Hommage an Papa: Deutsche eröffnet Pop-up-Galerie in Santanyí auf Mallorca

Stella Bettes Welt ist eigentlich das Casino. Nun ehrt sie mit einer temporären Galerie in Santanyí ihren 2022 verstorbenen Vater, den Künstler Michael Bette

Galeristin auf Zeit: Stella Bette mit einem Foto von sich und ihrem Vater Michael Bette, umgeben von seinen Kunstwerken.

Galeristin auf Zeit: Stella Bette mit einem Foto von sich und ihrem Vater Michael Bette, umgeben von seinen Kunstwerken. / Nele Bendgens

Brigitte Rohm

Brigitte Rohm

In Santanyí schlägt das Herz für Kultur bekanntlich besonders laut. Doch was die Kunstszene des Ortes im Südosten der Insel jetzt Neues zu bieten hat, ist gleich in dreifacher Hinsicht bemerkenswert. Erstens: Stella Bette, die eigentlich in Wiesbaden lebt und auch keine Ambitionen hegt, dauerhaft auszuwandern, hat dort für drei Monate mit einer temporären Galerie Quartier bezogen.

Zweitens: Die 51-Jährige geht dieses Projekt mit so viel Elan und Professionalität an – man würde nie darauf kommen, dass sie beruflich eigentlich nichts mit Kunst am Hut hat. Tatsächlich ist sie Croupière im Casino. Und drittens – das hat man auch nicht alle Tage – ist sie selbst die Tochter des Künstlers. Dabei handelt es sich um den Maler Michael Bette (1942–2022), einem Meisterschüler von Gerhard Hoehme, der wiederum als einer der wichtigsten Vertreter des deutschen Informel gilt.

"Eine Herzensangelegenheit, eine Hommage"

Stella Bette erzählt beim MZ-Besuch zur Vernissage, sie habe schon länger den Gedanken gehabt, einmal selbst Bilder ihres Vaters zu zeigen, der vergangenes Jahr starb. „Das ist mir einfach eine Herzensangelegenheit, es ist eine Hommage an ihn“, sagt die Frau mit der positiven Ausstrahlung und wird für einen kurzen Moment still. „Ich bin traurig, dass er es nicht mehr sieht. Dass ich mit meinem Geschenk an ihn zu spät bin.“

Michael Bette hatte zwar selbst keinen Bezug zu Mallorca, arbeitete und lebte mit seiner Familie aber zeitweise außerhalb Deutschlands – in Florenz, Rom und Paris. Die Idee, ihre Pop-up-Galerie auf der Insel zu eröffnen, sei schnell und spontan entstanden, erzählt die Künstlertochter. Denn sie fand keinen geeigneten Raum in ihrer Nähe. Im März besuchte sie eine Freundin, die auf Mallorca lebt und die für sie einen Facebook-Aufruf startete. So kam sie schließlich an die Räumlichkeiten in Santanyí, die geradezu ideal für das Projekt sind: viel Tageslicht, dazu helle Wände und natürliche Steinmauern im reizvollen Wechselspiel. In Berlin packte Stella Bette 70 Bilder in einen Transporter und brachte sie mit der Fähre nach Mallorca. Ein Teil schmückt nun die Wände, ein anderer lagert im Depot.

Als kleines Mädchen durfte sie mitarbeiten

Wenn die 51-Jährige von ihrer Kindheit zwischen Bildern, Museen und Ausstellungen erzählt, spricht aus ihr große Liebe für ihren Vater. „Als kleines Mädchen durfte ich manchmal mitarbeiten. Er drückte mir einen Pinsel in die Hand und sagte: Du darfst keine Ecken machen, es muss gerade sein!“ Zwar wählte sie selbst später einen anderen Weg – ein trockenes Jura-Studium, dann die ausgefallene Arbeit in der Spielbank, beides ihre Form der Rebellion in einer Künstlerfamilie –, und dauerhaft als Galeristin sieht sie sich nicht. Doch Bette hat einen besonderen Blick für die Bilder, die ihr von klein auf vertraut sind, und vermag es, sie gelungen zusammenzustellen.

„Dieses Bild hing lange in meinem Schlafzimmer, und ich war morgens immer ganz ergriffen, wenn ich so einen hauchzarten Fliederton gesehen habe“, sagt die Malertochter über das älteste Werk in der Ausstellung, das von 1990 stammt. Michael Bettes abstrakter Stil veränderte sich mit den Jahren. Frühe Arbeiten waren noch zurückhaltender, poetischer, pastelliger, und teils hatten sie riesige Formate. Später – wie ein daneben aufgehängtes Bild gut verdeutlicht – wurden seine Farben kräftiger, die Formen viel radikaler.

Stella Bette mit dem ältesten Bild der Ausstellung. Früher hing es in ihrem Schlafzimmer.

Stella Bette mit dem ältesten Bild der Ausstellung. Früher hing es in ihrem Schlafzimmer. / Nele Bendgens

Von Bedeutung befreite Zeichen

Formen, das sind bei Michael Bette Zeichen. Und zwar Zeichen ohne jede Bedeutung. „Er hat sie sich ausgedacht, und sie stehen für gar nichts“, betont Stella Bette. In einer Welt voller Chiffres, die etwas symbolisieren, führen Michael Bettes Zeichen ein freies, autonomes Leben auf der Leinwand. Sie bilden Kompositionen, die den Betrachter herausfordern, genau hinzusehen. Spiegeln sich manche Elemente oder doch nicht ganz, wie oft kommt ein Magenta-Ton vor? „Mir macht es immer Spaß zu überprüfen, ob es jedes Zeichen wirklich nur einmal gibt“, sagt Stella Bette.

Der Künstler hatte schon früh Kontakt zu Otto Piene und Heinz Mack, den Gründern der Künstlergruppe ZERO, die einen neuen Anfang, eine „Stunde Null“ für die Kunst nach dem Zweiten Weltkrieg suchte. Bette war davon fasziniert, ging aber seinen eigenen Weg: Ihn trieb die Spannung zwischen Intuition und Reflexion, impulsiv gesetzten Zeichen und verbindlicher Form um. Zwar konnte er immer von seiner Kunst leben, er war aber auch als Kunsterzieher tätig und lehrte von 1992 bis 2011 als Professor für Künstlerische Grundlagen an der Fachhochschule Potsdam.

Spitznamen für abstrakte Werke

Da der Künstler den eigenen Werken fast nie Titel gab und es mitunter schwierig ist, abstrakte Bilder zu beschreiben, erfanden Frau und Tochter oft Spitznamen. „Das ist der Hummer“, kommt es denn prompt von der Malertochter, wenn sie nach einem Werk mit ineinander fließenden Korallentönen gefragt wird. Ihr Vater habe in solchen Fällen immer geschimpft, denn man sollte ja eben keine konkreten Dinge sehen. Aber bestimmt würde Michael Bette hier einmal ein Auge zudrücken: Er müsste nur sehen, mit wie viel Freude seine Tochter sein künstlerisches Vermächtnis auf Mallorca in Ehren hält.

Rechts: Das Bild mit dem inoffiziellen Titel "der Hummer".

Rechts: Das Bild mit dem inoffiziellen Titel "der Hummer". / Nele Bendgens

Ausstellung „Michael Bette in Santanyí“, bis 4.9., Di.–Sa. 10–14 Uhr und 17–20 Uhr, Carrer del Bisbe Verger, 20, Santanyí, Preise der Werke: 1.400–12.000 Euro.

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