Mallorca vor den Europawahlen: So können auch ausländische Inselresidenten in der EU Weichen stellen

Mehrere Kandidaten von den Balearen sind beim Urnengang am 9. Juni mit dabei. Die Namen und Themen des Wahlkampfs

Liste CEUS: Kandidat Jordi Prunés mit El-Pi-Sprecher Salas.

Liste CEUS: Kandidat Jordi Prunés mit El-Pi-Sprecher Salas. / EL PI

Frank Feldmeier

Frank Feldmeier

Würde man eine Straßenumfrage in Palma machen, wer denn die Balearen im Europaparlament vertritt, dürfte das Ergebnis ziemlich mau ausfallen. Die Inselpolitiker in Brüssel traten in den vergangenen fünf Jahren nur wenig in Erscheinung – mal abgesehen vom einstigen balearischen Ministerpräsidenten José Ramón Bauzá. Der frühere Politiker der Volkspartei (PP), der für die rechtsliberalen Ciudadanos ins EU-Parlament einzog, sorgte mit Skandalen für Schlagzeilen, sei es wegen Anschuldigungen, Mitarbeiter gemobbt zu haben, sei es wegen Vorwürfen, im Austausch für Reisen und andere Vergünstigungen Werbung für Katar gemacht zu haben. Für die Wahlen am 9. Juni tritt Bauzá nicht mehr an.

Kandidaten der Volksparteien

So gut wie sicher ist dagegen der erneute und inzwischen vierte Einzug von Rosa Estaràs ins EU-Parlament. Sie kandidiert auf Platz sieben der Volkspartei, die derzeit mit zwölf Abgeordneten im EU-Parlament vertreten ist. Die Politikerin aus Valldemossa, die mal der Balearen-PP vorsaß, engagiert sich vor allem für die Gleichberechtigung und die Förderung von Menschen mit Behinderung – Themen, mit denen sie „soziale Akzente“ setzt, wie die balearische Ministerpräsidentin Marga Prohens betont, aber mit denen sie in der öffentlichen Debatte auf Mallorca um Massentourismus und Wohnungsnot praktisch nicht wahrgenommen wird.

Liste „Ahora Repúblicas“: Alice Weber (Més) aus Inca.  | FOTO: BENDGENS

Liste „Ahora Repúblicas“: Alice Weber (Més) aus Inca. | FOTO: BENDGENS / Frank Feldmeier

Nicht sicher ist der erneute Einzug der Mallorquinerin Alicia Homs, die auf Platz 21 der Sozialisten kandidiert – derzeit ist die PSOE mit 20 Abgeordneten im EU-Parlament vertreten. In ihrer ersten Legislaturperiode war Homs bislang Vizepräsidentin der Kommission für Beschäftigung und soziale Fragen. Sie wolle gegen die negativen Auswirkungen des Massentourismus wie etwa die Wohnungsnot kämpfen, verspricht sie nun im Wahlkampf.

Die Strategien der Kleinen

Während die spanische Rechtspartei Vox keinen eigenen Insel-Kandidaten aufstellt, setzen regionale Formationen auf den Balearen auf die Kooperation mit Parteien aus anderen Regionen. Es ist aber unwahrscheinlich, dass dank dieser Zusammenarbeit weitere Insulaner den Weg nach Brüssel antreten. So findet sich etwa die linksökologische Regionalpartei Més in der Liste „Ahora Repúblicas“ wieder, zusammen mit linken Formationen aus Katalonien, Galicien und dem Baskenland. Immerhin drei Abgeordnete schafften auf diese Weise vor fünf Jahren den Sprung nach Brüssel.

Dass Alice Weber, deutsche Stadträtin in Inca, auf Platz 15 dieser Liste rangiert, ist also eher als symbolische Kandidatur einzustufen. Nichtsdestotrotz verstehe sie sich in jedem Fall als Kontaktperson nach Europa, die die Bedürfnisse einer Inselregion artikulieren werde, so Weber gegenüber der MZ.

