Ein Vorbild für Real Mallorca: Wie der FC Girona die spanische Fußballwelt verzaubert

Die Katalanen sind im Titelkampf in der Primera División dabei. Nach dem 17. Spieltag ist das kein Zufall mehr. Dahinter stecken vor allem das Geld und das Know-how von Manchester City

Artem Dovbyk ist derzeit der Top-Scorer der Primera División.  | FOTO: SIU WU

Artem Dovbyk ist derzeit der Top-Scorer der Primera División. | FOTO: SIU WU / Ralf Petzold

Ralf Petzold

Ralf Petzold

Deutschland, Mai 1998: Otto Rehhagel rockt mit dem 1. FC Kaiserslautern die Fußball-Bundesliga und gewinnt als Aufsteiger den Titel.

England, Mai 2016: Der frühere Amateur-Kicker Jamie Vardy, der nach Schlägereien in der Disco auch schon mal eine elektronische Fußfessel tragen musste, verzückt die Premier League. Mit dem Fußballzwerg Leicester City holt der Engländer die Meisterschaft.

Spanien, Dezember 2023: Der FC Girona , der in seiner vierten Saison in der ersten Liga bestenfalls als Team fürs Mittelfeld ins Rennen gegangen war, ist nunmehr ein Titelanwärter.

Die Parallelen der drei Fälle sind offensichtlich. Die Geschichten der Außenseiter, die die vermeintlich Großen ärgern und Titel gewinnen, machen den Sport so attraktiv. Besonders in Spanien, wo seit Jahrzehnten Barça, Real Madrid und in manch gutem Jahr noch Atlético Madrid die Liga dominieren, ist das eine willkommene Abwechslung. Zumal Girona einfach guten und attraktiven Fußball spielt. Einen kleinen Schönheitsfehler gibt es aber dennoch, vor allem aus deutscher Sicht.

Denn beim Fußball werden die sonst so steifen und kühlen Deutschen zu Romantikern. „Mit Tradition und Herz gegen Kommerz“, lautet ein beliebter Slogan der Fanszene. Seit Jahren sind die sogenannten Retortenclubs RB Leipzig und TSG Hoffenheim das Feindbild der Ultras. „El plástico“ wird das Aufeinandertreffen beider Teams in Anlehnung an den spanischen Clásico genannt. Das Interesse der neutralen Fans hält sich bei diesem Spiel stets in Grenzen.

Geld aus Abu Dhabi und China

Am vergangenen Wochenende kam es in allen Bundesligastadien zu weitreichenden Protesten gegen einen anstehenden Rechteverkauf der Liga an Investoren. Und auch beim FC Girona ist jede Menge Geld im Spiel. 2017 stieg die City Football Group, die von Unternehmen aus Abu Dhabi und China geführt wird, bei dem Verein ein. Der Gruppe gehört auch Champions-League-Sieger Manchester City an. Bei zehn weiteren Clubs auf der ganzen Welt ist die Holding-Gesellschaft der Boss, mit zehn anderen Vereinen gibt es Partnerschaften. Die Fußballer werden wie Bohrmaschinen weitergegeben. Bestes Beispiel dafür ist der Venezolaner Yangel Herrera. Der Mittelfeldspieler wechselte bereits 2017 zu Manchester City, spielte aber keine einzige Partie für die Engländer. Es folgten fünf Leihen, ehe er im Sommer fest an Girona abgegeben wurde.

Gemeinsam mit der City Group hält die Girona Football Group in gleicher Höhe (44,3 Prozent) Anteile am Erstligisten. Die gehört Pere Guardiola, dem Bruder und Berater des Trainers von Manchester City. Neben Yangel Herrera haben drei weitere Spieler eine City-Vergangenheit. Ein weiterer Fußballer kam vom Schwester-Verein Troyes. Ausnahmslos Stammspieler, sie sorgen aktuell für den Erfolg.

Einen großen Anteil an der aktuellen Tabellenposition haben zuletzt noch zwei Ukrainer, die nicht aus dem City-Haus stammen. Girona hat im Sommer zum Schnäppchenpreis – der Krieg wird da sicherlich eine Rolle gespielt haben – die Angreifer Viktor Tsygankov und Artem Dovbyk geholt. Letzterer ist mit zehn Toren und fünf Vorlagen gemeinsam mit Jude Bellingham von Real Madrid der Top-Scorer der Liga und hat sich auf die Wunschliste der großen Clubs gespielt. Ein Schelm, wer nun an einen Wechsel zu Manchester City denkt.

Die Debatte, ob man dem Investoren-Club Girona den Erfolg gönnen kann oder nicht, wird außerhalb von Deutschland kaum geführt. Auch in England gehören Investoren zum Geschäftsmodell dazu. Selbst Leicester war beim Titelgewinn Eigentum einer thailändischen Duty-free-Kette und ist es noch heute.

Real Mallorca braucht Punkte

Die spanische Liga verkaufte bereits vor Jahren ihre Rechte an einen Investmentfonds. Im Gegensatz zur Bundesliga flogen damals keine Schokomünzen, um dagegen zu protestieren. Zumal es auch hierzulande normal ist, dass ein ausländischer Investor hinter einem Verein steht. So gehört auch Real Mallorca einem US-amerikanischen Eigentümergespann, das in den vergangenen Monaten immer mehr eine Art Show-Truppe aus dem Erstligisten gemacht hat, zum Beispiel durch die Einführung von Lichtershows, einer Kusskamera oder Go-go-Tänzerinnen.

Auf der Insel träumt man von einem ähnlichen Saisonverlauf, wie ihn derzeit Girona erlebt. Im neuen Jahr geht es am Mittwoch (3.1.) auswärts gegen Real Madrid weiter. Hier kann Real Mallorca gewissermaßen doch ein Stück weit in den Titelkampf eingreifen.

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