Antonio Morales findet nur, wer ihn sucht. Keine Aushänge am Schaufenster, kein Schild markiert den Eingang. Hinter einer ganz normalen Glastür verbirgt sich seine Werkstatt. Dort riecht es nach Holz und Pflegemitteln. Alte Werkzeuge und Holzteile liegen im Raum verteilt. Morales sieht sich als einfacher Handwerker und das zeigt er in seinem Reich.

Aber der 65-Jährige hat auch keine Werbung und keinen luxuriösen Verkaufsraum nötig. Mehr als genug Leute aus der ganzen Welt suchen und finden den Weg zu der unscheinbaren Tür des Gitarrenbauers in Palmas Stadtviertel Pere Garau. Die Musiker warten teilweise Jahre, bis sie endlich an die Reihe kommen. Selbst Paul McCartney soll eine seiner Gitarren besitzen, doch sein wichtigster Kunde war Paco de Lucía (1947–2014).

Die andalusische Flamenco-Legende mit Mallorca-Zweitwohnsitz wird derzeit in Palma mit einem nach ihm benannten Festival geehrt. Dazu gehört auch eine Ausstellung im Stadtpalast Can Balaguer mit Fotos der Gitarren, die Paco de Lucía auf der Insel besessen hat. Viele davon hat Morales gebaut, der sein Handwerk einst bei dem nach Mallorca emigrierten US-Amerikaner George M. Bowden gelernt hatte.

Ein Zufall brachte den Gitarranbauer mit Flamenco-Legende Paco de Lucía zusammen

Dass er für und mit dem Weltstar arbeiten konnte, habe allerdings damit zu tun gehabt, dass er gelernter Schreiner ist, erzählt Morales. Paco de Lucía verbrachte die letzten neun Jahre seines Lebens auf Mallorca. 2005 zog der Weltstar mit seiner zweiten Frau und ihrer gemeinsamen Tochter zunächst nach Campos, 2009 dann nach Establiments vor den Toren Palmas. Dort wollte er, dass ein Schreiner sich das neue Haus ansah. Ein gemeinsamer Freund empfahl Antonio Morales.

Sie hätten sich von Anfang an gut verstanden, sagt Morales, obwohl der Gitarrist gar nicht gewusst hätte, dass er Gitarrenbauer ist. „Menschen wie Paco werden von meiner Zunft belagert. Ich hätte mich gar nicht getraut, ihn anzusprechen“, so der 65-Jährige, der als Jugendlicher aus der Extremadura nach Palma kam.

Der gemeinsame Freund habe Paco de Lucía dann aufgeklärt. „Daraufhin fragte er mich, ob ich ihm eine Gitarre mitbringen könnte“, erinnert sich Morales. Dem Musiker gefiel das Instrument, auch wenn er noch einiges auszusetzen hatte. „Für mich gibt es ein vor Paco de Lucía und ein danach in der Art, wie ich meine Gitarren baue“, sagt Morales. Von da an arbeiteten sie zusammen, Morales wurde de Lucías Gitarrenbauer. Und sein Vertrauter.

„Dadurch, dass wir befreundet waren und viel Zeit zusammen verbrachten, war es auch leichter, Instrumente für ihn zu bauen“, erzählt Morales. Manchmal habe ihm Paco de Lucía Gitarren mitgegeben, die ihm gefielen. Morales versuchte, deren Vorzüge in die seinen zu integrieren. Als Instrumentenbauer müsse er in die Köpfe der Musiker schauen, versuchen, ihre Vorstellung eines perfekten Instrumentes zu erfüllen.

Dabei geht es nicht nur um den Klang. Die Gitarre muss bequem liegen, die Flexibilität der Saiten muss zu dem Stil des Gitarristen passen. Die Balance muss stimmen. Das Instrument muss sich richtig anfühlen. „Manche Sachen sind fast psychisch, die Gitarristen hören dann zum Beispiel irgendeinen Nachhall, den niemand anderes hört“, sagt Morales. Er versuche zu helfen, wo er kann. Teilweise höre der Nachhall oder das Scharren, das die Musiker wahrnehmen, irgendwann von selbst auf. Gerade hochkarätige Musiker sind häufig Perfektionisten, wenn es um ihre Instrumente geht. Paco de Lucía war dafür bekannt.

Der Gitarrenbauer Antonio Morales verwendet keine Lackierpistole, sondern lackiert in seiner Werkstatt in Palma aufwändig per Hand. Nele Bendgens

„Irgendwann haben wir eine neue Gitarre geplant und ich habe ihm gesagt: Ich weiß genau, was du willst“, erzählt Morales. „Ich weiß es doch selbst noch nicht“, habe Paco de Lucía erwidert. Woraufhin Morales ihm die Eigenschaften aufzählte, die seine nächste Gitarre brauchte. „Und da hat Paco gesagt: Du kennst mich ja wirklich schon verdammt gut“, lacht Morales. Auch sonst lacht der Mann mit dem weißen Haarzopf und dem dichten Bart viel und herzlich, wenn er spricht.

Gitarrenbau ist für Antonio Morales reinstes Handwerk

Wenn er seine Arbeit macht, ist er dagegen ruhig und ernst. Es ist reinstes Handwerk. Morales berechnet, skizziert, sägt, schmirgelt, poliert, verziert, lackiert seine Gitarren selbst. Es braucht Wochen, bis er ein Instrument fertig hat. Früher produzierte er zehn bis zwölf im Jahr, jetzt sind es nur noch fünf oder sechs. Morales ist in Rente, macht nur noch so viel, wie ihm Spaß macht.

Die Warteliste auf seine Instrumente wird er wohl nicht mehr abarbeiten, zumal er jetzt auch Gitarren für sich selbst bauen will. Bisher hat Morales nur seine allererste Gitarre behalten. Ihm gefalle jeder Arbeitsschritt seines Handwerks, sagt er. Außer dem Schluss. „Am Ende sind die Gitarren nie das, was ich wollte“, sagt Antonio Morales und lacht erneut. „Ich denke mir immer: Die nächste wird noch besser.“ Schon sein Meister George M. Bowden sei gestorben, bevor er die perfekte Gitarre bauen konnte. Ihm werde es wohl genauso gehen.