Meinung | DER INSELDUDEN

Der Unzufriedene findet keinen bequemen Stuhl

Jan Lammers macht sich in dieser Woche Gedanken über die Auswirkungen von Stühlen auf unser Leben

Romelu Lukaku (l) und Thorgan Hazard bei einem Länderspiel

Romelu Lukaku (l) und Thorgan Hazard bei einem Länderspiel / Bruno Fahy/BELGA/dpa

Stuhl, mit vier Beinen, Rückenlehne und eventuell Armlehnen versehenes Sitzmöbel für eine Person

Schreibtischtäter sind wohl besonders gefährlich, sei es bei den damaligen NS-Verbrechen oder aktuell in Anordnungen aus Brüssel. Stets gilt die hintersinnige Bemerkung des Philosophen Sigbert Latzel, laut dem „auch Schreibtisch und Stuhl gefährliche Vierbeiner sind“. Ebenso im übertragenen Sinne gebraucht wird die hiesige Redewendung „Wer sich vom Stuhl vor der Kathedrale erhebt, der setzt sich nicht mehr hin“ (A sa cadireta de la Seu, qui s’aixeca no se seu) – wer sich von einer viel begehrten Sache auch nur kurz ablenken lässt, ist schnell aus dem Geschäft, wenn ein anderer die Möglichkeit erkannt und genützt hat. Vom Stadtschreiber von Speyer zu Beginn des 17. Jahrhunderts, Christoph Lehmann, stammt die unumstößliche Wahrheit, laut der „Jugend und Weisheit nicht auf einem Stuhl ruhen“ – zu unruhig zeigt sich die Jugend auch auf mallorquí, da sie nun mal „Nadeln im Stuhl hat“ (tenir agulles a sa cadira).

Frosch auf dem goldenen Stuhl

Eine ebenso harte wie unmissverständliche Redewendung auf der Insel charakterisiert interfamiliäre Beziehungen: „Für meine Tochter, Brot und Stuhl; für meine Schwiegertochter, Brot und raus“ (Per sa mava filla, pa i cadira; per sa meva nora, pa i a fora). Der österreichische Lyriker Johann Vogl brachte die viel zitierte Macht der Gewohnheit zum reimenden Ausdruck: „Der Frosch springt wieder in den Pfuhl, säß er auch auf goldenem Stuhl.“ In anderen Fällen kann eine hervorragende Sitzgelegenheit von großem Vorteil sein: „Wer auf einem guten Stuhl sitzt, den erwartet ein gutes Abenteuer“ (Qui a bona cadira seu, bona ventura l’espera). Das Schlusswort gebührt dem US-amerikanischen Politiker Benjamin Franklin, einem der Gründerväter der USA, dessen ebenso brillante wie einfache Analyse eines chronisch verärgerten Zeitgenossen wie folgt lautet: „Der unzufriedene Mensch findet keinen bequemen Stuhl.