Wer wird neuer Ministerpräsident von Spanien? Alberto Núñez Feijóo hat seine letzte Chance am Freitag

Die Wahl des ehemaligen galicischen Regierungschefs zum Nachfolger von Pedro Sánchez scheitert im ersten Durchgang erwartungsgemäß. Wie geht es jetzt weiter?

Alberto Núñez Feijóo bei der missglückten Amtseinführung.

Alberto Núñez Feijóo bei der missglückten Amtseinführung. / KIKO HUESCA/EFE

Thilo Schäfer

Thilo Schäfer

Alberto Núñez Feijóo ist der achte Kandidat seit Wiederkehr der spanischen Demokratie 1977, der sich im Unterhaus des Parlaments zur Wahl zum Ministerpräsidenten stellt. Die Debatte zur Amtseinführung hatte erwartungsgemäß etwas Skurriles, da das Scheitern des Vorsitzenden der konservativen Volkspartei PP als ausgemacht galt.

Und so begann der frühere Regierungschef von Galicien seine Rede am Dienstag (26.9.) mit Erklärungen dafür, warum es nicht für die Posten des Ministerpräsidenten reichen würde. Mehr noch, Núñez Feijóo gab zu verstehen, dass er freiwillig darauf verzichte – wegen seiner Prinzipien.

Reizthema Amnestie

Stattdessen widmete der Konservative einen großen Teil der Ansprache im Congreso de los Diputados den Versuchen seines Rivalen Pedro Sánchez von den Sozialisten zum Ministerpräsidenten wiedergewählt zu werden. Im Mittelpunkt stand die Amnestie für die Beteiligten des illegalen Referendums und der Unabhängigkeitserklärung in Katalonien 2017, die der Sozialist für die Stimmen der separatistischen Parteien im Unterhaus gewähren will.

Die erste Abstimmung am Mittwoch (27.9.) endete exakt wie erwartet. Núñez Feijóo erhielt 172 Stimmen: die 137 seiner PP, die 33 der rechtsextremen Vox und zwei Abgeordnete von Regionalparteien aus Navarra und den Kanaren. Dagegen votierten alle übrigen Parteien, insgesamt 178 Stimmen. Am Freitag (29.9.) kommt es zu einer zweiten Wahl, bei der eine einfache Mehrheit reicht.

Pedro Sánchez hat zwei Monate Zeit

Es gilt jedoch als so gut wie ausgeschlossen, dass genügend Abgeordnete binnen zwei Tagen ihre Meinung radikal ändern könnten. Beim Scheitern des Kandidaten wäre dann Sánchez an der Reihe, eine Mehrheit zusammenzutrommeln. Dafür hätte er bis zum 27. November Zeit, bevor es automatisch zu Neuwahlen im Januar käme.

„Ich habe die nötigen Stimmen zusammen, um Ministerpräsident zu werden“, erklärte Núñez Feijóo in seiner Ansprache. „Aber ich akzeptiere nicht den Preis, der dafür verlangt wird“, sagte er in Anspielung auf die Forderung nach einer Amnestie. Junts, die Partei des früheren katalanischen Regierungschefs Carles Puigdemont, der vor der spanischen Justiz nach Belgien geflohen ist, hätte der PP ebenfalls die Unterstützung ihrer sieben Parlamentarier in Madrid im Gegenzug für diese Maßnahme angeboten, versicherte der Kandidat.

Die Vox-Stimmen wären wieder flöten gegangen

Allerdings wäre die Rechnung auch ohne die Prinzipienfrage nicht aufgegangen, da Vox nie eine Amnestie für die Separatisten akzeptieren würde und Núñez Feijóo dann deren 33 Stimmen abhandengekommen wären.

Das Bündnis der rechten Parteien, die bereits in mehreren Regionen und über 100 Gemeinden zusammen regieren, wurde nicht nur durch das Abstimmungsergebnis deutlich. Núñez Feijóo, der vor gar nicht allzu langer Zeit noch von roten Linien gegenüber den Rechtspopulisten gesprochen hatte, dankte Vox im Parlament für deren „Patriotismus“.

Pakt mit Vox schreckt die Nationalisten

Das Problem der PP ist jedoch, dass der Pakt mit Vox die nationalistischen Parteien aus Katalonien und dem Baskenland abschreckt. Mit Blick auf den Separatismus schlug der Kandidat die Einführung eines neuen Strafbestandes vor, den der „Untreue gegenüber der Verfassung“ („deslealtad constitucional“). Andere Lösungen für den lang anhaltenden politischen Konflikt bot der Galicier nicht an.

Die geplante Amnestie bereitet auch einigen Sozialisten Bauchschmerzen. In den letzten Tagen gingen Parteigrößen, wie der ehemalige Ministerpräsident Felipe González, sehr hart mit Sánchez ins Gericht. Núñez Feijóo appellierte am Mittwoch erneut an die Abgeordneten der PSOE, ihm nicht den Weg an die Macht zu versperren. Dafür bemühte der Kandidat das alte Argument, dass die PP als Sieger der vorgezogenen Parlamentswahlen vom 23. Juli, als sie die meisten Stimmen und Sitze errang, ein natürliches Anrecht auf die Regierung habe.

Nicht konsequent

Doch wenden die Konservativen dieses fragwürdige Prinzip selbst nicht immer an. In einigen Regionen und Rathäusern schlossen PP und Vox Abkommen, obwohl die PSOE die Partei mit den meisten Stimmen war. So etwa in Calvià im Südwesten von Mallorca oder in Valladolid.

Daher oblag es zur großen Überraschung aller Óscar Puente, dem Abgeordneten und früheren Bürgermeister der Stadt in Kastilien und León, an Stelle von Sánchez den Argumenten des Konservativen zu antworten. „Von Wahlsieger zu Wahlsieger frage ich Sie, warum Sie mehr Recht auf den Posten des Ministerpräsidenten haben als ich auf den des Bürgermeisters“, so Puente. Der Schachzug von Sánchez erwischte die Konservativen auf dem falschen Fuß, wurde jedoch in den meisten Medien als Mangel an Respekt gegenüber dem Parlament kritisiert.

Steuersenkungen und Sozialausgaben

Núñez Feijóo legte im zweiten Teil seiner Rede dann seine Pläne für eine PP-Regierung da, die im Wesentlichen dem Wahlkampfprogramm entsprachen. Der Konservative versprach Steuersenkungen, mehr Sozialausgaben mit dem Abbau von Schulden und Staatsdefizit vereinbaren zu können. Er wiederholte das Angebot an die Sozialisten von sechs „Staatsabkommen“, etwa die Entpolitisierung der Justiz oder mehr Hilfen für die Familien. Der Klimawandel tauchte nur kurz auf mit der Erklärung „Ökologischer Wandel ja, aktivistische Diktatur auf keinen Fall“.

Der PP-Kandidat wird sich aller Wahrscheinlichkeit nach mit der Rolle des Oppositionsführers abfinden müssen. Es bleibt ihm noch eine kleine Hoffnung, dass auch Sánchez noch über Hürden stolpern könnte. Sánchez’ Sozialisten und ihr Koalitionspartner Sumar haben sich bislang bedeckt gehalten über den Stand der Verhandlungen mit den Separatisten. Die katalanischen Parteien versichern, dass die Amnestie beschlossene Sache sei.

Die Parlamentspräsidentin Francina Armengol wird König Felipe VI. über das Ergebnis der Wahl zum Ministerpräsidenten informieren. Der Monarch müsste dann eine neue Runde der Beratungen mit allen Parteien einberufen und schließlich Sánchez als Kandidaten vorschlagen.

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