Wie funktioniert Bienenschutz auf Mallorca? Neun Arten sind bereits besonders gefährdet

Volkszählung bei den wilden Bestäubern: Viele Bienenarten sind vom Aussterben bedroht. Nur wer sie kennt, kann sie auch schützen

Diese Forscher untersuchen auf Mallorca den Bienenschutz und die Artenvielfalt.

Diese Forscher untersuchen auf Mallorca den Bienenschutz und die Artenvielfalt. / Nele Bendgens

Die Wildbiene ist ins Netz gegangen. Jetzt gilt es, sie festzuhalten und zu fotografieren. Weitere Bienen werden in verschließbare Glasröhrchen geschoben und im Rucksack verstaut. „Da ist es kühl und dunkel, das Insekt meint, dass es Nacht ist oder sich im Nest befindet, und schläft prompt ein“, sagt Fortunato Fulvio Bitonto. Der italienische Biologe wird im Rahmen eines Praktikums sechs Monate auf der Insel forschen.

Der Botaniker Fortunato Bitonto und der Ökologe Francisco Fuster identifizieren zwischen den Thymian-Polstern eine Wildbiene.

Der Botaniker Fortunato Bitonto und der Ökologe Francisco Fuster identifizieren zwischen den Thymian-Polstern eine Wildbiene. / Nele Bendgens

Ihm zur Seite steht der mallorquinische Ökologe Francisco Fuster Bejarano von Imedea (Instituto Mediterráneo de Estudios Avanzados). Das Institut in Esporles ist, wie auch andere Institute in Spanien, Frankreich, Italien und Slowenien Partner des von der EU finanzierten Projekts „Life 4 Pollinators“. Gemeinsam suchen sie nach Lösungen gegen das Sterben von Wildbienen und anderen bestäubenden Insekten. Knapp zehn Prozent der 2.000 Wildbienenarten Europas gelten als vom Aussterben bedroht. Auf den Balearen gibt es 237 Wildbienenarten, von denen neun endemisch und besonders gefährdet sind, weil es sich um kleine Bestände handelt. „Allerdings gibt es in Spanien bisher keine Rote Liste der vom Aussterben bedrohten Wildbienenarten“, erklärt Bitonto.

Welche Wildbiene ist das?

Welche Wildbiene ist das? / Barbara POhle

Die von den südeuropäischen Forschern gesammelten Daten teilen sie mit Parkangestellten, Imkern, Landwirten und der allgemeinen Öffentlichkeit. Auf der Website des Projekts lassen sich aber auch Fotos von Wildinsekten hochladen, um Auskunft über den Namen der Spezies zu bekommen. Zum Download hinterlegt finden sich dort zudem Informationen über die Vielfalt der Bestäuber und wie man lernt, sie zu schützen.

Federführend ist die Universität Bologna. Dort wartet man bereits auf die Ergebnisse der Recherchen der Wissenschaftler auf Mallorca. Sie sind Teil der Doktorarbeit Bitontos. Sein Thema: Vergleich von Zahl und Arten wilder Bestäuber im ökologischen und konventionellen Anbau.

Von Blühern und Bienen

Auf der Finca in der Inselmitte konzentrieren sich die beiden auf Wildbienen. Bei der so flott ins Netz gegangenen Wildbiene handelt es sich um eine endemische Furchenbienenart (Lasioglossum nitidulum hammi). Wie auch andere Arten wird sie vor allem von der blauen Blüte des einheimischen Kopfigen Thymians (Thymbra capitata bot., tomillo aceitunero span., frígola de Sant Joan kat.) angezogen. Er bietet Wild- und Honigbienen Nahrung. Seit fünf Jahren vermehren sich die Polster hier auf der Ökofinca und wirken wie ein provencalisches Lavendelfeld in Miniatur.

Zu der botanischen Seltenheit der Polster auf vielen Quadratmetern konnte es nur kommen, weil weder Traktor noch Pflug ihre Wurzeln beschädigten. Zudem halten die Betreiber des Umweltprojekts „Equilibri“ den Standort geheim, weil Eindringlinge bereits mehrmals versucht hatten, Pflanzenteile auszureißen. Doch sie wachsen nicht an, weil die Vermehrung des Thymians ausschließlich durch Samen gelingt.

Und dazu braucht es die über den Polstern summenden und brummenden Insekten. Sie nehmen sich Zeit und lassen sich auf den Blütenköpfen zum Bestäuben und Schlürfen nieder. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Blüte reichlich Nektar enthält. „Die Nektarmenge hängt von den Niederschlägen ab,“ erklärt der Botaniker. Erst nachdem es im Juni noch einmal regnete, hätte diese Explosion der Blüte stattgefunden.

Nicht weit entfernt von der Thymian-Kolonie befinden sich die Bienenstöcke des Projekts „Equilibri“. Doch die beiden Experten warnen davor, die Population der Honigbienen (Apis mellifera) zu erhöhen. „Die Honigbiene ist dominant, aber bestäubt viel weniger Pflanzenarten als die Wildbienen“, sagt Fuster. Stürben viele dieses Bienenarten aus, könnten sich auch die Gewächse, auf die sie spezialisiert sind, nicht weitervermehren. Für die Biodiversität bedeute dies einen unermesslichen Schaden.

Die Feldforschung

Die Experten waren zudem in Es Trenc und Sa Ràpita unterwegs, naturbelassenen Landschaften, in denen Wildbienen Nistplätze in Mauern, Altholz oder in der Erde finden können. In den Städten sind die Insekten weitgehend aus ihrem Habitat vertrieben. Insektenhotels könnten die Bestände fördern. Dabei ist wichtig, dass sie allen Spezies Material zum Nisten bieten, doch dazu muss man die Arten kennen.

Deshalb besuchten Bitonto und Fuster auch sechs Parks in Palma. Ihre Zählung ergab, dass in städtischen Grünanlagen mit bienenfreundlicher Bepflanzung neben einem Insektenhotel etwa sechzig Prozent mehr Bestäuber leben als in Anlagen ohne.

Auch beim Vergleich von öko- und konventionellen Inselfincas gibt es erste Forschungsergebnisse: Der Unterschied der Bestäubermenge ist nicht groß, doch in den Ökofincas ist die Zahl der verschiedenen Insektenarten höher.

Da Bitonto und Fuster die Bestäuber nicht noch mehr gefährden wollen, öffnen sie jetzt die mittlerweile beschrifteten Röhrchen: Die endemische Furchenbiene fliegt seelenruhig und unbeschadet auf und davon.

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