Eigentlich ist nur ein wunderschönes Nichts zu sehen. Wir stehen am Aussichtpunkt Malgrats in Santa Ponça und blicken auf weiten Teile des kürzlich erweiterten Meeresschutzgebiets an der Küste der Gemeinde Calvià. Das Meer ist an diesem Oktobertag ruhig, die leicht gekräuselte dunkelblaue Oberfläche geht fast übergangslos in den grauen Himmel über.

So schön der Ausblick ist, spannend wird es erst unter der Oberfläche. „Während nur eines Tauchgangs kann man rund um die Inseln hier bis zu 15 Zackenbarsche sehen, die zehn oder sogar 20 Kilo schwer sind“, sagt Meeresbiologe Aniol Esteban und zeigt mit seinen Händen wie ein stolzer Hobbyfischer die Größe der meros.

Fläche des Meereschutzgebietes auf einen Schlag verzehnfacht

Der Leiter der Meeresschutzstiftung Fundación Marilles geht regelmäßig tauchen und schnorcheln, er kennt die verschiedenen reservas marinas der Balearen gut. Hier an der Küste von Calvià gab es bis vor Kurzem zwei kleinere Gebiete: eines rund um die Insel El Toro, ein weiteres bei den Malgrats-Inseln. Jetzt sind beide zusammengefasst und erweitert worden. Aus 227 wurden 2.952 Hektar. Das Meeresschutzgebiet erstreckt sich jetzt bis zum Leuchtturm an der Cala Figuera.

Die Meeresschützer freuen sich darüber, erhofft hatten sie sich aber noch ein größeres Gebiet bis zur Insel del Sec in der Gegend von Portals Vells. Aniol Esteban argumentiert wirtschaftlich: „Für jeden Euro, den wir in Meeresschutzgebiete stecken, bekommen wir zehn Euro zurück.“ Denn ein gesünderes Meer führe zu schöneren Stränden und stabilere Tourismuseinnahmen. Außerdem profitierten Tauchschulen von der lebendigen Unterwasserwelt und andere touristische Anbieter von der schönen Natur, die ringsum entsteht. Vor uns bewegt sich eine Gruppe mit Stand-up-Paddeln an den Inseln entlang.

Der Meeresbiologe Aniol Esteban leitet die Meeresschutzstiftung Marilles. | FOTO: BENDGENS

Das Meeresschutzgebiet ist Aniol Esteban zufolge auch für jene gut, die dadurch in ihrer Arbeit eingeschränkt werden: die Fischer. In der reserva marina dürfen sie nur unter Auflagen fischen. Dennoch profitierten sie von der gestiegenen Fischpopulation, die sich auch außerhalb des Schutzgebietes ausbreite, sagt Aniol Esteban.

Mallorcas Fischer bleiben skeptisch

Ganz so begeistert wie er sind die Fischer allerdings nicht. Ihr balearischer Verbandsvorsitzender, Domingo Bonnín, sieht in Schutzgebieten wie dem vor der Küste Calviàs ein zweischneidiges Schwert. Zum einen sei es den professionellen Fischern wichtig, dass es dem Meer und seinen Bewohnern gut geht.

Zum anderen findet Bonnín, dass die Regeln, die für reservas marinas gelten, nicht der Realität seiner Zunft angepasst sind. So darf ein Schiff nur 40 Netze nutzen, egal ob ein Fischer oder mehrere an Bord sind. „Aber für mehr als einen Fischer sind 40 Netze nicht rentabel. Wenn man zu zweit ist, braucht man eigentlich 80“, erklärt Bonnín. Und wenn man nur allein rausfahren könne, gebe es keine Zusammenarbeit zwischen Jung und Alt, was den Generationswechsel erschwere. Er denkt, dass gerade auf den Balearen, wo die Fischerflotte im Vergleich zum Festland extrem klein ist, gesonderte Regelungen gelten könnten.

Das Meeresschutzgebiet el Toro, Malgrats. Die gestreifte Zone ist streng geschützt. CAIB

Eines ist dem Fischer genauso klar wie Aniol Esteban: Der Trend geht hin zu mehr reservas marinas. Bis 2030 sollen in der EU 30 Prozent der Meere unter Schutz stehen. Die Balearen sind auf einem guten Weg dorthin, hier sind es schon über 20 Prozent. Allerdings gehört zu dem EU-Ziel auch, dass zehn Prozent der Meeresfläche streng geschützt sein müssen; die Balearen kommen nur auf 0,2 Prozent. Bis auf wenige Ausnahmen darf in diesen Gebieten gar nicht mehr gefischt werden. Kleinere Zonen rund um die Inseln Malgrats und El Toro gehören dazu. Zu wenig für Aniol Esteban. „Um das EU-Ziel zu schaffen, müssten die strengen Regeln für ein Drittel jedes balearischen Meeresschutzgebietes gelten.“

Die Rückkehr der Seepferdchen

Für Aniol Esteban ist die Gegend rund um El Toro das beste Beispiel dafür, wie schnell sich das Meer erholt. Seit das Gebiet 2004 unter Schutz gestellt wurde, ist die Biomasse acht bis zehn Mal größer geworden. „Das Meer ist extrem dankbar. Kaum eine Umweltmaßnahme ist so schnell so wirksam“, sagt er. Er sei vor Kurzem im Nationalpark Cabrera schnorcheln gewesen, schon in geringer Tiefe habe er dort viele große Fische und Kraken entdeckt.

„Wenn mehr Menschen das sehen könnten, wüssten sie, dass der Schutz des Meeres sich lohnt“, sagt er. So wie vor Cabrera könne es überall auf den Balearen wieder werden. Esteban träumt davon, wie früher Seepferdchen beim Schwimmen zu entdecken und vielleicht sogar kleine Haie zurückzuholen. „Ich glaube, wir haben inzwischen nicht mehr die Fantasie, uns vorzustellen, wie das Leben in unserem Meer einmal gewesen ist – und wie es wieder werden kann“, sagt er und blickt auf die blaue Oberfläche, unter der sich die Fische schon jetzt vermehren.