Pisa-Studie: Was sich von den Ergebnissen in Spanien lernen lässt

Wie die spanischen Schüler im internationalen und regionalen Vergleich dastehen

Nicht nur 
die Pandemie ist schuld

Nicht nur die Pandemie ist schuld / Aus Madrid berichtet Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

Die erste Pisa-Studie seit 2018 hat wie befürchtet einen dramatischen, fast durchgängigen Rückgang der Leistungen der Schüler und Schülerinnen auf der Welt bestätigt. Die OECD-Studie, für die im vergangenen Jahr 690.000 Personen in 81 Ländern bewertet wurden, spiegelt damit die Folgen der Corona-Pandemie wider. Es sind die schlechtesten Ergebnisse seit der ersten Pisa-Studie im Jahr 2000. „Es ist zu einfach, die Ergebnisse auf die Covid-Krise zu schieben“, warnte jedoch Daniel Roberto Salinas, einer der Autoren der am Dienstag (5.12.) in Madrid vorgestellten Studie. „Es ist eher so, dass die Pandemie einen Trend verschärft hat, der sich bereits seit einem Jahrzehnt abzeichnet.“

Doch gerade Spanien liefert die Studie Aufschlüsse dafür, inwiefern die coronabedingten Einschränkungen durchaus Spuren hinterlassen haben dürften. Auch hierzulande gingen die Leistungen in Mathematik, Naturwissenschaften und Lesen auf historische Tiefststände zurück, wobei der Verlust weit geringer ausfiel als in den meisten anderen europäischen Mitgliedstaaten.

Die Schüler im Alter von 15 und 16 Jahren schnitten in Mathematik acht Punkte schlechter ab als 2018, bei der Lesefähigkeit drei Punkte. In Naturwissenschaften verbesserten sie sich dagegen sogar um zwei Punkte. Im OECD-Schnitt ließen die mathematischen Fähigkeiten um 17 Punkte nach, beim Lesen beträgt das Minus elf Punkte, in den Naturwissenschaften vier. Europaweit beläuft sich der Rückgang in den drei Bereichen auf 20, 14 und sechs Punkte. Spanien nähert sich gegenüber der vorherigen Pisa-Studie also dem EU-Durchschnitt und liegt über dem Mittel der OECD-Staaten.

Den Widrigkeiten getrotzt

Die geringeren Leistungsverluste an den spanischen Schulen dürften mit dem Krisenmanagement in der Pandemie zu tun haben. Im Gegensatz zu anderen Ländern wie Deutschland wurden die Lerninstitute hierzulande wieder schnell für den Präsenzunterricht geöffnet. Spanien war außerdem internationaler Vorreiter bei der Impfkampagne, die von der Gesellschaft weitaus besser angenommen wurde als in der Bundesrepublik.

„Spanien liegt ungefähr im internationalen Durchschnitt“, kommentierte die Bildungsministerin und neue Regierungssprecherin Pilar Alegría die Pisa-Zahlen. „Unsere Bildungszentren passten sich viel besser an die Widrigkeiten an“, so die Sozialistin. Dennoch wolle sie das Abschneiden Spaniens bei der Studie nicht schönreden. „Die Regierung wird mit den Regionen und dem Lehrpersonal Seite an Seite arbeiten und mehr Ressourcen für eine Verbesserung der Bildung bereitstellen“, versprach Alegría.

Im regionalen Vergleich

Spanien hat bei der Bildungspolitik an den Schulen eine Rahmenkompetenz, die Regionen sind dagegen für die Bereitstellung der Bildungseinrichtungen verantwortlich und können den Lehrplan beeinflussen. Die Pisa-Studie machte einmal mehr die großen Unterschiede innerhalb des Landes deutlich. Kastilien-León schnitt erneut am besten ab und liegt im Gesamtranking der OECD in den Top Ten. Der Abstand zum Schlusslicht, den Kanarischen Inseln, hat sich zwar verkürzt. Die Distanz beträgt aber immer noch 30 bis 40 Punkte. Im Bereich Mathematik liegen zehn spanische Regionen über dem Durchschnitt der OECD, beim Lesen sind es neun, bei den Naturwissenschaften acht Regionen.

Werden die Klassen vielleicht bald nach der Unterrichtssprache getrennt? | FOTO: DM

Werden die Klassen vielleicht bald nach der Unterrichtssprache getrennt? | FOTO: DM / johannes krayer

Ergebnisse auf den Balearen

Die Leistungen der Schüler auf den Balearen liegen unter dem spanischen Durchschnitt. Im Fach Mathematik sank die erreichte Punktzahl gegenüber dem Jahr 2018 um zwölf auf jetzt 471, spanienweit von acht auf 473 Punkte. Die Lesefähigkeit auf den Inseln verschlechterte sich um sieben auf 472 Punkte, spanienweit um vier auf 474. Im Bereich Naturwissenschaften lagen die Balearen mit einem Ergebnis von 480 nur zwei Punkte unter dem Wert von 2018, in ganz Spanien wurden 483 Punkte erreicht, ebenfalls zwei weniger als beim letzten Test.

Die anderen Regionen

Die größten Rückschritte verzeichneten Katalonien und das Baskenland, während sich die Region Madrid sogar verbessern konnte und auf den vierten Platz aufrückte – wobei das Ergebnis vor vier Jahren extrem schlecht ausgefallen war. Das starke regionale Gefälle hat verschiedene Gründe wie Unterschiede bei den Klassengrößen oder bei den Angeboten an unterstützenden Maßnahmen. Einige Regionen kürzten im Zuge der Finanzkrise stärker an den Bildungsausgaben als andere. Darüber hinaus macht die Pisa-Studie ähnlich wie in anderen Ländern das Problem der Integration von Kindern von Migranten deutlich, die aufgrund sprachlicher Rückstände dem Unterricht zum Teil schwer folgen können. Die Balearen haben mit 17,6 Prozent spanienweit den höchsten Anteil von Schülern mit ausländischen Wurzeln, wobei fast die Hälfte aus anderen europäischen Staaten kommt.

Die Pisa-Studie liefert auch neuen Stoff für eine Debatte, die sich in Spanien in letzter Zeit verstärkt hat: die Frage des Gebrauchs von Mobiltelefonen im Klassenzimmer. Mehr als 60.000 Personen haben sich einem Aufruf zu einem Verbot von Handys in der Schule angeschlossen, vielerorts machen Eltern Druck. Die OECD hat sich allerdings gegen ein generelles Verbot ausgesprochen. So hat die Studie ergeben, dass ein rationaler, limitierter Gebrauch von Mobiltelefonen das Lernen sogar fördert. Spanien gehört zu den wenigen Ländern mit besseren Leistungen an Schulen, an denen Handys verboten sind.

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