen der Stadt liegt noch nicht vor. Klar ist aber, dass es mehrere Ungereimtheiten bei Genehmigungen und sogar ein Sanktionsverfahren im Zusammenhang mit dem eingestürzten Gebäude gab

Der Medusa Beach Club an der Playa de Palma auf Mallorca

Der Medusa Beach Club an der Playa de Palma auf Mallorca / Redaktion DM

Nach dem tödlichen Hauseinsturz am Donnerstagabend (23.5.), bei dem vier Menschen ums Leben gekommen sind und 16 weitere verletzt wurden, wird weiter geprüft, ob beim Bau des Gebäudes des Medusa Beach Clubs, dessen Terrasse zusammenbrach, alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Wie die MZ-Schwesterzeitung "Diario de Mallorca" berichtet, haben Sachverständige der Stadt Palma begonnen, die gesamte Dokumentation über das Restaurant durchzuschauen. Noch liegt kein vollständiger Abschlussbericht vor, am Freitagabend stellte sich jedoch bereits heraus, dass der Stadtverwaltung in ihren Akten drei Fälle von baurechtlichen Verstößen am besagten Gebäude vorliegen, die mehrere Jahre zurückliegen.

Mehrere Verstöße

Im Jahr 2013, während der Bürgermeister-Amtszeit von Mateu Isern (PP), entdeckten Beamte der Stadtplanungsbehörde laut den Unterlagen, dass am Gebäude illegale Bauarbeiten durchgeführt worden waren. Bilder zeigen, wie sich das damals "Tex Mex" genannte Restaurant in diesem Zeitraum auch über das Dach erstreckte. Dort waren eine Markise und ein verglastes Geländer mit Stühlen und Tischen für die Kunden installiert worden.

Die Prüfung dieser Fälle zog sich bis zum 24. März 2020 hin. Damals beschloss die - mittlerweile links regierte - Stadtverwaltung, wegen der mittlerweile sieben Jahre zuvor festgestellten Unregelmäßigkeiten ein Sanktionsverfahren wegen "städtebaulicher Verstöße" einzuleiten. Weiter ergaben die Ermittlungen bisher, dass das Gebäude 2017 zum letzten Mal Gegenstand einer größeren Inspektion war.

Trotz des Sanktionsverfahrens häuften sich in nachfolgenden Bau- und Renovierungsarbeiten weitere Elemente auf dem Dach des Gebäudes an. Deren Legalität wird nun genau geprüft. Sobald ein umfassender Abschlussbericht durch die Sachverständigen vorliegt, kann die Nationalpolizei entscheiden, ob strafrechtliche Ermittlungen aufgenommen werden müssen.

Ungereimtheiten bei den Genehmigungen

Der Medusa Beach Club umfasst zwei aneinandergrenzende, aber unterschiedliche Gebäude. Das eingestürzte Gebäude befindet sich im Carrer Cartago, 34. Es wurde 1972 erbaut und ist im Katasteramt als ein 109 Quadratmeter umfassendes Lokal im Erdgeschoss eingetragen, das für Freizeit und Gastronomie genutzt wird. Vermerke über erlaubte Aktivitäten auf dem in eine Terrasse umgewandelten Dach gibt es nicht. Im Register für Unternehmen, Aktivitäten und touristische Einrichtungen des Inselrats ist es seit November 2002 als Restaurant mit einer Kapazität von 62 Personen lizenziert.

Restaurant-Einsturz auf Mallorca: So sieht es am Tag danach im Medusa Beach Club aus

Restaurant-Einsturz auf Mallorca: So sieht es am Tag danach im Medusa Beach Club aus / DM

Das angrenzende Gebäude in der Hausnummer 35 hat drei Stockwerke. Das Erdgeschoss ist als Geschäft und Lager eingetragen, die beiden oberen Stockwerke sind als Wohnraum verzeichnet, in denen keine gewerblichen Aktivitäten durchgeführt werden dürfen. Laut Inselrats-Register liegt die Restaurantlizenz für den unteren Bereich seit 2010 vor, ebenfalls mit einer Kapazität von 65 Personen.

Österreichische Brüder legten Gebäude zusammen

Die beiden Gebäude wurden 2018 zusammengelegt - auf Initiative der österreichischen Brüder Christian und Gerald Arnsteiner hin, wie das "Diario de Mallorca" berichtet. Zusammen mit zwei weiteren Personen gründeten sie die Gesellschaft "Tex Mex Cactus" und begannen, in dem Doppel-Gebäude das gleichnamige mexikanische Restaurant zu betreiben. Gerald "Gerry" Arnsteiner war damals bereits Geschäftsführer der Großdiskothek Megapark und übte beide Tätigkeiten gleichzeitig aus, bis er sich im September 2020 von "Tex Mex" trennte. Sein Bruder war fortan der alleinige Verwalter. Aus seinem Umfeld heißt es, dass die Lizenzen für die Nutzung der Dachterrasse vorhanden gewesen seien. Er wollte sich bis zum Abschluss der Ermittlungen gegenüber der MZ nicht weiter äußern.

