Im Glasofen muss sich eine fast vollendete Sonnenblume gedulden, bis sich ihre Schöpferin Connie Mildner (64) wieder mit ihr befassen kann. Denn die lebensfrohe Kanadierin bittet zum Besuch in ihre Werkstatt und Galerie auf der Finca Son Barrina bei Llubí. Die Blume soll später einmal den Innenhof verschönern – so wie etwa der Fisch über dem Grill oder die Seepferdchen am Fenster.

„Bevor wir hineingehen, muss ich euch unbedingt meine neueste Verrücktheit zeigen“, sagt die Glaskünstlerin und führt um das Haus herum. Dort wuchert ein mehr als mannshoher gläserner Kaktus wild an der Wand. „Ich habe ihn so realistisch wie möglich gemacht, also Achtung: Er pikst!“, warnt sie.

Nicht anfassen: Der riesige Kaktus an der Hauswand ist das jüngste Experiment der Künstlerin. Nele Bendgens

Von Keramik über Mosaike zur Glaskunst

Bis Mildner sich an solche „gefährlichen“ und meisterhaft umgesetzten Spielereien wagen konnte, war es ein weiter Weg. Die Autodidaktin kam erst über Umwege zu ihrer Leidenschaft. Gemeinsam mit ihrem Mann betreibt sie seit 24 Jahren die Öko-Finca Son Barrina, heute eine Referenz auf der Insel. Der dazugehörige Bioladen schloss im Jahr 2016. Seitdem hat Mildner mehr Zeit für neue Herausforderungen. Hinzu kam: Ihre Mutter erkrankte an Alzheimer, die Kanadierin holte sie zu sich und kümmerte sich um sie. Oft sei sie selbst frustriert gewesen. Sie begann zu töpfern, um die Anspannung auszugleichen. „Das war okay, aber ich brannte nicht dafür“, sagt Mildner über ihre Keramikphase.

Ein Jahr später versuchte sie es mit Mosaiken und kreierte einen neuen Tisch für das Esszimmer. „Als ich damit fertig war, sagte ein Freund zu mir: Ich kenne jemanden, der auch Mosaike macht. Kann ich ihn mitbringen?“ Ihr späterer Mentor kam, sah den Tisch und ermunterte Mildner, das Gleiche noch einmal mit Glas zu versuchen. „Bis dahin hatte ich noch nie etwas damit zu tun gehabt, ich habe mich höchstens daran geschnitten“, sagt sie. Als sie den mit Glasstücken beklebten Tisch tatsächlich fertig hatte, lud sie den Mosaik-Meister zum Beweis ihres Erfolgs zum Essen ein. „Er begutachtete das Werk und sagte dann nur: Ja, du kannst Glas schneiden. Jetzt darfst du meinen Ofen haben“, erzählt Mildner.

Große Liebe zum "unzerstörbaren" Werkstoff

Unterstützung habe sie von ihrem wortkargen „Lehrer“ ansonsten wenig bekommen, aber gerade das habe ihren Ehrgeiz geweckt und sie beflügelt. Das meiste brachte sie sich selbst bei – ein konstanter Lernprozess. Mit Glas zu arbeiten sei perfekt, um den Kopf freizubekommen, die Stunden flögen dann nur so dahin: „Wenn ich ein neues Projekt anfange, kommt garantiert irgendwann mein Mann herein und fragt: Willst du denn heute gar nichts essen?“, sagt sie.

Die Liebe zum Werkstoff ist so groß wie die zur auf der Finca betriebenen Permakultur – denn Glas sei so permanent, wie etwas überhaupt nur sein könne. Eine Keramikschüssel, die zerbricht, ist für immer dahin, aber eine Glasschale kann sich immer wieder in etwas Neues verwandeln lassen. „Das ist eine verblüffende und praktisch unzerstörbare Substanz“, schwärmt Mildner.

Die dynamisch schwungvollen Wellen sind unter den Kunden der Galerie besonders beliebt Nele Bendgens

Recyceltes Glas und Kunstglas

An Material-Nachschub mangelt es nie, neben dem Hauseingang lehnen Dutzende von ausgemusterten Scheiben: „Alle Fensterhersteller sind glücklich, wenn man ihnen zerbrochene Stücke abnimmt“, sagt die Künstlerin. Für ihre Arbeiten nutzt sie am liebsten recyceltes Glas. Allerdings seien dabei die Möglichkeiten, es nachträglich einzufärben, begrenzt. Kunstglas, das sie ebenfalls verwendet, gebe es dagegen in Hunderten von Farbtönen.

Die Galerie ist bestückt mit Werken in allen möglichen Techniken: von dekorativen Schalen und Tellern mit verschiedensten Mustern bis hin zu anmutigen Deko-Objekten. „Die meisten Stücke sind von der Natur inspiriert“, sagt Mildner. Die Wellen seien ihre Bestseller. Bei einem anderen Werk hatte selbst ihr Mentor Zweifel, ob es funktionieren würde: eine Spirale, die so viele Freiflächen und so wenig Stütze hat, dass man sich fragt, was um alles in der Welt sie zusammenhält. Doch das Experiment gelang. Das bislang schwierigste Stück für Mildner war indes eine Unterwasserszene mit Quallen: „Ich habe mehrere Versuche gebraucht, um die blubbernde Quallen-Textur überzeugend hinzubekommen.“

Das Thema Meer ist auch außerhalb der Galerie präsent, nämlich in einer während der Pandemie geschaffenen Sitzecke. „Wir nennen sie die ,Beach Bar‘, weil wir meist zu faul sind, um an den Strand zu fahren“, sagt Mildner. Für das Urlaubsgefühl sorgen der blaue Tresen und Unterwasserfotografien. Mildner selbst designte natürlich den Tisch, dessen Platte Brettspiele aus blauem Glas zieren. Sehr praktisch: „Wenn wir hier ein Abendessen mit Familien haben, kommt bei den Kindern keine Langeweile auf.“

lm Glastisch mit eingelassenen Brettspielen sind Kinder gut beschäftigt. Nele Bendgens

Stücke in der Galerie und maßgeschneiderte Workshops

Wer nicht gleich ein massives Möbelstück in Auftrag geben will, kann kleinere Arbeiten aus recyceltem Glas bereits ab 20 Euro erwerben. Je größer die Glasarbeit, desto höher sind Materialkosten und Preis – Schalen liegen bei 70 bis 240 Euro. Neben den eigenen Glaskunstwerken verkauft Mildner auch Gemälde und Keramik von befreundeten Künstlerinnen sowie formschöne, unverschämt bequeme Holzstühle, die ihr Mann fertigt.

Wer dabei Lust bekommt, selbst aktiv zu werden, ist hier ebenfalls richtig: Mildner gibt auf Anfrage maßgeschneiderte Glasverschmelzungs-Workshops in ihrer Werkstatt. Seit Kurzem arbeitet sie auch mit der Kreativkurs-Plattform „dada-days“ zusammen. Dabei können die Teilnehmer Schalen oder handgepäcktaugliche, gläserne Libellen gestalten. Die nächsten Termine sind 11.6., 13.7., 16.7., 10.8. und 13.8.

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Son Barrina Gallery, Ctr. Inca–Llubí, km 6, Mi. und Sa. 10–19 Uhr und nach Absprache unter Tel.: 602-21 40 38, Infos: facebook.com/sonbarrinagallery, Workshop-Anmeldung: dada-days.com