Alle finden Mallorca gut - das stellt die Regierung auf der ITB vor Probleme

Ministerpräsidentin verspricht 350 Millionen Euro aus der Touristensteuer für Nachhaltigkeit, Bürgermeister verspricht mehr Polizei an der Playa - ganz neu ist das alles nicht, aber wie sollte es auch?

Mallorca auf der ITB: Ministerpräsidentin Marga Prohens begrüßt die Gäste auf Deutsch

Redaktion MZ

Ciro Krauthausen

Ciro Krauthausen

Messen sind Marktplätze, große Messen wie die Internationale Tourismusbörse (ITB) in Berlin sind riesige Marktplätze: Um auf ihnen bestehen zu können, braucht es eingängige Botschaften, gute Verkaufsargumente, effektvolle Vermittlung.

Doch was tun, wenn das Produkt, das verkauft werden soll, schon allseits bekannt und beliebt ist, wenn es keine allzu grundlegenden Veränderungen gibt? Das war die Herausforderung, vor der Mallorca an diesem Dienstag (5.3.) in den Berliner Messehallen stand.

Mallorca finden alle gut

Denn Mallorca braucht zumindest derzeit nicht wirklich Werbung. Mallorca finden alle gut, vor allem die Deutschen, wie die großen Reiseveranstalter Tui und Alltours auf ihren Pressekonferenzen noch einmal bestätigten. Bei beiden ist die Insel auch in diesem Sommer die mit weitem Abstand am meisten nachgefragte ausländische Urlaubsdestination der Deutschen, und dies, obwohl sie nicht mit den Angeboten mithalten kann, mit denen andere Destinationen wie Bulgarien, Ägypten oder der Türkei gegenüber den inflationsbedingt preisbewusster gewordenen Familienurlaubern wuchern.

Der 350 Millionen-Euro-Claim

Wie also werben für Mallorca, wie Aufmerksamkeit erregen? Eine Möglichkeit besteht darin, eine große Zahl auf den Marktplatz der Nachrichten zu werfen. Es war die Möglichkeit, die die balearische Ministerpräsidentin Marga Prohens (Volkspartei, PP) wählte. Die Inseln würden 350 Millionen Euro in Nachhaltigkeitsprojekte, den Wasserkreislauf, Verbesserungen der Infrastruktur, Ausbildung und Kultur und Sport investieren, kündigte Prohens an.

Das ist viel Geld, und es stammt von den Urlaubern selbst oder genauer: der Touristensteuer, die die sozialistische Vorgängerregierung einführte und mit der sich die Konservativen, die sie lange bekämpft hatten, längst angefreundet haben. Allerdings ist das Geld noch gar nicht da, wie Prohens und ihr Tourismusminister Jaume Bauzá auf Nachfrage einräumen mussten. 74 Millionen Euro stammen aus dem vergangenen Haushaltsjahr, 140 Millionen Euro sollen 2024 eingenommen werden und weitere 140 Millionen im Jahr 2025. Macht 354 Millionen Euro, die zweckgebunden und nachweisbar in die erwähnten Schwerpunkte - und in nichts Anderes, wie teils bei den Vorgängern - investiert werden sollen, wie Prohens immer wieder unterstrich.

Das Pfund, mit dem die Balearen in Berlin wuchern, ist somit eines, das einst andere angelegt haben. Wie auch der weiträumige Messestand in Messehalle 2.1 derselbe ist wie schon im vergangenen Jahr, mit dem Seegras (Posidonia) als Motiv und Sinnbild für eine Inselgruppe, die ihre Umwelt schützen will. Die Sozialisten sprachen von "nachhaltigem Tourismus", die Konservativen sprechen von "verantwortungsbewussten Tourismus" - das ist nicht weit voneinander entfernt, wie auch die hübsche neue Werbekampagne rund um die "mediterrane Seele" der Inseln nicht weit entfernt ist von anderen aus der Vergangenheit.

"Verantwortungsvoller Tourismus" – So wird der Mallorca-Urlaub 2024 beworben

Salomé Wirsinger

"Versprechen" für Verantwortungsbewusstsein

So sind es eher die Akzente, die sich geändert haben. Mallorcas Inselrat arbeitet jetzt mit der Mallorca Preservation Foundation zusammen, um seinerseits gemeinsam mit Gemeinden, Unternehmen und Airlines ein "Versprechen" (auf Englisch: pledge) für verantwortungsbewusstes Handeln und Wirtschaften abzugeben (und die Urlauber daran zu erinnern, sich ebenso zu verhalten).