Der Medusa Beach Club an der Playa de Palma.

Der Medusa Beach Club an der Playa de Palma. / FB Medusa/DM

Gegen Ende der Pandemie, im Jahr 2021, wurde das Etablissement einer Renovierung unterzogen, deren Umfang noch nicht geklärt ist. Im Mai desselben Jahres öffnete das Restaurant als Medusa Beach Club seine Türen. Es erstreckte sich über die Erdgeschosse der beiden Gebäude, sowie über die Terrasse der Nummer 34 - eben da, wo das Rathaus fast ein Jahrzehnt zuvor die schweren Unregelmäßigkeiten festgestellt hatte.

Fortan wurden auf der Terrasse auch DJ-Auftritte organisiert - eine Aktivität, für den andere Lizenzen als die der reinen Gastro-Bewirtung vonnöten sein dürften. Vom Medusa Beach Club selbst verbreitete Bilder zeigen, wie die Struktur, die auf der Terrasse die Markise hielt, mit der Zeit verstärkt und ein Dach darauf installiert wurde. Dadurch wurde immer mehr Gewicht auf eine Baustruktur geladen, die am Donnerstag schließlich nachgab.

Im Keller des Gebäudes Nummer 34 — wohin die Trümmer und ein Großteil der Opfer stürzten — befand sich die Diskothek "Coco Rico". Im Kataster ist sie als Parkgarage eingetragen, im Register des Inselrats ist dagegen eine Bar-Lizenz mit einer Kapazität von 30 Personen vermerkt. Trotzdem öffnete sie von 22 Uhr abends bis vier Uhr morgens und bot regelmäßig auch größere Partyevents an.

Rathaus hält sich mit Schuldzuweisungen zurück

Trotz dieser Häufung von Unregelmäßigkeiten hat die Stadtverwaltung von Palma noch keine Erklärungen darüber abgegeben, ob der Einsturz mit den Unregelmäßigkeiten zusammenhängen könnte. „Ich kann mit den derzeit vorliegenden Daten keine Vermutungen anstellen. Die gesamte Dokumentation, die im Bereich Stadtplanung zu diesem Lokal vorhanden ist, wird gründlich geprüft. Basierend darauf und mit den Berichten der Ermittler werden die Ursachen des Unglücks festgestellt werden können“, sagte der Stadtrat für Stadtplanung, Óscar Fidalgo.

Hauseinsturz an der Playa de Palma: Die ersten Aufnahmen nach dem Unglück

Redaktion DM

Offen bleibt auch noch die Frage, inwiefern die Renovierungsarbeiten, die wohl im vergangenen Winter auf der Terrasse durchgeführt wurden, ausschlaggebend für das Unglück sein könnten. "Wenn es eine Renovierung gab und ob dafür eine Lizenz vorlag oder nicht, wird sich in den Unterlagen zeigen."

Überprüfungen vor Ort

Die Ermittler prüfen derzeit zudem vor Ort, ob eventuell eine Überlastung der Terrasse zu dem Unglück geführt haben könnte. Erste Ermittlungen deuten darauf hin, dass die Struktur der Terrasse, die nachgab und das untere Stockwerk unter sich begrub, nicht für das Gewicht ausgelegt war. Im Außenbereich des Restaurants hielten sich nach Angaben des "Diario de Mallorca" etwa 20 Personen auf, als es zu dem Einsturz kam.

Die Rooftop-Terrasse des Medusa Beach.

Die Rooftop-Terrasse des Medusa Beach. / Instagram

Der Chef der Feuerwehr Palma, Éder García, bestätigte diese Zahl und erklärte, dass diese 20 Personen auf nur 20 Quadratmetern gestanden hätten. García hatte bereits kurz nach dem Unglück vermutet, dass das Gewicht ausschlaggebend für den Einsturz gewesen sein könnte.

Am Freitagmorgen begutachteten Sachverständige des Baudezernats von Palma und Beamte der Nationalpolizei das Unglücksgebäude gründlich. Sie fanden heraus, dass auf der Terrasse auch Stühle, Tische und andere Gegenstände standen, die das Gewicht, das die Struktur aushalten musste, noch erhöhten.