Meinung | DER INSELDUDEN

Jedes Wort ist ein Urteil auf Mallorca

MZ-Kolumnist Jan Lammers denkt über die Vielfalt der richterlichen Entscheidungen nach

Urteil, abschließende richterliche Entscheidung oder abwägende Stellungnahme

Ebenso wie man gemäß einer gängigen hiesigen Redewendung von einem Apfelbaum keine Birnen erwarten kann, sollte man sich „von einem Richter mit schlechtem Gewissen kein gerechtes Urteil erhoffen“ (Jutge de mala consciència no pot fer bona sentència).

Der deutsche Dichter Otto Weber definiert den wohl hartnäckigsten Richterspruch in unserer Gesellschaft: „Das Vorurteil – das Urteil der blinden Masse!“ Dem entgegen sollte in einem funktionierenden Rechtsstaat eine ausgewogene Justiz funktionieren, die sich um die Anliegen aller Beteiligten kümmert und so zu einer gerechten Entscheidung kommt: „Um eine Angelegenheit beurteilen zu können, muss man sich mehr anhören als lediglich eine Seite“ (Per sentenciar una qüestió, s’ha d’escoltar més d’una versió). Und selbst dann ist es laut dem mystischen Dichter Peter Hille noch angebracht, „sich wie unter und auf Porzellan zu bewegen, so vorsichtig sei unser Urteil, dass wir nirgends anstoßen dürfen“.

Manchmal kommt es aber gar nicht so weit. Wenn eine außergerichtliche Vereinbarung erzielt und hierdurch die Verhandlung vermieden werden kann; so wird zumindest ein ungewisser Ausgang vermieden: „Eine schlechte Einigung ist besser als ein gutes Urteil“ (Més val un plet dolent que una bona sentència). Eine anderer Vorzug ist von wesentlich weitreichender Bedeutung: „Immer noch besser das Urteil eines Gerichts als das eines Arztes“ (Val més sentència de jutge que sentència de metge) – der erste Fall gibt immer noch Anlass zur Hoffnung. Die drei Bereiche des menschlichen Denkens, Sprechens und Handelns formen im Idealfall eine vernunftgeleitete Einheit. Mit Worten können solch gegensätzliche Ziele verfolgt werden wie Heiraten oder zu einem Krieg aufzuhetzen. Daher heißt es auf Mallorquinisch auch derart dick aufgetragen: „Jedes Wort ist ein Urteil“ (Cada paraula és una sentència).