"Winter auf Mallorca“ endet am Sonntag - Insel-Radrennen reizt immer mehr Profis

Das Radrennen „Un hivern a Mallorca“ hat wieder an Fahrt aufgenommen. 2024 mit dabei: zwei deutsche Top-Teams und eine Schweizer Weltmeisterin

Anton Albrecht führt den Winter auf Mallorca derzeit an.

Anton Albrecht führt den Winter auf Mallorca derzeit an. / Bendgens

Ralf Petzold

Ralf Petzold

500 Euro Preis, kurze Strecke, nur drei Gegnerinnen – das Rennen „Un hivern a Mallorca“ (Ein Winter auf Mallorca) klingt nach schnellem Geld für Radfahrerinnen. Ein Trugschluss, meint Toni Bauzà, Präsident des balearischen Radsportverbands. „Denn für den Sieg müssen die Frauen erst einmal schauen, dass sie nicht disqualifiziert werden.“ Bei dem fünfteiligen Etappenrennen fahren sie gemeinsam mit den Männern. „Und die legen mit 40 bis 45 km/h im Durchschnitt ein Wahnsinnstempo hin. Wer mehr als fünf Minuten Rückstand hat, ist raus.“ Eine Hürde sollte man vielleicht noch erwähnen: Eine der Konkurrentinnen ist die amtierende Zeitfahr-Europameisterin und Staffel-Weltmeisterin Marlen Reusser.

Was ist das für ein Rennen?

Bereits in den 80er-Jahren schaute das balearische Tourismusministerium, wie man die Saison auf Mallorca verlängern könnte. Das öffentliche Unternehmen Ibatur initiierte eine ganze Reihe Sportevents, unter anderen dieses Radrennen. Besonders der Radclub von Arenal zeigte Interesse und übernahm die Organisation. Damals gab es vier Etappen, zwei an der Playa, zwei vom dortigen Radverein veranstaltete in Cala Millor.

„Das Rennen sollte den mallorquinischen Radfahrern eine Möglichkeit bieten, auf hohem Niveau auf der Insel an einem Wettkampf teilnehmen zu können“, sagt Bauzà. Schließlich gab es das Profirennen Mallorca Challenge erst ab 1992. „Doch schon von Anfang an interessierten sich ausländischen Radfahrer für den Hivern. Einer von ihnen war beispielsweise der Deutsche Marcel Wüst, der bei allen großen Touren Etappen gewonnen hat. Vor Olympia kamen ganze Nationalmannschaften.“

Vor neun Jahren wurde das Rennen eingestellt

Die Teilnahme derartiger Profis war damals aber noch sporadisch. Das Rennen schaffte es nicht, den nächsten Schritt zu machen. 2015 war dann erst einmal Schluss. „Das Rathaus Palma stellte den Radclub Arenal vor immer größere Probleme. Da ging es vor allem um die Straßensperrungen“, sagt Bauzà. Der Verein zog sich zurück, Cala Millor veranstaltete zwar weiterhin jährlich die zwei Etappen, aber nicht mehr als die „Winter-Rennen.“

Im vergangenen Jahr ergriff der Verband die Initiative, um das Radrennen mit fünf Etappen – allesamt im Osten und Norden der Insel – wieder ins Leben zu rufen. Kurz nach der Challenge haben die Weltklasse-Radler zwar schon wieder Mallorca verlassen, der Zeitpunkt ist aber ideal für die drittklassigen Profis. „Wir haben Unmengen an Einladungen an die Continental Teams verschickt“, sagt Bauzà. Das Interesse ist enorm, denn deren Saison beginnt erst Ende März, und viele sind derzeit hier im Trainingslager.

