Meinung | DER INSELDUDEN
Schiller und Goethe über Affen und nackte Frauen
MZ-Kolumnist Jan Lammers widmet sich dem Thema der Seide
Seide, sehr feine, dünne Fäden vom Kokon des Seidenspinners
Auch wenn dieser tierische Faserstoff ursprünglich aus dem fernen China stammt und einst als wichtige Handelsware über die Seidenstraße nach Europa transportiert werden musste, hat er selbst in den hiesigen Sprachschatz Eingang gefunden, obwohl die Insel bis vor weniger als einhundert Jahren nur sporadischen Kontakt zum Festland besaß. So wird auf Mallorquinisch beispielsweise das Tragen einer unangemessenen Kleidung zu Jahresanfang zwei möglichen Umständen zugeschrieben: „Um sich im Januar in Seide zu hüllen, sind entweder Fantasie oder wenig januarliche Temperaturen nötig“ (Vestir de seda pes gener, fantasia o poc gener). Friedrich von Schiller, einer der bedeutendsten deutschsprachigen Schriftsteller überhaupt, ist derweil der Urheber der folgenden „fein“-sinnigen Feststellung bezüglich jener hauchdünnen Fäden des Seidenspinners: „Ketten von Stahl oder Seide – es sind Ketten!“
Aus Seide näht man keinen Sack
Dass manche Mitmenschen als gesellschaftlicher Pöbel angesehenen und abgetan werden, ist in der heutzutage vorherrschenden Zeit der politischen (Über-)Korrektheit eine kaum mehr öffentlich zu vernehmende Meinung. Vor 200 Jahren noch wurde sie ohne Bedenken von niemand Geringerem als Johann Wolfgang von Goethe frei heraus geäußert: „So sei doch höflich!“ – „Höflich mit dem Pack? Mit Seide näht man keinen groben Sack!“ Auf Mallorquinisch lautet der dementsprechende Ausdruck nicht weniger drastisch: „Selbst wenn sich der Affe in Seide kleidet, bleibt er immer noch eine Affe“ (Encara que sa moneia se vesteixi de seda, moneia se queda). Aus Arabien stammt angeblich die abschließende und vorzüglich die Sinne der Männer in Erregung bringende Erklärung zur Entstehungsgeschichte jener Jahrtausende alten Textilfaser: „Seide wurde erfunden, damit Frauen nackt in Kleidern gehen können.“
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