Angestoßen hat die Mallorca Preservation Foundation maßgeblich die auf Luxusimmobilien spezialisierte Maklerfirma Engel & Völkers, dessen engagierter Managing Director für den Südwesten der Insel, Hans Lenz, ebenfalls am Dienstag in Berlin das Wort ergriff. Die für die Mallorca Preservation Foundation von dem Italiener Diego Ricchiuti entwickelten provokanten Werbemotive sollen ab Mai mit Unterstützung des Inselrats auch in deutschen Flughäfen und Städten zu sehen sein.

Werbung für Verantwortungsbewusstsein unter den Urlaubern der Mallorca Preservation Foundation.

Werbung für Verantwortungsbewusstsein unter den Urlaubern der Mallorca Preservation Foundation. / MPF

Eine weitere Akzentverschiebung: Die Konservativen In Landesregierung, Inselrat und Stadt Palma thematisieren nun explizit die Frage des nicht immer einfachen Zusammenlebens von Millionen Urlaubern und der knapp einer Millione Einwohner der Insel, also den freilich jetzt nicht mehr so genannten Overtourism. "Das ist ein Thema, das uns Sorgen bereitet und beschäftigt", sagte Marga Prohnes. Das Gefühl der Überfüllung müsse mit einer besseren Steuerung der Urlauberströme und auch einem Ausbau etwa der Verkehrsinfrakstruktur begegnet werden.

Und mit einer besseren Verteilung der Besucher über das Jahr. Sie wünsche sich da eine Entwicklung wie bei den deutschen Urlaubern, deren Anzahl im Sommer 2023 etwas geringer gewesen sei als in den Vorjahren, dafür aber in der Nebensaison zugenommen habe. "Das ist für uns ideal", sagte Prohens.

Und schließlich: Sport- und Kulturangebote spielen nun bei der Werbung eine größere Rolle, und zwar nicht nur bei den Gemeinden - Andratx präsentierte am Dienstag seinen Trapa-Trail, Calvià eine "Family Challenge" -, sondern auch bei den privaten Veranstaltern. Eine Bühne auf dem von der Landesregierung bezahlten Messeauftritt erhielten am Dienstag erstmals auch das Evolution Mallorca Film Festival, das Mallorca Live Festival und die Golf- und Tennisturniere der Emotion Group in Santa Ponça.

Mehr Erlebnisse bieten

Mallorca soll den Urlaubern mehr "Erlebnisse" abseits aller bekannten Vorzüge bieten können - damit sind die Balearen auf einer Linie mit der Tui, deren Kundenumfragen ebenfalls einen wachsenden Erlebnishunger gerade unter den nachwachsenden deutschen Urlaubern verzeichnet, wie der Deutschland-Chef des Reiseveranstalters Stefan Baumert erklärte.

Aber natürlich ist da - Stichwort Erlebnis - noch etwas anderes auf Mallorca: der Schandfleck Ballermann. Auch darum ging es am Dienstag in Berlin. Palmas neuer Bürgermeister Jaime Martínez umriss zunächst die Dimensionen des Urlaubergeschäfts an der Playa de Palma - 32.000 Gästebetten, 12.000 Arbeitsplätze 1,4 Milliarden Jahresumsatz, 3 Prozent des balearischen Bruttoinlandsprodukt - und hob hervor, wie viel sich dort schon in Sachen Aufwertung getan hat. Unter anderem sei das daran abzulesen, dass nunmehr die Mehrzahl der Hotels vier oder mehr Sterne hat.

"Schwamm drüber und Neustart"

Doch dann - Martínez hob sogar ein wenig die Stimme - die Warnung an die Krawallmacher unter den Partytouristen: "Basta mit Vandalismus!" Eine Verordnung mit noch schärferen Bußgeldern - bis zu 3.000 Euro - wegen unzivilisiertem Verhalten sei schon in Arbeit, und man werde noch mehr Polizei einsetzen, um sie durchzusetzen. Wie sich die Stadt den Umgang mit der Playa de Palma vorstellt, gibt am besten die nicht humorfreie Übersetzung einer spanischen Redewendung ("punto y aparte") in der Powerpoint-Präsentation wider: "Schwamm drüber und Neustart".

Wem auch dieser Ansatz nicht ganz unbekannt vorkommt, hat recht. Aber Mallorca muss vielleicht das Rad auch nicht fortwährend neu erfinden. Mallorca ist seit Jahren gut unterwegs. "Wir haben zuerst vorgemacht, wie man eine Urlaubsdestination von Weltformat aufbaut. Dann sind wir dazu übergegangen, unser touristisches Know-how zu exportieren. Jetzt stehen wir vor der Herausforderung, der Welt zu zeigen, wie eine vollends ausgebaute Urlaubsdestination nachhaltig umgebaut werden kann", sagte der Tourismusdezernent im Inselrat, José Marcial Rodríguez. "Jeder Mensch hat das Recht, seinen Urlaub dort zu verbringen, wo es ihm passt. Aber jeder Mensch hat auch das Recht, an seinem Wohnort ungestört leben zu können."

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