Die 250-Euro-Boys

Darunter sind Rad-Net, was die deutsche U23-Nationalmannschaft ist, und P&S Metalltechnik Benotti. Wie bei der Challenge können sich die Radsportler zwar auch nur zu einzelnen Etappen anmelden, im Gegensatz zu ihr wird die Zeit aber über alle fünf Strecken zusammen gestoppt. Acht der zehn Fahrer aus der Top 10 der Gesamtwertung stammen von diesen beiden Teams. Führender nach vier von fünf Etappen ist der Sachse Anton Albrecht mit elf Sekunden Vorsprung. Das Finale ist am Sonntag (18.2.) in Port de Pollença. „Die Konkurrenz ist groß. Es gibt neben den Deutschen auch viele starke mallorquinische Fahrer“, sagt der 27-jährige Albrecht, der sich kurzfristig entschieden hat, alle fünf Etappen zu fahren. „Da spielt der finanzielle Aspekt eine Rolle: Passt es mit der Arbeit? Wie sieht es mit den Flügen aus?“ Denn nur wenige Continental-Fahrer sind Vollzeitprofis. „Man nennt uns die 250-Euro-Boys, so viel verdienen wir“, sagt Albrecht.

Einer der Gründer des European Peace Ride

Er selbst arbeitet 25 Stunden die Woche als Sportdirektor für den European Peace Ride. Das Unternehmen brachte 2021 die Friedensfahrt wieder zurück in den Rennkalender – sie war einst als Tour de France des Ostens bekannt. Heute ist es mehr eine schnelle Radausfahrt mit Symbolcharakter. 200 Radsportler fahren in der Gruppe durch drei Länder. „Mit einem Schnitt von 28 km/h. Das ist schon sportlich“, sagt der Dresdner.

Ein klein wenig schielt Anton Albrecht aber noch auf die große Karriere. Schließlich wurde Moritz Kretschy, Winter-Gesamtsieger im Vorjahr, im Anschluss vom UCI World Team Israel-Premier Tech verpflichtet. „Das ist unser aller Traum. Ich bin gerade auf dem Höhepunkt meines Leistungsvermögens“, sagt Albrecht. „Ich bin aber auch ehrlich. Ich habe ein Sportwissenschaft-Studium in der Tasche und muss kein Profi werden.“

Die Weltmeisterin auf Mallorca

Anton Albrecht führt derzeit die Gesamtwertung des Winter-Rennens auf Mallorca an. Es endet am Sonntag in Port de Pollença.  | FOTO: BENDGENS

Anton Albrecht führt derzeit die Gesamtwertung des Winter-Rennens auf Mallorca an. Es endet am Sonntag in Port de Pollença. | FOTO: BENDGENS / Ralf Petzold

Marlen Reusser hatte schon länger mit dem Gedanken gespielt, auf Mallorca an einem Rennen teilzunehmen. Ihr Freund Hendrik Werner – Assistent der sportlichen Leitung bei Bora-hansgrohe – hat eine Finca in Sineu. „Den Winter verbringen wir auf Mallorca“, sagt die Schweizer Europameisterin. Dass die erste Etappe ein Zeitfahren war, spielte ihr in die Karten. „Ich hatte ein paar technische Änderungen an meinem Rad vorgenommen und wollte die ausprobieren. Das Rennen erschien mir sehr sympathisch und war gut organisiert.“ Ab der zweiten Etappe fuhr sie nicht mehr mit. Die anderen Frauen konnten nicht am Hauptfeld dranbleiben und schieden aus.

„Ich hatte die Tage davor intensiv trainiert und war einfach völlig durch. Das gesamte Rennen wäre zu viel gewesen“, sagt Reusser. In Zukunft könne sie sich aber vorstellen, das „coole Rennen“ komplett zu fahren. Dieses Jahr liegt der Fokus bei Reusser auf dem Einzelzeitfahren bei den Olympischen Spielen und der WM in der Schweiz. Im vergangenen Jahr gewann sie mit der Mixed-Staffel zum zweiten Mal die Weltmeisterschaft.

Die Schweizerin fährt für das niederländische Team SD Worx protime, das vergleichbar mit Visma-Lease a Bike (ehemals Jumbo) bei den Männern fast zu viele Alphatiere hat. „Wir haben die Erste, Zweite, Dritte – mich – und Fünfte der Weltrangliste. Natürlich sorgt das immer mal für Diskussionsstoff. Freud und Leid liegen da nah beieinander“, sagt Reusser. Im Zweifel bleibt auf jeden Fall ein Winter auf Mallorca.

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