Kandidatin der Sozialisten: Alicia Homs.  | FOTO: PSIB

Kandidatin der Sozialisten: Alicia Homs. | FOTO: PSIB / Frank Feldmeier

Die regionale Zentrumspartei El Pi wiederum macht gemeinsame Sache mit den konservativen Regionalparteien PNV (Baskenland) und Coalición Canaria in der Liste CEUS (Coalición por una Europa solidaria). Für Mallorca kandidiert Jordi Prunés auf Platz vier – angesichts bislang nur einem Abgeordneten im EU-Parlament ebenfalls keine aussichtsreiche Position. Als zentrales Anliegen sieht Prunés die Verteidigung der Inselsprache. Sein Ziel sei es, erster Europaabgeordneter zu sein, der im Plenum Katalanisch spreche.

Die Themen

Eigentlich gäbe es reichhaltig Stoff für inhaltliche Debatten über die EU-Politik. In Brüssel wird bekanntlich inzwischen der Rahmen für alle zentralen politischen Fragen der Mitgliedsländer und Regionen abgesteckt. Aktuelles Beispiel, das die Balearen betrifft: Anfang Mai wurde die neue Verordnung zur Regelung der Ferienvermietung veröffentlicht, die Spanien nun innerhalb von zwei Jahren umsetzen muss. Datenaustausch, Kontrollpflicht, Sanktionen – mit dem Verweis auf die zunehmende Wohnungsnot wird von Vermietern und Vermittlungsportalen deutlich mehr Transparenz und Kooperation eingefordert.

Auch das Maßnahmenpaket ReFuelEU böte Stoff für Debatten: Bereits ab 2025 muss der Anteil nachhaltigen Sprits im Flugverkehr kontinuierlich steigen. Ähnliches gilt für das EU-finanzierte Wasserstoff-Pilotprojekt in Lloseta und nicht zuletzt die Verteilung der Next-Generation-Fonds – geht es doch um mehr als eine Milliarde Euro, die auf den Inseln rechtzeitig investiert werden müssen.

Die Frau der Balearen-PP in Brüssel: Rosa Estaràs.  | FOTO: DM

Die Frau der Balearen-PP in Brüssel: Rosa Estaràs. | FOTO: DM / Frank Feldmeier

Stattdessen dürften die Wahlen vor allem als Kräftemessen zwischen Regierungs- und Oppositionsparteien herhalten. Hat die Volkspartei auf den Balearen (21,1 Prozent 2019) nach knapp einem Jahr an der Macht bereits an Popularität eingebüßt? Und wie viel von ihrem vor fünf Jahren erzielten Vorsprung gegenüber der PP werden die Sozialisten (29,3 Prozent) einbüßen müssen? Werden sie vielmehr von den Konservativen abgehängt? Das Wahlergebnis ist auch von daher schwer vorherzusehen, weil nicht nur die vor dem politischen Ende stehenden Partei Ciudadanos (11,8 Prozent), sondern auch die kriselnde Linksformation Unidas Podemos (10,5 Prozent) kräftig Federn lassen dürften und die anderen Parteien auf diese Stimmen hoffen.

PSOE-Kandidatin Homs versucht Wähler mit der Angst vor dem Rechtspopulismus zu gewinnen, der „Faschismus“ drohe nach Europa zurückzukehren. Das Abschneiden der Rechtspartei Vox, die vor fünf Jahren auf den Balearen 7,6 Prozent der Stimmen holte, ist denn auch eine der zentralen Fragen, hinsichtlich des Machtgefüges auf den Balearen, aber auch in Spanien und europaweit, wo die Rechtspopulisten und Rechtsextremisten die Zahl ihrer Mandate massiv ausbauen wollen. Auch vor diesem Hintergrund haben deutsche Mallorca-Residenten viel mitzureden, können sie doch entscheiden, in welchem Land sie ihre Stimme abgeben – und bei den Kandidaten welchen Landes ihre Stimme besser aufgehoben ist.

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